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Die nächste Historische Marke im Blick

Löwen treffen am Abend auf IFK Kristianstad

Mit historischen Momenten im schwedischen Handball kennt sich Ola Lindgren aus. 1990 und 1999 war er fester Bestandteil der Nationalmannschaft, die in diesen beiden Jahren den Weltmeister-Titel gewann, zudem war er als Spieler an nicht weniger als vier Europameisterschaften beteiligt und gewann bei Olympischen Spielen gleich dreimal die Silber-Medaille. Doch auch als Trainer hat der heute 51-Jährige inzwischen Bleibendes geschaffen: Als Coach des IFK Kristianstad feierte Lindgren mit dem 1899 gegründeten Traditionsverein in der vergangenen Saison die schwedische Meisterschaft – und das nach einer 62-jährigen Durststrecke.

„Das hat mir unheimlich viel bedeutet. Kristianstad ist ein großer Traditionsverein, der zwischenzeitlich in die Drittklassigkeit abgerutscht war. Jetzt sind wir Meister, spielen in der Champions League, haben eine neue Arena und im Schnitt 4500 bis 5000 Zuschauer. Das ist für schwedische Verhältnisse nicht schlecht“, blickt Lindgren auf den jüngsten Aufschwung in der südschwedischen Provinz Schonen. Zuvor hatte IFK zweimal in Folge das Finale um den Titel verloren, am 24. Mai 2015 gelang im Scandinavium von Göteborg dann der ersehnte 28:25-Sieg gegen Titelverteidiger Alingsas – Lindgrens Mission war am Ziel, die 37 000 Einwohner große Kleinstadt stand Kopf.

Doch der ehemalige Abwehr-Chef der „Bengan-Boys“ unter Nationaltrainer Bengt Johansson ist deshalb noch lange nicht satt. „Durch die Meisterschaft sind wir jetzt auch in der Champions League dabei. Dieser Wettbewerb und die Duelle mit den stärksten Teams der Welt geben mir die Möglichkeit, meine Mannschaft weiterzuentwickeln“, sieht Lindgren, der gemeinsam mit Staffan Olsson auch für die Nationalmannschaft zuständig ist, sein junges Team noch lange nicht am Limit. Trotz der jüngsten Erfolge musste der ehemalige Trainer der Rhein-Neckar Löwen aber auch ein paar Rückschläge verkraften: Schlüsselspieler wie Nationalspieler Marcus Olsson und der norwegische Torwart Magnus Dahl schlossen sich dem dänischen Champions-League-Teilnehmer Skjern Handbold an, Rückraumspieler Jonathan Steenbäcken wechselte zum TBV Lemgo in die Bundesliga.

„In Schweden war das schon immer so, dass die besten Spieler irgendwann ihr Glück auch im Ausland suchen, deshalb muss man mit Veränderungen im Kader leben“, akzeptiert Lindgren die Regeln des Profi-Sports und versucht, die Abgänge mit der Integration von fünf neuen Spielern zu kompensieren. Doch zu improvisieren und immer wieder neue Lösungen zu finden, ist ohnehin das Tagesgeschäft des 51-Jährigen beim IFK Kristianstad – nicht zuletzt mit Blick auf die Herausforderungen in der Champions League. „Wir sind natürlich nicht auf dem Level wie die großen Mannschaften, deshalb müssen wir mit viel Tempo spielen und benötigen viele einfache Tore aus dem Gegenstoß. Darauf haben wir in der Vorbereitung großen Wert gelegt“, beschreibt Lindgren seinen Ansatz. „In der Abwehr konzentrieren wir uns auf die typisch schwedische 6:0-Abwehr und setzen hier auf Ballgewinn. Mit dieser Art zu spielen, können wir für einige Teams zu einem Problem werden“, meint der IFK-Coach.

Wie das dann in der Praxis aussehen kann, mussten vor allem die Rhein-Neckar Löwen im Hinspiel bei der unerwarteten 29:32-Niederlage in Schweden am eigenen Leib erfahren. IFK schlug die Badener mit deren eigenen Waffen, bestrafte jeden Fehler mit einem Gegenstoß und sorgte beim 20:12 bis zur Halbzeit vor den begeisterten Fans für ein regelrechtes Torgewitter. „Das war eine sehr schlechte Leistung meiner Mannschaft und ein verdienter Erfolg von Kristianstad“, ging Löwen-Trainer Nikolaj Jacobsen mit seinen Spielern nach der Partie hart ins Gericht. „Wie wir uns in der ersten Halbzeit präsentiert haben, das geht einfach nicht und das war peinlich. Wir haben 40 Minuten lang überhaupt nicht gezeigt, was wir können und was wir uns vorgenommen haben, zudem hatten unsere Torhüter einen schlechten Tag. Dann reicht es in der Champions League einfach nicht“, so der enttäuschte Däne. Sein Gegenüber, Ola Lindgren, war dagegen stolz auf seine Mannschaft. „Wir haben gezeigt, dass wir in der Champions League zu Hause jede Mannschaft schlagen können. Die Löwen gehören
zu den besten Klubs in Europa, am Ende hatte meine Mannschaft fast ein wenig Angst, die Partie zu gewinnen, aber wir sind sehr froh über diese beiden Punkte“, so Lindgren, dessen Mannschaft in der Königsklasse nicht nur lernen soll, sondern auch ein klares Ziel hat. „Wir möchten gerne ins Achtelfinale und dann schauen, was passiert. Jedes Spiel auf diesem Niveau bringt uns weiter“, sagt der schwedische Coach, der mit dem Einzug in die K.o.-Runde die nächste historische Marke setzen würde.

Die Vorbereitung der Löwen auf die heutige Partie, (Anwurf 20:45 FRAPORT Arena Frankfurt, Eintrittskarten gibt es noch an der Abendkasse) dürften wohl die kürzeste in der Clubgeschichte gewesen sein. Am vergangenen Dienstag kämpften die Badener in der Bundesliga noch die Füchse Berlin nieder, zwischen dem letzten Bundesligaspiel und dem heutigen Auftritt in der Künigsklasse liegen also nur etwas mehr als 24 Stunden. „Die Belastung für meine Spieler ist unheimlich hart, aber wir können die Situation nicht ändern“, sagt Löwen-Trainer Nikolaj Jacobsen, der auch heute in Frankfurt wieder auf Rückraumspieler Harald Reinkind (Bauchmuskelverletzung) verzichten muss. „Mit Harald fehlt uns jemand, der die einfachen Tore aus dem Rückraum erzielen kann“, weiß Spielmacher Andy Schmid. Gegen Kristianstad soll aber auf jeden Fall der nächste Sieg in der Königsklasse her. „Wir alle haben das Hinspiel im Kopf. Das wollen wir in Frankfurt besser machen“, kündigt Kim Ekdahl du Rietz eine andere Löwen-Mannschaft als bei der Niederlage in Schweden an.