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„Es ist ein Traum, in der SAP Arena zu spielen“

Lucas Bauer im Interview

Bereits zum zweiten Mal in der laufenden Saison muss Torhüter Lucas Bauer bei den Profis der Rhein-Neckar Löwen aushelfen. Der 21-jährige Torhüter der zweiten Mannschaft spricht im Interview über die Anfänge seiner Handballzeit, was es heißt, plötzlich im Tor einer Spitzenmannschaft zu stehen, seine Erlebnisse mit den Löwen, sowie sein Leben abseits des Handballs als Student.

Lucas, du rückst in dieser Saison schon zum zweiten Mal aus dem Drittliga-Kader auf, weil sich Andreas Palicka beim Champions-League-Aus gegen Kiel verletzt hat. Bist du seit diesem Zeitpunkt nur noch beim Bundesliga-Kader oder wie muss man sich die Abläufe vorstellen?

Lucas Bauer: Da läuft viel über Klaus Gärtner, der als Co-Trainer der Bundesliga-Mannschaft zugleich auch das Bindeglied zur Jugend und zu den Junglöwen in der Dritten Liga ist. Der koordiniert dann die Einsätze, wenn Nachrücker für den Bundesliga-Kader gebraucht werden. Aber seit der Verletzung von Andreas Palicka bin ich jetzt durchgehend beim Bundesliga-Kader und hatte auch keine Einsätze in der Dritten Liga mehr, weil sich das immer überschnitten hat

Wie groß ist eigentlich der Sprung von der Dritten Liga, wo du sonst eingesetzt wirst, in ein Top-Team der Bundesliga, wie es die Löwen sind?

Bauer: Vielleicht ist es für einen Feldspieler noch extremer, aber der Sprung ist auch für einen Torwart immens. Die Bälle kommen schneller und präziser, noch deutlicher wird der Unterschied aber in der Art und Weise, wie Abwehr und Torwart miteinander arbeiten. In der Dritten Liga kann man sich nicht so auf den Block verlassen wie in der Bundesliga, wenn etwa ein Weltklasse-Abwehrspieler wie Gedeon Guardiola vor dir steht. Diesen Unterschied in den Kopf zu kriegen, ist mit das Schwierigste.

Bundesliga mit den Löwen – war das eigentlich dein Traum, dein großes Ziel, als du als Zwölfjähriger zu den Junglöwen kamst?

Bauer: Ja, tatsächlich. Man wünscht sich das, obwohl man nicht davon ausgehen kann, dass es klappt. Ich glaube, es ist der Traum von jedem jungen Handballer in der Region, in der SAP Arena zu spielen. Das war bei mir nicht anders. Dass ich in dieser Saison zeitweise Teil dieser Mannschaft sein kann, in der Kabine meinen eigenen Spind habe – das weiß ich sehr zu schätzen. Auch weil es einem die Mannschaft und speziell die Torhüter leicht machen. Man begegnet sich auf Augenhöhe, das ist sehr angenehm.

Als Geburtsort wird bei dir Germersheim angegeben, als Wohnort Unteröwisheim bei Bruchsal, gerade mal eine Viertelstunde bis Kronau. Wann hast du den Weg auf die rechte Rheinseite gefunden?

Bauer: Ich bin tatsächlich nur in Germersheim geboren, vielleicht hat meiner Mutter das Krankenhaus dort besser gefallen, da muss ich mal nachforschen (lacht). Aber ich bin in Unteröwisheim groß geworden und wohne immer noch da.

Und seit wann und warum gibt es den Torwart Lucas Bauer?

Bauer: Ich habe 2002 als Siebenjähriger beim TV Unteröwisheim mit dem Handball begonnen und wurde mal auf einer Weihnachtsfeier angesprochen, ob ich es nicht auch mal im Tor versuchen will. Das hat gut geklappt, ich habe den Sprung in die Badische Auswahl geschafft und 2007 bin ich dann in der C-Jugend zu den Junglöwen nach Kronau gewechselt.

Was macht für dich den Reiz des Torwartspiels aus?

Bauer: Man ist zugleich Teil der Mannschaft, aber doch auch ein Individualist, der sich ein Stück weit mit sich selbst beschäftigt und ganz großen Einfluss auf das Spiel nehmen kann. Das macht für mich den besonderen Reiz aus. Torhüter können ein Spiel ganz alleine entscheiden.

… aber auch ganz alleine verlieren …

Bauer: Ja, auch diesem Druck muss man sich stellen, aber dabei immer von Ball zu Ball denken und sich nicht mit dem letzten Wurf beschäftigen, der ins Tor gegangen ist.

Du hast mit Andreas Palicka und Mikael Appelgren die beiden aktuellen schwedischen Nationaltorhüter und damit zwei Weltklasse-Keeper vor dir. Was kannst du von den beiden lernen?

Bauer: Ganz viel. Vermeintliche Kleinigkeiten, wie etwa die Trainingseinstellung. Die Schnelligkeit. Auch ihr Stellungsspiel ist wahnsinnig gut. Am meisten imponiert mir aber diese totale Körperkontrolle, im richtigen Moment die passende Bewegung zu machen.

Es wird immer gerne von skandinavischer Torwartschule oder dem Torhüter-Stil vom Balkan geredet. Gibt es da noch diese Unterschiede oder sind die Top-Leute da nicht alle Individualisten?

Bauer: Diese einzelnen Elemente gibt es sicher immer noch, aber ein moderner Torwart muss diese Techniken wohl alle kombinieren – oder wie etwa Silvio Heinevetter eigene Bewegungen kreieren, um den Werfer zu überraschen. Mir persönlich gefällt die skandinavische Schule mit dem Absitzen gegen Würfe aus dem Rückraum, die größeren Bewegungen, etwas besser. Aber da muss jeder seinen eigenen Mix finden.

Gibt es einen Keeper, an dem du dich als Jugendlicher gerne orientiert hast?

Bauer: Ein direktes Vorbild hatte ich nicht, aber 2007 als C-Jugendlicher hat man während der WM natürlich zu Henning Fritz aufgeschaut. Ich durfte sogar mal mit ihm trainieren, aber daran erinnert er sich bestimmt nicht mehr (lacht).

Wo siehst du dich eigentlich in deiner Entwicklung? Mit 21 ist man als Torwart ja fast ein Küken, wenn man sich etwa Routiniers wie Mattias Andersson ansieht.

Bauer: Ich denke, ich habe mich jedes Jahr einen Schritt weiterentwickelt, wobei die Schritte unterschiedlich groß waren. Dieses Jahr ist er sicher größer, die Trainingseinheiten mit der Bundesliga-Mannschaft haben daran einen großen Anteil.

Wie wichtig ist der Faktor Erfahrung?

Bauer: Sehr groß. Man lernt die gegnerischen Werfer kennen, man lernt mit bestimmten Situationen umzugehen. Am wichtigsten ist aber das Timing der Bewegungen im Wettkampf hinzukriegen. Im Training ist das etwas ganz anderes, aber das unter Druck auf den Punkt zu bringen, lernt man nur über die Jahre im Spiel.

Apropos Erfahrung. Nach deinen ersten Einsätzen Ende des vergangenen Jahres hast du gesagt, dass du alle Momente mitnimmst, die sich bieten. Gehören da die elf Minuten im Hamburger Pokal-Halbfinale gegen Flensburg auch dazu?

Bauer: Die Eindrücke, bei diesem tollen Event dabei gewesen zu sein und sogar auf der Platte gestanden zu haben, nimmt man natürlich mit. Aber als ich ins Spiel kam, war natürlich nicht mehr viel herumzureißen, da gibt es dankbarere Zeitpunkte. Trotz der Freude, dabei gewesen zu sein, überwog am Ende natürlich zunächst die Enttäuschung.

Wie bereitet ihr Torhüter euch speziell auf ein Spiel vor? Werden da Wurfbilder studiert? Wird das Hinspiel nochmals analysiert?

Bauer: Im Gegensatz zur Mannschaft, die auf Spielzüge und Abwehrverhalten des Gegners vorbereitet wird, bekommen wir Sequenzen der einzelnen Spieler beim Abschluss zu sehen und versuchen, dann bestimmte Wurfbilder herauszulesen. Das sind oft 30, 40 Würfe, die eventuell bestimmte Muster erkennen lassen.

Du studierst parallel zum Sport Betriebswirtschaftslehre und räumst dem Studium großen Raum ein. Ist das Pendeln zwischen Hörsaal und Trainingshalle nicht ziemlich stressig?

Bauer: Im Moment schon etwas. Ich absolviere bei der SAP ein duales Betriebswirtschaftsstudium und pendle dafür teilweise nach Mannheim, zudem standen jetzt die Bachelor-Klausuren an und ab dem 1. Mai muss ich meine Abschlussarbeit schreiben. Aber während der Praxisphasen ist mir SAP sehr entgegengekommen und hat mir angesichts der Chance, bei der Bundesliga-Mannschaft dabei zu sein, viele Freiräume gegeben.

Gibt es schon einen Plan, wann der Abschluss in der Tasche sein soll?

Bauer: Im September sollte ich meinen Abschluss haben und es sieht gut mit einer Übernahme aus.

Und dann rückt vielleicht doch der Handball noch einmal mehr in den Vordergrund?

Bauer: Das ist ein Thema, das mich momentan sehr beschäftigt, bei dem ich aber noch zu keinem Ergebnis gekommen bin. Für die Dritte Liga habe ich jetzt noch einmal bis 2018 unterschrieben und es gibt auch die Option, wieder als dritter Torwart der Bundesliga-Mannschaft in die Saison zu gehen. Aber ich muss das alles erst einmal auf mich zukommen lassen, schauen wie sich der Einstieg in das Berufsleben entwickelt. Da diskutiere ich momentan viel mit mir selbst (lacht).