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„Wir sind auf jeden Fall gewarnt vor Zagreb“

Oliver Roggisch im Interview

Vor dem nächsten Pflichtspiel der Rhein-Neckar Löwen am kommenden Donnerstag (18:15Uhr) in der Frankfurter Fraport Arena gegen den kroatischen Meister aus Zagreb äußert sich Oliver Roggisch, Sportlicher Leiter der Rhein-Neckar Löwen im Interview. Roggisch spricht über den bisherigen Saisonverlauf, die spielerischen Veränderungen im Angriffsspiel der Löwen, äußert sich zu den neuen Regeln und warnt ausdrücklich vor dem kommenden Gegner aus Kroatien.

Oli, die Löwen sind mit zwei Minuspunkten in die kleine Bundesliga-Pause gegangen. Zufrieden mit dieser Bilanz?

Oliver Roggisch: Wir können mit dieser Ausbeute zumindest sehr gut leben. Wir haben ein Spiel verloren – und zwar zuhause gegen Flensburg. Da war der Gegner klar stärker als wir, aber nicht umsonst sind die Flensburger der Topfavorit auf den Titel. Sie waren schon die beste Rückrunden-Mannschaft der vergangenen Saison, sind eingespielt und haben auch in der Breite einen unglaublich hochkarätig besetzten Kader. Uns bleibt erst einmal nichts anderes übrig, als unsere Spiele zu gewinnen und auf einen Flensburger Ausrutscher zu hoffen.

Bei den Löwen fällt die veränderte Spielweise auf. Es fallen mehr Tore aus dem Rückraum und über die zweite Welle. War das der Plan für diese Saison?

Roggisch: Wir haben über die zweite Welle gesprochen. Denn dadurch, dass Andy Schmid diese normalerweise nicht mitläuft, hatten wir da nicht so viel Durchschlagskraft. Deswegen haben wir ein bisschen umgestellt, agieren teilweise mit zwei Kreisläufern. Und gerade mit Kim Ekdahl du Rietz und Mads Mensah haben wir zwei Leute, die enorm schwer zu verteidigen sind, wenn sie mit hohem Tempo auf die Abwehr zukommen. Sie sind die richtigen Spieler für eine gefährliche zweite Welle – in diesem Bereich sind wir einen großen Schritt vorangekommen.

Wird dem Handball durch die modifizierte „Sieben-gegen-Sechs-Regel“ eigentlich die taktische Kreativität in der Abwehr genommen?

Roggisch: Ich bin zunächst einmal dafür, dass man diese Regel wieder abschafft. Handball ist Sechs gegen Sechs. Mit der jetzigen Regel ist die Zwei-Minuten-Strafe eben keine Strafe mehr, weil man mehr oder weniger gefahrlos weiterhin mit sechs Mann angreifen kann. Was die taktische Kreativität angeht: Man
kann sich auch gegen den siebten Feldspieler etwas einfallen lassen, wenn man zum Beispiel nicht mit sechs Mann bei sechs Metern steht, sondern mit einem Spieler Druck auf den Gegner ausübt und das Feld aufteilt. Dann zwingt man den Gegner, auf einer Seite zu spielen. Es gibt also schon kreative Möglichkeiten, mit sechs gegen sieben Mann zu verteidigen.

Etwas offensiver in der Abwehr haben es die Löwen zum Beispiel phasenweise beim Sieg über stets in Überzahl agierende Stuttgarter praktiziert.

Roggisch: Ja genau, ich finde es schwieriger, mit sieben Mann gegen eine etwas offensivere Deckung angreifen zu müssen. Denn wenn alle Gegner bei sechs Metern stehen, ist irgendwo ein Mitspieler frei und ich spiele die Überzahl aus. Wenn man aber wie wir einen Zwei-Meter-Mann wie Hendrik Pekeler ein bisschen vorzieht, ist es erst einmal nicht so einfach, über den drüber zu spielen. Ich bin ehrlich gesagt sogar ein bisschen überrascht, dass nicht mehrere Mannschaften es mal mit einer offensiveren Abwehr beim Spiel Sechs gegen Sieben versuchen.

Wie zufrieden bist du mit dem Abschneiden in der Champions League?

Roggisch: Wir haben beim Titelverteidiger Kielce gewonnen, dafür aber vielleicht etwas unerwartet in Brest verloren. Jetzt könnte man natürlich sagen,
dass wir noch besser als mit 7:3 Punkten dastehen könnten. Aber für die deutschen Mannschaften ist es eben schwerer, in der Champions League
zu bestehen. Brest hat sich eine Woche auf uns vorbereitet, wir sind aus dem Drei-Tage-Rhythmus gekommen. Da müssen dann ein, zwei Trainingseinheiten
und ein, zwei Videos reichen, um sich vorzubereiten. Das ist dann schon ein Nachteil.

Nun stehen zwei Heimspiele gegen Zagreb und Skopje an. Nehmen die Löwen den Gruppensieg ins Visier?

Roggisch: Klar ist, dass wir unsere Heimspiele gewinnen wollen. Aber in der Champions League ist es für uns eben auch wichtig, alle Spieler zum Einsatz zu bringen und die Belastung zu verteilen. Denn wir müssen ab und zu mal den einen oder anderen Leistungsträger schonen. Deswegen wird es auch eher in der Champions League mal zu Leistungsschwankungen kommen.

Was erwartet euch explizit gegen Zagreb am kommenden Donnerstag?

Roggisch: Das ist eine richtig gute Truppe, die zwar schwach in die Champions League gestartet ist, zuletzt aber gegen Skopje gewonnen hat. Ein paar Leistungsträger haben den Verein verlassen, aber Zagreb bringt immer wieder neue Topspieler heraus. Ich weiß auch nicht, wo sie die Jungs immer
wieder herzaubern. Das ist bewundernswert. Wir müssen 100 Prozent abrufen, wenn wir gewinnen wollen. Gelingt uns das nicht, endet es wie im Frühjahr, als wir gegen Zagreb im Achtelfinale ausgeschieden sind. Wir sind auf jeden Fall gewarnt vor Zagreb.

Wie zufrieden bist du mit den Neuzugängen der Löwen? Fangen wir mit der Linksaußenposition an.

Roggisch: Zu Gudjon Valur Sigurdsson muss ich nicht viel sagen. Er ist ein Topspieler, ein vorbildlicher Profi, der schon einmal hier war und deswegen
keinerlei Integrationsprobleme hat. Dejan Manaskov macht seine Sache auch richtig gut. Er weiß, dass Sigurdsson die Nummer eins auf Linksaußen
ist. Aber wenn Dejan spielt, zeigt er uns, dass wir uns auf ihn verlassen können.

Kommen wir zum neuen Torwart Andreas Palicka.

Roggisch: Palicka ist ein sehr guter Torwart und ergänzt sich prächtig mit Mikael Appelgren, der sich aktuell aber in einer überragenden Verfassung
befindet. Deswegen wird auch Andreas verstehen, dass Mikael gerade mehr Spielanteile bekommt. Aber die Saison ist noch lang. Andreas hat schon
Spiele für uns gewonnen und er wird auch noch wichtige Bälle für uns halten. Nicht umsonst ist er für die schwedische Nationalmannschaft nominiert
worden, auch wenn er dann wegen einer kleineren Knieverletzung absagen musste.

Und was ist mit Michel Abt?

Roggisch: Er kommt aus der Dritten Liga, der Sprung war riesig für ihn. Aber wir sehen in jedem Training, dass er ein guter Handballer ist und große
Fortschritte macht. Er arbeitet sehr hart und wird jeden Tag ein bisschen besser.