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„In der kommenden Saison sind wir die gejagte Mannschaft“

Jennifer Kettemann im Interview

Seit dem 16. Mai dieses Jahres ist Jennifer Kettemann Geschäftsführerin der Rhein-Neckar Löwen. Im Interview spricht die Nachfolgerin von Lars Lamadé über die ersten Wochen ihrer Amtszeit, ihre Ziele beim Deutschen Meister, die vergangene Ligatagung und die kommende Saison in der VELUX EHF Champions League.

Jennifer Kettemann, einen besseren Einstand hätte es für Sie als Geschäftsführerin der Rhein-Neckar Löwen ja nicht geben können, am 16. Mai haben Sie Ihre Tätigkeit während der laufenden Saison aufgenommen, am 5. Juni konnten Sie die Deutsche Meisterschaft feiern.

Jennifer Kettemann: „Das ist richtig, der Titelgewinn war für uns alle eine unglaublich tolle Sache und eine Belohnung für unsere Mannschaft, Trainerteam, Fans und Sponsoren, die auch nach vielen sportlichen Rückschlägen immer weiter das große Ziel verfolgt haben.

Wie kam es zu Ihrem Einstieg in der laufenden Saison?

Kettemann: „Ich habe mich bewusst für einen Einstieg während der laufenden Saison entschieden, weil mir eine vernünftige Arbeitsübergabe mit meinem Vorgänger Lars Lamadé wichtig war, der ja bis zum 30. Juni ebenfalls noch als Geschäftsführer für die Löwen tätig war und seit dem 1. Juli wieder unserem Aufsichtsrat angehört.“

Was hat Sie bewogen den Posten der Geschäftsführerin bei den Rhein-Neckar Löwen zu übernehmen?

Kettemann: „Als ich gefragt wurde, ob ich mir vorstellen kann diese Position zu übernehmen, musste ich nicht lange überlegen. Die Rhein-Neckar Löwen sind ein europäischer Spitzenclub, der sich in den vergangenen Jahren kontinuierlich weiterentwickelt hat. Als Geschäftsführerin möchte ich diese positive Entwicklung weiter vorantreiben, das ist eine große Herausforderung.“

Wie ist Ihr beruflicher Werdegang?

Kettemann: „Ich bin studierte Betriebswirtin, habe zunächst in einer Marketingagentur gearbeitet und bin seit 10 Jahren bei SAP. Dort habe ich u.a. den Vorstand in der Organisationsführung unterstützt, strategische Projekte geleitet und war auch für einige Zeit für SAP Indien tätig.“

Wie Ihr Vorgänger Lars Lamadé kommen Sie von SAP und übernehmen den Posten bei den Rhein-Neckar Löwen nicht als Vollzeitkraft. Dennoch gibt es Änderungen im Vergleich zu Lamadé.

Kettemann: „Zunächst einmal muss ich sagen, dass Lars Lamadé vorgemacht hat, dass dieses Konstrukt sehr gut und erfolgreich funktioniert. Nichtsdestotrotz ist das bei mir etwas anders organisiert. Mein Hauptfokus liegt klar auf den Rhein-Neckar Löwen, ich bin in der Regel viermal pro Woche im Büro in Mannheim und kann mich zudem, wie auch schon Lars Lamadé, auf ein sehr gutes Team in der Geschäftsstelle verlassen.“

Welchen Handballbezug haben Sie?

Kettemann: „Selbst gespielt habe ich nie, ich verfolge die Entwicklung der Rhein-Neckar Löwen aber schon seit Jahren und war natürlich regelmäßig in der SAP Arena.“

Welche Ziele haben Sie als Geschäftsführerin, sowohl sportlich wie auch wirtschaftlich?

Kettemann: „Sportlich wollen wir in der Lage sein, auch in Zukunft um Titel mitzuspielen. Wir wollen in allen Wettbewerben so weit wie möglich kommen. Priorität hat dabei natürlich die Bundesliga. Als Deutscher Meister sind wir in der kommenden Saison die gejagte Mannschaft, das ist eine große Herausforderung. Wirtschaftlich wollen wir den Konsolidierungskurs der letzten zwei Jahre fortführen und weiter an der wirtschaftlichen Stabilität arbeiten.“

Mit einigen neuen Partnern wie dem neuen Hauptsponsor ADMIRAL sollten die Löwen hier auf einem guten Weg sein?

Kettemann: „Dass es uns gelungen ist mit ADMIRAL einen neuen Hauptsponsor für die Rhein-Neckar Löwen zu gewinnen und auch mit Duracell eine große Marke für uns zu begeistern, macht uns stolz. Aber das ist kein Grund sich auszuruhen. Wirtschaftlich stehen andere Clubs teilweise deutlich vor uns.“

Was sehen Sie als größte Herausforderung Ihrer Arbeit an?

Kettemann: „Die positive Entwicklung weiter voranzutreiben, die Marke „Rhein-Neckar Löwen“ weiter zu stärken, die Zuschauerzahlen zu erhöhen und uns insgesamt für die Zuschauer und Sponsoren noch breiter und interessanter aufzustellen.“

Welche Rolle spielt Oliver Roggisch, der ja nun als Sportlicher Leiter für die Löwen arbeitet?

Kettemann: „Ich freue mich, mit Oli einen so erfahrenen und gut vernetzten Sportlichen Leiter an meiner Seite zu haben. Oliver Roggisch gehört noch immer zu den bekanntesten Namen im deutschen Handball, und die Rhein-Neckar Löwen sind froh ihn in ihren Reihen zu haben. Sportliche Entscheidungen werden selbstverständlich im Team mit unserem Trainer Nikolaj Jacobsen, Oliver Roggisch und mir abgesprochen, die Gesamtverantwortung liegt bei mir.“

Ein großes Thema ist der Spielplan, wie stehen Sie dazu?

Kettemann: „Der Spielplan ist sicher eine große Baustelle in der Bundesliga, besonders für die Europapokalteilnehmer. Natürlich sind wir nicht glücklich darüber, dass wir einen Großteil unserer Heimspiele in der Bundesliga in der vergangenen Saison unter der Woche austragen mussten und wohl auch in der kommenden Saison wieder austragen müssen. Insgesamt haben wir, auch durch die Champions League, zu viele Spiele und die Belastung für unsere Spieler ist immens. Wir werden alles in unserer Macht stehende tun um möglichst viele Spiele der Handball Bundesliga zu besucherfreundlichen Zeiten in der SAP Arena auszutragen. Bezüglich der hohen Belastung unserer Spieler sind wir zum Glück in der vergangenen Saison weitestgehend vom Verletzungspech verschont geblieben, während sowohl in Kiel wie auch in Flensburg Leistungsträger teilweise Monate ausgefallen sind. Auch deshalb haben wir den Antrag, die Kaderstärke in der Bundesliga auf 16 Spieler zu erhöhen, wie es praktisch schon in ganz Europa und im Europapokal gang und gäbe ist, unterstützt.“

Der Antrag wurde auf der Ligatagung, genau wie der direkte Vergleich bei Punktgleichheit, vom Großteil der Vereine abgelehnt

Kettemann: “Und das ist aus unserer Sicht nicht zu verstehen. Die DKB Handball-Bundesliga ist nicht nur die stärkste Liga der Welt, sondern auch die Liga mit der größten Belastung, und die ist natürlich bei den Spitzenclubs und Europapokalteilnehmern größer als bei den anderen Clubs. Aber auch diese Vereine profitieren von einer starken Bundesliga. Doch wir drohen hier den Anschluss zu verpassen und auch unseren Status als stärkste Liga der Welt zu verlieren. Die besten Handballer zieht es bereits jetzt in andere Länder. Die Nationalspieler kommen auf weit über 70 Spiele im Jahr. Teilweise wird hier das Eigeninteresse der Clubs über die Gesundheit der Spieler gestellt. Wir haben durch diese Entscheidung auch im internationalen Vergleich mit den Konkurrenten in der Champions League einfach einen großen Nachteil gegenüber allen anderen Mannschaften.

Auch der direkte Vergleich wurde abgelehnt

Kettemann: Was für uns einfach nur bedeutet, dass wir in jedem Spiel Vollgas geben müssen. Dass am Ende wirklich jedes Tor zählen kann, hat keine Mannschaft der Bundesliga leidvoller erfahren müssen als die Rhein-Neckar Löwen. Ich hätte mir auch hier eine andere Entscheidung der Bundesligaclubs für die Entwicklung unserer Sportart gewünscht, damit der Trainer bei einer deutlichen Führung die Spitzenspieler schonen kann und dadurch auch der Nachwuchs eine größere Chance auf mehr Spielzeiten bekommt.

Sie haben die Champions League angesprochen – wie zufrieden sind Sie mit der Auslosung?

Kettemann: „Wir haben sportlich eine anspruchsvolle Gruppe erwischt, viele Teams kennen wir noch aus der vergangenen Saison. Mit Kielce empfangen wir den Titelverteidiger. Natürlich hätten wir uns für unsere Zuschauer noch eine andere große Mannschaft wie Barcelona oder Paris mit Uwe Gensheimer gewünscht, Schaffhausen wäre alleine aufgrund der Entfernung natürlich ein Wunschlos gewesen. Nun müssen wir mit weiten Reisen planen, aber das ist unsere Mannschaft ja schon gewöhnt.“

Auch in der kommenden Saison werden die Rhein-Neckar Löwen in der VELUX EHF Champions League wieder in Frankfurt spielen.

Kettemann: „Natürlich ist der Spielort Frankfurt für uns nicht optimal. Aber wirtschaftlich und auch terminlich gibt es für uns keine Alternativen zur Fraport Arena. Leider gibt es in der Rhein-Neckar Region keine weitere Halle, die den Anforderungen der EHF für die Austragung von Champions League spielen genügt. Und die SAP Arena ist schon durch viele Veranstaltungen belegt, sodass wir gar nicht alle Spiele dort austragen könnten. Weiterhin hat sich Frankfurt für uns aber bewährt, wir haben hier in der vergangenen Saison eine tolle Unterstützung durch die Stadt und die Halle erfahren. Welche Spiele wir in der kommenden Saison in Frankfurt spielen werden hängt am Ende an der Terminierung durch die EHF und die vorgegebenen TV-Zeiten. Aber natürlich werden wir versuchen auch in der SAP Arena wieder Champions League spielen.“