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„Wir haben nie etwas geschenkt bekommen“

Rafael Baena im Interview

Er war so etwas wie die Entdeckung der vergangenen Saison – Rafael Baena. Kurz vor Saisonstart wurde der spanische Kreisläufer von den Rhein-Neckar Löwen verpflichtet und entwickelte sich sofort als Volltreffer. Mittlerweile hat Rafael Baena in seinem zweiten Bundesligajahr die zweite Meisterschaft gewonnen. Im Interview spricht der Nationalspieler über die vergangene Saison, seine sportliche Entwicklung und auch über seine Zukunftspläne.

Die Rhein-Neckar Löwen sind Deutscher Meister 2017, hast du schon realisiert, was da am Mittwoch gegen den THW Kiel passiert ist?

Rafael Baena: Es ist einfach unglaublich, dass wir es geschafft haben diese Meisterschaft zu verteidigen. Niemand hatte uns auf dem Zettel, aber wir haben immer dran geglaubt, dass es möglich ist. Und dann den Titel auch noch vor unseren Fans zu gewinnen, in einer ausverkauften SAP Arena gegen den THW Kiel. Das ist schon verrückt. Ich bin jetzt zwei Jahre in Deutschland und habe zwei Meisterschaften gewonnen. Das hätte ich niemals erwartet. 

Auch dein Deutsch hat große Fortschritte gemacht. Hat das damit zu tun, dass du lange Zeit mit Michel Abt einen angehenden Lehrer als Zimmerkollegen hattest?

Rafael Baena: Das hat tatsächlich sehr viel geholfen. Ich konnte Michel auf den Reisen oder auf dem Zimmer immer alles fragen, und er hat mir viele Feinheiten beigebracht.

Hat das mit dem Alltagsdeutsch besser funktioniert als in der Sprachschule?

Baena: Im Endeffekt macht es sicher die Mischung. Ich habe am Anfang einen klassischen Sprachkurs besucht und lerne auch heute noch mit dem Buch. Vokabeln und solche Dinge – da kommt man eben nicht daran vorbei. Aber beim Training, beim Einkaufen – da zu sprechen, ist natürlich ganz wichtig. Das erste Jahr war richtig hart, aber inzwischen fällt mir vieles um einiges leichter.

Nach Michels Verletzung teilst du dir das Zimmer jetzt mit Filip Taleski. Hast du jetzt die Lehrer-Rolle übernommen?

Baena: Ich weiß nicht, ob das so eine gute Idee wäre (lacht). Aber Filip besucht inzwischen auch einen Deutsch-Kurs und macht
gute Fortschritte. Er ist eben noch nicht so lange da, das muss man immer berücksichtigen. Aber er ist ein junger Kerl und wird das
hinkriegen. Und wenn er Fragen hat, helfe ich ihm natürlich.

Würdest du zustimmen, dass die Sprache der Schlüssel ist, um sich in einer neuen Umgebung endgültig wohlzufühlen? Bist du mit deiner Familie endgültig angekommen?

Baena: Ja natürlich. Mit der Sprache kommt schließlich auch das Selbstvertrauen, sich in der neuen Umgebung zurechtzufinden. Bei meiner ersten Auslandsstation in Frankreich fiel mir vieles leichter, weil zahlreiche Vokabeln und auch die Grammatik sich im Spanischen und Französischen ähnlich sind. Deutsch ist dagegen eine völlig andere Sprache. Meinen beiden kleinen Töchtern fällt das im Kindergarten viel leichter, sie verbessern mich inzwischen sogar schon in der Aussprache, wenn es um Wörter wie etwa „Schaukel“ geht. Zu Hause reden wir dagegen nur Spanisch, für sie ist die Zweisprachigkeit ein Kinderspiel, von dem sie sicher einmal profitieren können. Und vielleicht helfen mir meine Deutsch-Kenntnisse später nach der Handball-Karriere auch einmal. Es gibt genug deutsche Firmen, die in Spanien agieren.

Deine erste Auslandsstation war in Frankreich bei US Creteil/Paris. Was ist für dich der größte Unterschied zwischen Frankreich und Deutschland?

Baena: Die Lebensumstände sind da natürlich grundverschieden. Paris ist eine Millionen-Stadt und es ist natürlich schön, wenn du etwas
Freizeit hast und einen Kaffee in Sichtweite des Eiffelturms trinken kannst. Aber in so einer großen Stadt kommen sich die Menschen
selten näher. Das ist in Kronau schon anders. Wir haben hier alles um die Ecke: den Supermarkt, den Kindergarten, die Trainingshalle.
In die Nachbarschaft ist man hier ebenfalls viel schneller hineingewachsen. Und wenn wir mal die Freizeit genießen wollen, können wir nach Heidelberg oder Mannheim. Da ist es auch sehr schön

Wie siehst du deine sportliche Entwicklung? Was war handballerisch am schwierigsten in deinem ersten Jahr bei den Löwen?

Baena: Ich musste mich natürlich an die Abläufe gewöhnen. Wo kommen die Pässe hin? Wann läufst du, wann bleibst du stehen? Gerade
für einen Kreisläufer kommt es da extrem auf die Feinheiten an. Aber wir hatten ja gleich Erfolg und mit Spielern wie Andy Schmid sehr intelligente Leute auf den entscheidenden Positionen.

Fällt dir im zweiten Jahr vieles einfacher? Nicht nur im Zusammenspiel mit den eigenen Kollegen?

Baena: Natürlich. Vieles geht jetzt automatisch. Dazu kennt man jetzt die Hallen, die Gegner – man kann sich einfach auf das Wesentliche
konzentrieren.

Viele Gegner kamen mit deinem extrem körperbetonten Spiel am Anfang nicht zurecht. Ist es im zweiten Jahr auch etwas schwieriger geworden, weil sich die Mannschaften besser auf dich eingestellt haben oder stellst du keine Unterschiede fest?

Baena: Gut möglich, dass ich in meiner ersten Saison für den ein oder anderen eine Überraschung war. Das hat uns sicher einige Vorteile gebracht. In meiner zweiten Spielzeit haben sich die Abwehr-reihen nun besser auf mein Spiel oder meine Präsenz eingestellt. Aber ich weiß inzwischen auch, wie dort verteidigt wird und wir können uns neue Lösungen einfallen lassen. Da dürfte es also Unentschieden
stehen.

Ein anderes Thema sind die Schiedsrichter. Man hat den Eindruck, dass nach und nach mehr Offensivfouls gegen dich gepfiffen wurden. Nimmst du das ähnlich wahr?

Baena: Das würde ich jetzt nicht unbedingt sagen. Natürlich bewegt man sich bei meiner Spielweise manchmal auf einer Grenze. Mir ist aber eher aufgefallen, dass manche Schiedsrichter-Gespanne die Situationen am Kreis generell sehr früh abpfeifen – egal in welche Richtung. Ich würde mir da mehr Gelegenheiten wünschen, die Zweikämpfe länger auszutragen.

Die Löwen sind in dieser Saison als Titelverteidiger an den Start gegangen. War die Spielzeit anders, weil alle den Meister schlagen wollten, oder war es vielleicht auch etwas einfacher, weil ihr schon bewiesen habt, dass ihr die Schale holen könnt?

Baena: Am Anfang war es tatsächlich schwer, wir mussten uns noch einmal neu sortieren, alle haben uns gejagt. Aber wir sind in der Liga gut bis zur Winterpause gekommen und haben nun mit der Titelverteidigung uns wirklich für eine sensationelle Saison belohnt. Wir haben nie etwas geschenkt bekommen und uns diesen Titel wirklich verdient. Jetzt können wir die letzten zwei Spiele gegen Wetzlar und Melsungen genießen. Das wird eine ganz neue Erfahrung, plötzlich müssen wir nicht mehr unbedingt gewinnen. Wir wollen aber natürlich die letzten zwei Spiele erfolgreich bestreiten, damit wir die Saison mit nur fünf Minuspunkten beenden.

Schauen wir nochmals auf dich. Du wirst im Herbst 35 Jahre alt. Wirst du noch einmal ein großer Abwehrspieler wie dein Landsmann bei den Löwen, Gedeon Guardiola?

Baena: Ich bin zwar nicht mehr bei den ganz jungen Spielern dabei, aber ich kann immer noch lernen und tatsächlich auch Abwehr (lacht). Ob es dafür reicht, Gedeon nachzueifern, sei aber mal dahingestellt. Es ist schon so, dass ich meine Stärken sicher im Angriff habe.

Dein Vertrag läuft 2018 aus, die Löwen haben für diesen Zeitpunkt Jannik Kohlbacher aus Wetzlar als weiteren offensiv orientierten Kreisläufer verpflichtet. Siehst du dann noch eine Zukunft bei den Löwen oder hast du schon andere Pläne?

Baena: Darüber haben wir noch nicht gesprochen. Da mein Vertrag auch noch für die kommende Saison gilt, ist dafür ja auch noch ein bisschen Zeit. Deshalb steht das jetzt noch nicht ganz an erster Stelle.

Welche Rolle spielt deine Familie bei deinen Überlegungen für die Zukunft?

Baena: Meine beiden Töchter sind noch relativ klein, die Entscheidung, ob sie hier in Deutschland oder in Spanien in die Schule gehen
sollen, steht also noch nicht an. Aber ich kann mir schon vorstellen, noch ein bisschen in Deutschland zu bleiben.