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Kiel verzweifelt an der Löwen-Abwehr

Badener gewinnen Spitzenspiel gegen den Rekordmeister

Welch ein Spiel, welch eine starke erste Halbzeit, welch ein Sieg. Die Rhein-Neckar Löwen haben am Mittwochabend im Topspiel der Handball-Bundesliga vor 13.200 Zuschauern in der Mannheimer SAP Arena gegen den THW Kiel mit 24:20 (13:7) gewonnen und einen großartigen und wichtigen Erfolg gegen den Rivalen aus dem Norden gefeiert. Die Gelbhemden bleiben natürlich Spitzenreiter der Bundesliga. Der Vorsprung der Badener auf den deutschen Meister beträgt durch den Erfolg nun sechs Punkte. „Das ist schön, das gibt uns noch mehr Selbstvertrauen. Aber es liegt noch viel Arbeit vor uns“, sagte Kim Ekdahl du Rietz nach der Partie.

Solch eine ausgelassene Stimmung hat die SAP Arena bei einem Handballspiel lange nicht erlebt. Die meisten der 13.200 Zuschauer in der Multifunktionsarena klatschten begeistert in die Hände, es gab minutenlange „Standing Ovations“ für die Spieler. Keiner wollten in den Minuten des Triumphes den Ort des Erfolges so schnell verlassen. Zusammen mit den Spielern skandierten die Fans „Spitzenreiter, Spitzenreiter“.

Sieben Gegentore. Sieben Gegentore bekamen die Rhein-Neckar Löwen in der ersten Halbzeit. Nicht in irgendeinem Testspiel gegen irgendeinen unterklassigen Verein. Sondern gegen den THW Kiel, den deutschen Serienmeister. Die Abwehr der Badener lieferte vor allem in der ersten Hälfte eine Spitzenleistung ab, kämpfte um jeden Zentimeter Boden, um jeden Ball und ermöglichte den Gästen so gut wie keine einfachen Wurfmöglichkeiten. Und dann war da ja noch Mikael Appelgren im Tor der Gastgeber. Der Schwede wehrte im ersten Durchgang acht Würfe ab, hatte also eine Torverhinderungsquoute von über 50 Prozent. Er stach damit seinen Gegenüber, den Ex-Löwen Niklas Landin, locker aus. Der Däne im Kasten des THW wehrte bis zur Pause nur vier Bälle ab. „Wir haben nur sieben Gegentreffer zugelassen, obwohl Kiel alles versucht hat. Und Mikael hat natürlich super gehalten“, so Du Rietz. Und Trainer Nicolaj Jacobsen frohlockte: „In der ersten Halbzeit war die Abwehr richtig gut. Und Mikael hat sehr stark gehalten.“

Die Kieler versuchten es, vermutlich als Antwort auf die starke Abwehrleistungen der Löwen in der Saison, die den meisten Gegner bislang große Probleme bereitet hatte, im Angriff mit einem siebten Feldspieler in Person von Christian Sprenger. Doch diese Maßnahme fruchtete nicht so wirklich. Die Gäste kamen kaum in gute Wurfpositionen, agierten seltsam schludrig im Angriff, machten viele Fehler, was den Löwen den einen oder anderen Treffer per Tempogegenstoß ermöglichte.

Und die Gastgeber zeigten im Angriff, gemessen an der Güte des Gegners, eine gute Leistung, fanden immer wieder Lücken in der Kieler Abwehr. Alexander Petersson und Kim Ekdahl du Rietz trafen aus dem Rückraum, Rafael Baena vom Kreis. Allerdings ließen die Badener in der ersten Halbzeit auch neun Chancen aus, wobei sie auch dreimal Pech mit Latten- oder Pfostenknallern hatten. „Wir haben vorne den Ball gut laufen lassen, mit viel Tempo gespielt“, lobte Jacobsen.

So setzten sich die Löwen nach dem 3:3 (10.) Tor um Tor ab, führten nach einer Viertelstunde 6:3 und überstanden anschließend eine Unterzahl ohne Gegentreffer und zogen in ihrer wohl stärksten Phase der Begegnung von 8:6 (22.) auf 12:6 (25.) davon. Der THW Kiel reagierte und beendete das Experiment mit dem siebten Feldspieler im Angriff. Zudem stellte Trainer Alfred Gislason die Defensive auf einer offensivere 5:1-Formation um. Sofort nahm Löwen-Trainer Jacobsen eine Auszeit, um seine Mannschaft auf die neue Situation einzustellen, die jedoch sichtlich Probleme mit der Deckungsvariante und der quasi Manndeckung von Steffen Weinhold gegen Spielmacher Andy Schmid hatte. Trotzdem hatten die Löwen die Chance, auf sieben Treffer davonzuziehen, doch Petersson scheiterte kurz vor dem Pausenpfiff gleich zweimal.

Was sich vor dem Wechsel ankündigte, setzte sich in der zweiten Halbzeit fort. Die Löwen fanden im Angriff gegen die Kieler, die jetzt wieder mit einer 6:0-Formation in der Abwehr spielten, weniger Mittel als in den ersten 25 Spielminuten. Und den Norddeutschen reichten 14 Spielminuten, um den Vorsprung, den sich die Löwen in der ersten Spielhälfte erarbeitet hatten, quasi zu eliminieren. Nur noch 15:14 stand es in der 44. Spielminute. „Da hätten wir das Spiel drehen können“, sagte Gäste-Trainer Gislason. Den Badener, die bis dahin so gut wie nicht gewechselt hatten, fehlte im Angriff der Mut, die Abwehrlücken anzugehen, sie machte es der Abwehr der Norddeutschen viel zu einfach, zudem wurde Landin immer mehr zum Faktor, der vier Bälle innerhalb von rund zehn Minuten abwehrte. „Der große Vorsprung war nicht gut für die Mannschaft, wir haben zu einfach gespielt“, monierte Jacobsen.

Zudem standen die Löwen in der Abwehr nicht mehr so sicher, ermöglichten den Kielern, die nun mit Dragos Oprea wieder mit einem siebten Feldspieler agierten, zudem zwei Treffer per Tempogegenstoß nach Fehlern im Angriffsspiel. „Wir hatten vor, rauszugehen und sie zu überrollen, das ist uns leider nicht gelungen“, sagte Du Rietz und fügte an: „Wir haben ein bisschen nachgelassen und Niklas hat auch gut gehalten.“

Doch die Löwen hielten dagegen, fingen wieder an, im Angriff um jedes Tor zu kämpfen, in der Abwehr mit aller Macht zu versuchen, jedes einzelne Gegentor zu verhindern. Der eingewechselte Harald Reinkind erzielte das wichtige 16:14 – und plötzlich führten die Gelbhemden beim 18:14 wieder mit vier Toren (47.). „Es war wichtig, dass die Mannschaft dann angefangen hat, dagegenzuhalten“, sagte Löwen-Geschäftsführer Lars Lamadé. Doch so leicht wie in der ersten Halbzeit hatten es die Gastgeber nicht mehr, Kiel war beim 19:17 (51.) wieder auf zwei Treffer dran.

Mit 20:18 ging es dann in die letzten fünf Spielminuten. Die Kieler deckten nun offensiv mit einer 5:1-Formation. Beim Stand von 21:19 hatten die Gäste dann die Chance, auf einen Treffer zu verkürzen, doch Gedeon Guardiola blockte den Wurfversuch, Patrick Groetzki traf per Tempogegenstoß, 20 Sekunden später warf Guardiola nach erneutem Ballgewinn das Spielgerät dann ins leere Tor – was ihm im ersten Durchgang schon einmal gelungen war. Nach einer Parade von Appelgren, seiner 15., erhöhte Gensheimer per Siebenmeter auf 24:19 (59.). Da war die Partie endgültig entschieden. Und die 13.200 Fans in der SAP Arena sangen „Oh wie ist das schön“. „In der engen Schlussphase hat man gesehen, was 13.200 Zuschauer ausmachen. Die haben uns zum Sieg getragen“, dankte Jacobsen den Fans.

 

Rhein-Neckar Löwen – THW Kiel 24:20 (13:7)

Rhein-Neckar Löwen: Appelgren, Stanic (für einen Siebenmeter) –  Schmid (2), Gensheimer (7/5), Kneer, Sigurmannsson (n.e.), Baena Gonzalez (2), Larsen, Reinkind (1), Guardiola (2), Steinhauser (n.e.), Groetzki (2), Ekdahl du Rietz (3), Petersson (5), Pekeler (n.e.)

THW Kiel: Landin, Katsigiannis (für einen Siebenmeter) – Duvnjak (3), Toft Hansen, Mamelund, Sprenger (3), Weinhold (2), Dissinger (n.e.), Ekberg (2), Canellas (5/2), Dahmke (3), Vujin (2), Oprea, Anic, Williams (n.e.)

Trainer: Nikolaj Jacobsen – Alfred Gislason

Schiedsrichter: Lars Geipel/Marcus Helbig

Zuschauer: 13.200

Strafminuten: 6/8

Siebenmeter: 6/5 – 2/2

Gensheimer scheitert an Landin

Zeitstrafen: Kneer (4), Guardiola (2) – Canellas (2), Weinhold (2), Vujin (2), Toft Hansen (2)

Rote Karte:

Spielfilm: 2:0 (5.), 6:3 (15.), 8:4 (20.), 12:6 (25.), 13:7 (Hz.), 13:9 (34.), 15:14 (44.), 18:14 (47.), 19:17 (52.), 21:18 (56.), 23:19 (58.), 24:20 (Ende)

Beste Spieler: Appelgren, Gensheimer, Guardiola, Petersson – Landin, Canellas.