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„Potenzial für sehr hohes Niveau“

Nikolaj Jacobsen geht voller Zuversicht in seine zweite Saison als Trainer der Rhein-Neckar Löwen

Nikolaj, wie hast du die kurze Sommerpause genutzt?

NIKOLAJ JACOBSEN: Die Zeit mit meiner Familie in Dänemark war mein Urlaub, wenn man mal von einer Woche absieht, in der ich mit meiner Tochter bei einem großen Handballturnier in Schweden war. Wir haben uns ansonsten um den Umzug nach Deutschland gekümmert, mussten unser Haus verkaufen, die Sachen zusammenpacken – wenngleich das meiste meine Frau erledigt hat. Jetzt habe ich meine Familie wieder bei mir.

Die Freude dürfte entsprechend groß sein.

JACOBSEN: Es wird richtig schön, aber auch hart für die Kinder. Wir haben viele Jahre in Viborg gelebt, sie haben dort ihre Freunde. Jetzt geht es in eine deutsche Schule, zwei von meinen Kindern kennen die Sprache gar nicht. Für uns als Familie wird das ein großer Umbruch, aber wir freuen uns auf die gemeinsame Zeit in Deutschland.

Musstest Du noch einmal umziehen?

JACOBSEN: Nein, es war schon immer beabsichtigt, dass meine Familie irgendwann nach Deutschland kommt. Ich habe mir deshalb im vergangenen Jahr sofort eine Wohnung mit 160 Quadratmetern genommen – aber allein war die bislang viel zu groß für mich. Ein Sofa, ein Bett, ein Fernseher – mehr stand da bislang nicht.

Wie sehr hat deine Familie unter deinem Job in Deutschland gelitten?

JACOBSEN: Für meine beiden Töchter war meine Abwesenheit nicht ganz so schlimm, sie sind schon etwas älter und konnten damit umgehen. Hart war das Jahr für meine Frau, die sich um alle drei Kinder kümmern musste, und für meinen kleinen Sohn Linus. Er hat Papa vermisst – und ich ihn. Dennoch war es nicht die schlechteste Idee, dass ich erst einmal allein nach Deutschland komme. So hatte ich ausreichend Zeit, um mich in meine neue Aufgabe bei den Löwen zu stürzen und alles kennenzulernen.

Welche Lehren hast du aus der vergangenen Saison gezogen?

JACOBSEN: Wenn wir unser Potenzial abrufen, spielen wir auf einem sehr hohen Niveau. Das haben wir mehrfach gezeigt, sonst wären wir nicht Vize-Meister mit nur zwei Punkten Rückstand auf Kiel geworden. Aber ich habe auch gesehen, dass wir in schweren Auswärtsspielen Probleme hatten – insbesondere in der Champions League. Sicherlich fehlt einigen Spielern in dieser jungen Mannschaft noch die Erfahrung, unsere Probleme auswärts hatten aber auch etwas mit Müdigkeit zu tun. Wir müssen versuchen, diese in Zukunft mit noch mehr Kampf und Leidenschaft auszugleichen.

Was ist in Erinnerung geblieben?

JACOBSEN: Unser Pokal-Viertelfinale gegen Kiel war unglaublich, gegen Veszprem haben wir stark gespielt, der Sieg in Flensburg, als wir 45 Minuten die schlechtere Mannschaft waren und erst durch eine taktische Abwehrumstellung die Partie noch drehen konnten – das waren die Höhepunkte. Allerdings vergesse ich auch nicht das Pokal-Halbfinale gegen Flensburg. Diese Niederlage haben wir uns selbst zuzuschreiben, das war ärgerlich und dumm.

Worin besteht der Vorteil, dass du nun in dein zweites Löwen-Jahr gehst?

JACOBSEN: Wir sind viel eingespielter, haben etwas verändert. Unsere 6:0-Abwehr ist defensiver geworden, die 3:3-Abwehr hat uns sehr viele Punkte eingebracht. Ich kenne die Mannschaft nun und sie kennt mich. Ich weiß vor allem auch, was auf mich zukommt, denn ich kenne jetzt die Gegner. Die ersten vier Monate habe ich vier bis sechs Stunden am Tag Video geschaut. Jetzt kann ich das ein bisschen ruhiger angehen lassen.

Auch Mads Mensah Larsen und Harald Reinkind gehen in ihre zweite Saison.

JACOBSEN: Harald hat mir gegen Ende der vergangenen Saison schon gezeigt, dass er auch ein Mann für die Startformation ist. Mads Leistungen waren wechselhaft, er kann mehr als er gezeigt hat. Aber Mads hat genauso wie Harald eine gute Vorbereitung gespielt. Beide werden uns mehr helfen, da bin ich zuversichtlich.

Sehen wir in dieser Saison häufiger den siebten Feldspieler für einen Torwart?

JACOBSEN: Ich hoffe, dass wir das nicht sehen (lacht). Denn das würde bedeuten, dass wir in jedem Spiel alles im Griff haben und ich nichts Außergewöhnliches unternehmen muss, um der Mannschaft zu helfen. Aber es kann sein, dass wir in Notlagen kommen, deswegen haben wir diese Variante trainiert. Bislang hat das ganz gut geklappt, wir haben uns klare Chancen erspielt und wurden nicht bestraft. Zu oft dürfen wir so aber nicht agieren, denn dann stellen sich die Gegner darauf ein.

Mit welchen Zielen gehen die Löwen in die Saison?

JACOBSEN: Man muss realistisch bleiben. Es gibt zwei Mannschaften, die bessere Karten als wir haben: Der Kieler Kader ist mit Weltklassespielern
gespickt, die SG Flensburg-Handewitt hat enorm aufgerüstet. Die erste Flensburger Sieben ist gar nicht mal besser als unsere, aber die SG hat einen unheimlich breiten Kader und braucht eigentlich zwei Hallen, um sich aufzuwärmen (lacht). Wir peilen eine Platzierung unter den ersten Vier an. Das bedeutet nicht, dass wir damit zufrieden wären, Vierter zu werden. Aber es hängt bei dieser starken Konkurrenz eben von vielen Kleinigkeiten ab, auf welchem Rang man landet.

Welchen Eindruck hast du vom neuen Kreisläufer Rafael Baena?

JACOBSEN: Er hat uns alle überrascht und bislang sehr gut gespielt. Rafael ist körperlich stark, aber ein anderer Typ als sein Vorgänger Bjarte Myrhol. Der hat die Räume gesucht, Rafael geht mit seiner körperlichen Robustheit lieber ins direkte Duell Mann-gegen-Mann. Diese Qualität müssen wir nutzen, indem wir lernen, wie er sein Spiel interpretiert.

Was erhoffst du dir von Hendrik Pekeler?

JACOBSEN: Er wird uns in der 6:0-Formation und in der 5:1-Abwehr aus der Nationalmannschaft helfen, wenn wir das einstudiert haben. Im Angriff muss er konstanter werden, aber er spielt anders als Baena. Es wird nicht einfach für unsere Gegner, sich auf beide Kreisläufer einzustellen.

Mit Mikael Appelgren und Darko Stanic haben die Löwen zwei neue Torhüter verpflichtet, es gibt keine klare Nummer eins mehr wie zuvor mit Niklas Landin. Ein Vorteil?

JACOBSEN: Das müssen wir abwarten. Mikael ist ein ehrgeiziger und sehr guter Keeper mit einer fantastischen Einstellung, der in jedem Training alles gibt. Darko ist ein etwas anderer Typ. Er wird kein Meister mehr auf der Laufbahn oder beim Krafttraining. Das muss er aber auch nicht, Darko soll Bälle halten und lebt von seiner unglaublichen Erfahrung.

Was wollen die Löwen in der Champions League reißen?

JACOBSEN: Wir werden alles versuchen, aber man sollte nicht zu hohe Erwartungen haben. Es gibt Mannschaften mit besseren Bedingungen, weil sie einfach ausgeruhter sind: Barcelona, Veszprem, Kielce, Skopje oder Paris. Wir müssen hingegen in jedem Bundesligaspiel an unsere Grenzen gehen. Ich denke da nur an unser Aus gegen Szeged in der vergangenen Saison. Die Ungarn konnten sich drei Wochen auf uns vorbereiten, wir haben in den zwölf Tagen vor dem Hinspiel noch gegen Kiel, Flensburg und Hannover gespielt. Die größte Herausforderung sind aber die Reisen. Ich habe vergessen, wie anstrengend das ist, im Bus zu sitzen. Wenn wir abends in Magdeburg spielen, sind wir um fünf Uhr morgens zurück. Das geht an die Substanz. In Dänemark ist das einfacher: In eineinhalb Stunden kommt man überall hin (lacht).

 

Tickets für das Spiel gegen Eisenach können Sie sich hier online sichern! Anwurf ist am Mittwoch um 19 Uhr in der SAP Arena. 

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