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Löwen wollen eine Reaktion zeigen

TSV Hannover-Burgdorf kommt morgen in die SAP Arena

So wirklich wussten sie nicht, was da am gestrigen Abend in Zagreb passiert war, als die Mannschaft der Rhein-Neckar Löwen um Mitternacht pünktlich auf dem Mannheimer Flughafen gelandet war. Mit 21:25 hatten die Löwen ihr Auswärtsspiel in der Champions League beim kroatischen Meister RK Zagreb verloren, dabei sah zur Pause, bei eigener 15:10 Führung, alles nach einem weiteren Erfolg des Deutschen Meister in der Königsklasse aus. 

„Ich bin ziemlich sprachlos“, sagte Spielmacher Andy Schmid. „Zum Glück haben wir nicht lange Zeit nachzudenken wie schlecht wir waren, denn schon am Samstag kommt Hannover“,richtete der Schweizer direkt nach der Pleite in Zagreb den Blick auf die morgige Partie in der SAP Arena, die um 19 Uhr angepfiffen wird. (Eintrittkarten noch an der Abendkasse). Und auch Trainer Nikolaj Jacobsen beschäftigte sich direkt nach dem Spiel schon mit dem kommenden Gegner. „Die Niederlage in Zagreb tut sehr, sehr weh, aber wir müssen und werden gegen Hannover eine Antwort geben“, kündigte Jacobsen an, obwohl die Vorbereitung auf die Messestädter kürzer wohl nicht sein konnte. Nur eine einzige Trainingseinheit hat der Däne heute, um seine Mannschaft wieder aufzurichten, den Fokus von der Champions League wieder auf die Bundesliga zu richten.  

In der Champions League möchte der morgige Löwen-Gegner in naher Zukunft ebenfalls auflaufen. „Das ist eine Vision, die uns alle antreibt“, sagte Benjamin Chatton, der Erfolgsmanager der TSV Hannover-Burgdorf im Juli 2014. Im Jahr zuvor hatten sich die aufstrebenden Niedersachsen erstmals für den EHF-Pokal qualifiziert – und seitdem sind sie stets ein heißer Kandidat für die einstelligen Tabellenplätze. Nur 2015 verkauften sich die Niedersachsen mit Rang 13 unter Wert. Es kam mit Jens Bürkle ein neuer Trainer, prompt ging es mit den Hannoveranern wieder bergauf. Nach Platz sieben in der vergangenen Saison gehört der Klub in dieser Spielzeit zwar (noch) nicht zu den Anwärtern auf einen Startplatz in der Champions League, aber die EHF-Pokalteilnahme ist machbar. Keine Frage: In Hannover hat sich etwas entwickelt. Dank Bürkle. Und dank Chatton. Mit den Olympiasiegern Casper Mortensen auf Linksaußen und Regisseur Morten Olsen, der ein überragendes Turnier in Rio spielte, stehen zwei dänische Ausnahmespieler im TSV-Kader. Hinzu kommen Europameister Kai Häfner, der zu den Stützen der deutschen Nationalmannschaft und zu den torgefährlichsten Bundesligaspielern zählt, und der Ex-Friesenheimer Erik Schmidt, der im Januar ebenfalls den EM-Titel holte. Mit Fabian Böhm kam zudem vor dieser Saison ein spielstarker Rechtshänder aus Balingen für den Rückraum. Kurzum: Dass Hannover in dieser Saison so weit oben in der Tabelle steht, ist kein Zufall.

Zumal die Niedersachsen auch ihre chronische Auswärtsschwäche ablegten und in dieser Runde sogar das eine oder andere dicke Ausrufezeichen in der Fremde setzten. Starke 24:8 Zähler holten die „Recken“ vergangene Saison in eigener Halle, dem standen aber nur magere zwölf Punkte in der Auswärtsbilanz gegenüber. Eine schwache Ausbeute, die aber in dieser Runde wohl auf jeden Fall verbessert wird. In Göppingen zerlegten die Hannoveraner FRISCH AUF! mit 34:23 in seine Einzelteile, beim Rekordmeister THW Kiel unterlag die Bürkle-Sieben nur mit 26:27, beim starken SC DHfK Leipzig gelang ein 25:23-Erfolg und dem SC Magdeburg fügten die Hannoveraner beim 37:22 die höchste Heim-Niederlage seiner langen und ruhmreichen Bundesliga-Geschichte zu. „Wenn wir eine gute Abwehrleistung zeigen, sind wir immer in der Lage, um Punkte mitzuspielen. Magdeburg hatte heute einen sehr schlechten Tag und das ist uns natürlich entgegengekommen. Wir haben dieses Gefühl einer 15-Tore-Niederlage in dieser Saison aber schon selber erlebt, daher gibt es auch heute ein lachendes und ein weinendes Auge“, sagte Chatton nach dem Coup in der gefürchteten Getec-Arena und verwies auf das eigene schlimme 20:35-Heim-Erlebnis gegen die SG Flensburg-Handewitt. Gewiss: Das unerwartet deutliche Debakel gegen den Meisterschaftsanwärter aus dem Norden schmerzte, auch die unerwarteten Niederlagen in Balingen (27:30) und Stuttgart (20:30) taten weh. Doch unter dem Strich spielen die Niedersachsen eine deutlich konstantere Saison als in den vergangenen Jahren, weshalb ihnen schon in dieser Runde sehr viel zuzutrauen ist. Festlegen auf ein Ziel will sich Routinier Torge Johannsen aber nicht: „Wir wollen als Team eine richtig geile Runde spielen und zu den besten zehn Mannschaften gehören.“ Auch Trainer Bürkle äußert sich gegenüber der „Handballwoche“ eher zurückhaltend: „Wir wollen versuchen, unser Niveau zu halten. Unser Ziel ist es, über die gesamte Saison mehr Topleistungen hinzubekommen.“

Was das angeht, sieht es bislang sehr gut aus. Und spätestens ab der Spielzeit 2017/2018 wird man den Klub von der Leine ohnehin zu den Top-Fünf der Liga zählen müssen, denn Chatton hat bereits den nächsten Hochkaräter in die niedersächsische Landeshauptstadt gelockt. Die „Recken“ haben den russischen Nationalspieler Pavel Atman unter Vertrag genommen. Der Weltklasse-Rückraumspieler, der auf der Mitte und im linken Rückraum eingesetzt werden kann, kommt vom ChampionsLeague-Teilnehmer Meshkow Brest nach Hannover und bleibt bis 2020. Welch überragenden Qualitäten Atman hat, erfuhren die Rhein-Neckar Löwen bereits am eigenen Leib, als sie in dieser Saison in Brest verloren und Meshkows Taktgeber Atman eigentlich nie in den Griff bekamen. Entsprechend stolz auf diesen Transfer-Coup ist Bürkle. „Ich freue mich sehr über diese Verpflichtung. Pavel ist ein international erfahrener Spieler, der über eine sehr hohe Schnelligkeit verfügt. Zudem hat er auch Qualitäten in der Abwehr und im Tempogegenstoß“, schätzt der Trainer das Gesamtpaket des russischen Nationalspielers, der dem Abenteuer in Deutschland gespannt entgegenblickt. „Es war immer ein Ziel von mir, in der Handball-Bundesliga zu spielen. Dass es ab dem kommenden Sommer soweit sein wird, freut mich sehr. Ich kann es kaum erwarten, mich mit den Topstars der stärksten Liga der Welt zu messen.“ Fest steht auf jeden Fall: Atman nimmt eine zentrale Rolle in den Zukunftsplanungen der Hannoveraner ein, damit die Vision von der Champions League vielleicht wirklich irgendwann einmal zur Realität wird. „Pavel Atman bringt für uns ein interessantes Paket aus Erfahrung und Flexibilität mit“, sagt Geschäftsführer Chatton, der seit seinem Amtsantritt 2011 den Verein mit finanziellem Geschick und sportlichem Weitblick extrem weiterentwickelt hat. Denn wie er selbst sagt, ist es „keine Selbstverständlichkeit, dass sich ein Spieler wie Pavel für den Standort Hannover entscheidet“. Dass er dennoch gekommen ist, spricht zweifelsohne für die gute Arbeit an der Leine.