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„Die Titelverteidigung wäre eine unglaubliche Leistung“

Nikolaj Jacobsen im Interview

Die Rhein-Neckar Löwen gehen als Tabellenführer ins letzte Drittel der laufenden Bundesligasaison. Damit hätte auch Trainer Nikolaj Jacobsen vor der Saison nicht gerechnet. Im Interview spricht der Däne über die Ausgangslage im Meisterschaftskampf und seine zusätzliche Aufgabe als neuer Nationaltrainer Dänemarks. Weiterhin spricht Jacobsen über den Stellenwert, den ein erneuter Titelgewinn für die Löwen haben würde und erklärt zudem, warum die vergangene Meisterschaft für ihn ein ganz besonderer Erfolg war.  

Nikolaj Jacobsen, die Bundesliga pausiert aufgrund der EM-Qualifikation noch bis Mitte Mai. Es hat den Anschein, die Rhein-Neckar Löwen haben rechtzeitig zum Schlussspurt der Bundesliga ihre Spielfreude wiederentdeckt?

Nikolaj Jacobsen: Das ist richtig, die letzten Spiele haben wir wirklich sehr gut gespielt. Wir hatten einen richtigen Lauf, deshalb ist diese Pause in der Bundesliga jetzt gar nicht so gut für uns. Ich hätte lieber weiter durchgespielt. Jetzt hoffe ich, dass meine Spieler alle gesund von ihren Nationalteams wiederkommen.

Die Löwen gehen als Tabellenführer in das letzte Drittel der Bundesliga, hätten Sie damit vor der Saison gerechnet?

Jacobsen: Nein, das war so sicher nicht zu erwarten. Ich bin sehr zufrieden, was wir mit unserem kleinen Kader geleistet haben. Wir haben immer noch die Chance, die Meisterschaft zu verteidigen. Das wäre wirklich eine unglaubliche Leistung.

Wäre eine Titelverteidigung ein größerer Erfolg als der Gewinn der Meisterschaft im Vorjahr?

Jacobsen: Auf jeden Fall, denn unser Kader ist nicht breiter geworden, sondern eher kleiner. Mit Stefan Kneer haben wir eine wichtige Alternative im Rückraum abgegeben, dazu haben wir mit Uwe Gensheimer unser Gesicht und Mannschaftskapitän verloren. Es war sicher nicht zu erwarten, dass es so gut läuft bei uns, zumal man als Meister natürlich die gejagte Mannschaft ist.

Glauben Sie an den erneuten Titelgewinn?

Jacobsen: Die Saison ist noch lange, es kann noch viel passieren und in der Bundesliga ist jedes Spiel schwierig. Wir gehen auf jeden Fall selbstbewusst und mit weniger Druck als im Vorjahr in die nächsten Spiele.

Wie meinen Sie das?

Jacobsen: Flensburg war vor der Saison der große Favorit auf den Titel, sie waren schon im letzten Jahr ganz nahe dran, standen diese Saison zudem lange auf Platz eins. Die Enttäuschung dort wäre sicher groß, wenn es auch dieses Jahr nicht mit der Meisterschaft klappt. Uns dagegen hatte wohl niemand so wirklich auf dem Zettel.

Fällt die Entscheidung in der Meisterschaft beim Duell der Löwen am 28.Mai in Flensburg?

Jacobsen: Das glaube ich nicht, denn auch danach haben wir noch einige schwere Spiele. Selbst wenn wir in Flensburg gewinnen, sind wir nicht durch. Wir haben noch den THW Kiel zu Hause, müssen noch nach Wetzlar. Wir tun gut daran, uns immer auf das nächste Spiel zu konzentrieren. Und das ist am 17. Mai der Bergischer HC, eine Mannschaft, mit der wir in der Vergangenheit schon oft Probleme hatten.

Sie sind seit der vergangenen Woche auch Nationaltrainer in Dänemark, wie bringen Sie alle Aufgaben unter einen Hut?

Jacobsen: Die Doppelbelastung als Trainer geht für mich ja jetzt erst los, deshalb habe ich da noch keine Erfahrung. Aber ich denke, dass es machbar ist. Schließlich trainieren auch andere Trainer neben einem Verein noch eine Nationalmannschaft. Wichtig ist natürlich eine gute Planung. Zudem habe ich sehr viel Unterstützung, bei den Löwen wie auch in Dänemark.

Die Übernahme der dänischen Nationalmannschaft bedeutet sicher auch ein Stück Heimkehr für Sie. Wie wichtig ist die Heimat?

Jacobsen: Mittlerweile ist Deutschland meine zweite Heimat geworden, aber Dänemark hat natürlich noch mal einen anderen Stellenwert für mich. Hier wohnen Freunde und Familie, die vermisse ich natürlich. Das dänische Wetter vermisste ich übrigens überhaupt nicht. (lacht)

Die Löwen haben nach dem Ausscheiden im DHB-Pokal und der VELUX EHF Champions League nur noch eine Titelchance. Wie wichtig wäre ein erneuter Titelgewinn?

Jacobsen: Natürlich wäre es toll, die Meisterschaft zu verteidigen. Es wäre einfach die Bestätigung unserer fantastischen Arbeit, und damit meine ich nicht nur die Mannschaft, sondern auch das Umfeld, die Mitarbeiter der Geschäftsstelle, unsere Sponsoren. Aber man kann nichts erzwingen. Wir werden alles geben, damit es mit der Titelverteidigung klappt.

Gibt es einen Titel, den Sie besonders gerne gewinnen würden?

Jacobsen: Jeder Titel ist besonders. Ich nehme was kommt. Ich wollte aber unbedingt als Trainer Meister in den Ländern werden, in denen ich selbst gespielt habe. Das ist mir gelungen.

Gibt es denn einen Titel, der Ihnen besonders viel bedeutet?

Jacobsen: Keine Frage, der Titel mit den Rhein-Neckar Löwen im vergangenen Jahr. Als erster Trainer der Löwen die Meisterschaft zu gewinnen bedeutet mir sehr viel, besonders wenn man weiß, was der Verein die letzten Jahre durchgemacht hat, wie oft die Löwen ganz dicht dran waren.

Sie gelten als der Erfinder des „Dreher“. Wie fühlt man sich als Handball-Pionier?

Jacobsen: Da denke ich eigentlich gar nicht dran, aber ein wenig stolz bin ich schon, wenn man mich drauf anspricht. Es freut mich, dass so viele Spieler inzwischen den „Dreher“ oder „Leger“ beherrschen. Ich hoffe, ich habe durch meine Spielweise ein paar junge Handballer beeinflusst, solche Würfe ebenfalls zu probieren.