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„Wenn schon, denn schon“

Löwen-Spielmacher Andy Schmid vor dem Viertelfinale der VELUX EHF Champions League im Interview

Nach dem THW Kiel am vergangenen Mittwoch wartet nun der FC Barcelona auf die Rhein-Neckar Löwen. Im Viertelfinale der VELUX EHF Champions League treffen die Badener auf den spanischen Rekordgewinner. Das Hinspiel wird am Ostersonntag um 19.15 Uhr in der Mannheimer SAP Arena angepfiffen. Zuvor sprachen wir mit Löwen-Spielmacher Andy Schmid.

Andy, Anfang April bist du wieder bei der Schweizer Nationalmannschaft gewesen, nachdem du im Januar ausgesetzt hattest. Wie kam es zu deiner Rückkehr bei der erfolgreich übersprungenen Hürde Estland in der EM-Vorqualifikation?

Andy Schmid: Ich habe ja nie meinen definitiven Rücktritt aus der Nationalmannschaft erklärt, sondern ich brauchte im Januar einfach eine Pause. Die Zeit mit den Löwen war sehr intensiv. Genauso klar war aber, dass ich gegen Estland dabei bin. Diese beiden Partien waren sehr wichtig für den Handball in der Schweiz, bei einem Ausscheiden wären wir in der Versenkung verschwunden. Deswegen stand für mich außer Frage, meinem Heimatland zu helfen.

Deine Freundin Therese hat sich sicherlich gefreut, dass du im Januar die Länderspiele abgesagt hast. Die Schweizer waren hingegen nicht sonderlich begeistert. Waren die Reaktionen jetzt umgekehrt?

Schmid: Nein, nein, Therese ist mir eigentlich sehr selten böse (lacht). Für uns als Familie und auch für mich als Spieler war die Pause im Januar wichtig. Sie hat mir sehr gut getan. Mit Therese war aber auch abgesprochen, dass ich bei den Partien gegen Estland wieder für die Schweiz spiele.

Die Auslosung der EM-Qualifikationsgruppen bescherte euch Titelverteidiger Frankreich, Tschechien mit Superstar Filip Jicha und Mazedonien als Gegner. Wie groß ist die Chance auf eine EM-Teilnahme der Schweiz im Januar 2016 in Polen?

Schmid: Es ist brutal schwer für uns, sich für ein Turnier zu qualifizieren. Wir waren in Lostopf vier und schon vor der Auslosung hatte ich mir mal angesehen, auf wen wir so treffen können. Schon da war mir klar, dass eine EM-Teilnahme für uns fast ein Ding der Unmöglichkeit ist.

Rolf Brack, der in der Bundesliga bis Dezember in Balingen gearbeitet hat, ist euer neuer Nationaltrainer. Wie ist dein Eindruck von ihm?

Schmid: Es ist ganz anders als vorher. Rolf Brack bringt frischen Wind rein, verfolgt eine andere Spielphilosophie und neue Idee. Seine Sichtweise auf den Handball erweitert auf jeden Fall meinen Horizont. Wir spielen auch ab und zu ohne Torwart und dafür mit einem siebten Feldspieler. So hat er es ja schon in Balingen praktiziert.

Zusammen mit deinem Teamkollegen Uwe Gensheimer und Marko Vukelic betreibst du das Modelabel U and Woo. Wie laufen die Geschäfte?

Schmid: Die erste Kollektion hat sich sehr, sehr gut verkauft, jetzt kommt die zweite. Wenn mir jemand vor einem Jahr gesagt hätte, dass es so laufen wird, hätte ich das sofort unterschrieben. Es macht richtig Spaß und ich denke, uns sind keine Grenzen gesetzt.

DHB-Pokal, Bundesliga, Champions League – vor der Länderspielpause seid ihr praktisch jeden Tag im Einsatz gewesen. Blieb da überhaupt Zeit für U and Woo?

Schmid: Doch, doch, das ging schon. Den Uwe sehe ich ja jeden Tag im Training. Notfalls besprechen wir was beim Aufwärmen (lacht).

Dein blindes Verständnis mit Kreisläufer Bjarte Myrhol ist hinlänglich bekannt. Du bedienst ihn immer wieder mit erstklassigen Anspielen – und wenn er wie gegen Berlin fehlt, machst du einfach selbst 13 Tore. Könntet ihr auch mal die Positionen tauschen?

Schmid (lacht): Lieber nicht. Mir fehlen zehn Kilo, um Bjartes Part übernehmen zu können. Und ich weiß nicht, ob ich die Härte am Kreis einfach so einstecken könnte. Ich glaube, da hätte ich irgendwann keinen Bock mehr auf Handball. Deswegen ist alles gut, wie es jetzt ist.

Im Viertelfinale der Champions League trefft ihr auf den FC Barcelona, den Topfavoriten auf den Titel. Sind die Katalanen mit ihrer namhaften Welt-Auswahl ein Traum- oder Horrorlos?

Schmid: Wenn schon, denn schon (lacht). Einfache Gegner gibt es im Viertelfinale eigentlich nicht, sportlich gesehen wäre dennoch vielleicht Vardar Skopje das leichteste Los gewesen. Ich finde Barcelona als Gegner aber besser als den THW Kiel oder MKB Veszprem. Gegen Kiel spielen wir oft genug, Duelle zwischen zwei deutschen Mannschaften finde ich im Europapokal sowieso nicht sonderlich prickelnd. Und Veszprem hatten wir schon in der Vorrunde, das brauchte ich jetzt auch nicht noch einmal.

Mit welchen Erwartungen gehst du in die Partien gegen Barcelona?

Schmid: Auf uns wartet eine schwierige Aufgabe, Barcelona war in der vergangenen Saison nah dran am Champions-League-Titel und hat sich danach mit Kiril Lazarow und Nikola Karabatic noch einmal richtig verstärkt. Für Nikola war der Wechsel nach Spanien ein echter Neuanfang nach diesem Wettskandal, der Schritt nach Barcelona hat ihm sehr gut getan. Davon konnte sich zuletzt jeder bei der EM in Dänemark überzeugen. Zusammen mit Lazarow und Siarhei Rutenka bildet er einen brutal starken Rückraum, im Tor ist Barcelona mit Apard Sterbik und Danijel Saric ebenfalls mit zwei Weltklasseleuten besetzt. Aber ich bin mir sicher: Barcelona hat auch Respekt vor uns.

Ihr habt das Final Four um den DHB-Pokal und das Bundesliga-Topspiel gegen Kiel unmittelbar vor diesem Champions-League-Kracher bestritten und musstet mehrfach an eure Grenzen gehen. Euer Gegner wird dagegen in der Liga praktisch gar nicht gefordert und kann sich voll und ganz auf die Königsklasse konzentrieren. Vorteil Barcelona?

Schmid: Eine immer wieder gestellte und schwierige Frage, die sich nicht eindeutig beantworten lässt. Barcelona muss in der Liga kaum ans Limit gehen, wir dagegen jeden dritten Tag. Das stimmt. Aber vielleicht ist es ja auch ein Vorteil, immer auf diesem Niveau agieren zu müssen. Vor den Achtelfinalspielen gegen Kielce hatten wir die gleiche Situation. Die werden in Polen auch nicht gefordert und waren ausgeruht, wir sind aber in die nächste Runde eingezogen. 

In der Saison 2010/2011 trafen die Löwen in der Vorrunde zwei Mal auf Barcelona und später noch einmal beim Final Four. Auswärts gab es einen 31:30-Sieg, in der SAP Arena ein 38:38. Das Halbfinale in Köln ging 28:30 verloren. Welches Spiel ist dir besonders in Erinnerung geblieben?

Schmid: Natürlich der Auswärtssieg. Gudmundur Gudmundsson war erst zwei Tage vorher unser Trainer geworden, das war eine spezielle Situation, die wir sehr gut gemeistert haben. So etwas vergisst man nicht.

Die beiden Spielzeiten danach blieb euch nur die Zuschauerrolle in der Königsklasse, jetzt seid ihr wieder dabei. Wie bist du mit dem bisherigen Abschneiden in der Champions League zufrieden?

Schmid: Ein bisschen ärgerlich ist immer noch, dass wir uns in der Gruppenphase den ersten Platz selbst verbockt haben. Beim Unentschieden gegen Zaporozhye haben wir eine unserer schlechtesten Saisonleistungen gezeigt. In Veszprem hatten wir die Chance auf den Sieg, doch dann bin ich in der Schlussminute über meine eigenen Füße gestolpert und wir verloren. Platz eins war möglich  – und dann hätten wir auch einen etwas leichteren Gegner im Viertelfinale bekommen.

 

Wer oder was ist für dich die größte Überraschung in der bisherigen Champions-League-Saison?

Schmid: Dass beide Klubs aus Skopje das Viertelfinale erreichen, war nicht zu erwarten. Ich hatte es schon für möglich gehalten, dass sich Metalurg im Achtelfinale gegen KIF Kolding-Kopenhagen durchsetzt. Aber dass der HSV Hamburg an Vardar scheitert, hat sicherlich nicht nur mich überrascht.

 

Ab der Saison 2015/2016 wird die Königsklasse in einem neuen Modus mit zwei Achtergruppen und 14 Vorrundenpartien ausgetragen. Was hältst du von der anstehenden Reform?

Schmid: Ich glaube nicht, dass da sonderlich viel an die Spieler gedacht wurde, sondern eher an neue Einnahmequellen. Als Schweizer will ich mich jetzt nicht beklagen, mit der Nationalmannschaft werde ich eher keine großen Turniere mit der Nationalmannschaft im Januar spielen. Aber für alle anderen wird die Belastung noch größer. Es würde mich nicht wundern, wenn jeder Champions-League-Teilnehmer in Zukunft drei, vier Verletzte zu beklagen hat.