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Keine Zeit für hängende Köpfe – Löwen erwarten Leipzig

Am morgigen Samstag kommt der SC DHfK in die SAP Arena

Nur einen Tag hat Nikolaj Jacobsen, um seine Mannschaft nach dem Ausscheiden aus der VELUX EHF Champions League am gestrigen Abend wieder aufzurichten. Bereits am morgigen Samstag warten die nächste schwere Aufgabe auf die Rhein-Neckar Löwen. Um 19 Uhr kommt Europapokalanwärter SC DHfK Leipzig in der SAP Arena. Anwurf ist um 19 Uhr, Tickets gibt es noch an der Abendkassen. Wie gegen den THW Kiel erwarten die Löwen auch gegen die Sachsen eine volle Hütte.

„Vielleicht ist es gar nicht so schlecht, dass wir bereits am Samstag schon wieder spielen“, munkelte Nikolaj Jacobsen nach der gestrigen Niederlage. Die Löwen boten dem THW Kiel einen großen Kampf, der Sprung ins Viertelfinale der Königsklasse gelang trotz eines Erfolges im Hinspiel nicht. Lange nachdenken werden die Löwen über die gestrige PArtie nicht, bereits am heutigen Vormittag startet die Vorbereitung auf den kommenden Gegner aus Leipzig, der mit Neu-Bundestrainer Christian Prokop in die SAP Arena kommt.

Nach einem umstrittenen öffentlichen Trainer-Casting, hat der 38-Jährige den Job tatsächlich übernommen. Mitte März betreute Prokop, der den Vorzug vor Markus Baur vom TVB Stuttgart erhielt, die Nationalmannschaft erstmals als Nachfolger von Erfolgstrainer Dagur Sigurdsson in den beiden Testspielen gegen Schweden. Bei den Leipzigern wird er noch bis Saisonende parallel auf der Bank sitzen – dann ist für ihn bei den Sachsen Schluss und der Deutsche Handball-Bund sein einziger Arbeitgeber. Beim DHB hat er einen Fünfjahresvertrag erhalten. Klar ist: Seinem Nachfolger in Leipzig hinterlässt Prokop eine intakte und spielstarke Mannschaft, die eine rasante Entwicklung genommen hat. In der vergangenen Saison schaffte der Aufsteiger souverän den Klassenerhalt, auch in dieser Runde ist der Ligaverbleib den Leipzigern mit ihrem 3,5-Millionen-Euro-Etat praktisch nicht mehr zu nehmen. Noch dazu hat sich der DHfK erstmals für das Final Four um den DHB-Pokal qualifiziert. Keine Frage: Die aktuelle Bilanz kann sich genauso sehen lassen wie die jüngere Vergangenheit. 2015 stieg der Klub ins Oberhaus auf, es war der vierte Aufstieg innerhalb von acht Jahren. Der Verein marschierte von der Ober- in die Bundesliga. Eine wahrlich bemerkenswerte Entwicklung.

Möglich wurde der Durchmarsch auf die große Bühne dank harter Arbeit und einer Symbolfigur, die Sponsoren und Medien anlockte: Ex-Nationalspieler Stefan Kretzschmar, der beim SC DHfK im Aufsichtsrat sitzt und in der Vergangenheit viele Türen öffnete. „Wenn Kretzsche in Magdeburg nicht unzufrieden gewesen wäre und hier nicht seine Wurzeln hätte, dann wüsste ich nicht, ob wir hier heute sitzen würden“, sagt Geschäftsführer Karsten Günther. Er weiß: Gerade der Anfang war schwer. Nur wegen „Kretzsche“, der über ein breites Netzwerk verfügt und das Zusammenspiel mit den Medien beherrscht, ist man zu Beginn des ehrgeizigen Handball-Projekts als Nachbar des millionenschweren
Fußball-und-Brause-Konzerns RB Leipzig überhaupt so richtig wahrgenommen worden. Doch neben dem Gesicht Kretzschmar gab es eben auch noch einen sportlichen Vater des Erfolges: Prokop. Nur allzu gerne hätte Günther seinen Trainer deswegen behalten. „Sein Abgang ist ein absoluter Verlust. Heute ist ein Tag, an dem das Lächeln schwerfällt“, sagte der ehrgeizige Macher an jenem Abend im November, als das zuvor Befürchtete zur Realität wurde. Die Nationalmannschaft war für Prokop einfach zu verlockend, wie dieser selbst zugab: „Das ist ein Traum eines jeden Trainers. Dass das so schnell geht, damit habe ich nicht gerechnet.“ Gleichwohl weiß er um die Größe der Aufgabe als Nachfolger von Sigurdsson, der 2016 sensationell Europameister wurde und Olympia-Bronze gewann: „Die Fußstapfen sind groß. Wenn man sich die Vergangenheit der Mannschaft und die Erfolge von Dagur anguckt, kann man den Druck nicht wegdiskutieren, der auf mir lastet. Der Respekt ist schon groß, aber die Freude ist größer, die Mannschaft entwickeln zu dürfen.“

Den Weggang ihres Coaches ließen sich die Leipziger übrigens fürstlich vom DHB bezahlen, von einer stattlichen Ablösesumme über 500 000 Euro ist die Rede. Einen Teil des Geldes setzte der Klub bereits ein, um Torjäger Philipp Weber nach nur einem Jahr bei der HSG Wetzlar wieder zurück in die Messestadt zu holen. Doch auch ein Trainer muss noch her. Als Nachfolger Prokops haben sich zwei Kandidaten herauskristallisiert: Der bisherige Co- Trainer André Haber und Michael Biegler. Letzterer gilt als die klar favorisierte Lösung. „Michael Biegler ist ein sehr guter Trainer, der über einen großen Erfahrungsschatz verfügt. Er würde den SC DHfK weiter in die ehrgeizige Richtung entwickeln“, sagt Prokop. Aufsichtsrat Kretzschmar wurde gegenüber der „Handballwoche“ noch deutlicher: „Unser Wunschkandidat ist nach wie vor Michael Biegler.“ Allerdings gibt es ein Problem: Die Traumlösung ist vertraglich an den DHB gebunden. Er betreut die deutschen Handballerinnen bei der WM 2017 im eigenen Land, sein Arbeitspapier endet am 31. Dezember und vorher will ihm der DHB keine Freigabe erteilen.

Geschäftsführer Günther lässt sich deswegen aber nicht aus der Ruhe bringen, sondern wägt alle mögliche Lösungen ab und will sich zu keinem Schnellschuss in dieser wichtigen Personalie hinreißen lassen. „Wir haben keinen Zeitplan. Wenn es passt, bringen wir es zum Abschluss“, sagt der Manager, der das Anforderungsprofil des neuen Trainers klar umreißt: „Es versteht sich von selbst, dass er Deutsch sprechen und zum Verein passen muss. Er soll Akribie mitbringen und talentierte Spieler weiter entwickeln.“
Gesucht wird also ein Prokop-Klon.