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„Der richtige Zeitpunkt, wieder zu Hause zu sein“

Andy Schmid über Auswärtswochen, die Lage der Liga und sein persönliches Erfolgsrezept

Andy Schmid ist Kapitän, Spielmacher und aktueller Top-Torschütze der Rhein-Neckar Löwen. Im Interview spricht er über den „schwarzen November“, die anstehenden Spitzenspiele in der SAP Arena und das Geheimnis seiner Verletzungsfreiheit. 

Andy, nach zahlreichen Auswärtsspielen im Monat November stehen vor Weihnachten mit den Heimspielen gegen die Spitzenclubs aus Berlin und Flensburg zwei Heimspiele auf dem Programm. Wie sehr freust du dich auf die Rückkehr in die gewohnte Umgebung der SAP Arena?

Andy Schmid: Der vergangene November war tatsächlich eine einmalige Zeit, in der man kaum im eigenen Bett schlafen konnte, nicht in der eigenen Halle spielen konnte. Auch weil wir zum Abschluss dieser Auswärtsphase eine schlechte Woche hatten, ist jetzt wohl genau der richtige Zeitpunkt, wieder zu Hause zu sein. Deshalb freuen wir uns sehr auf diese Heimspiele.

Ihr hattet seit dem 12. Oktober in sieben Wochen sage und schreibe neun Auswärtsspiele hinter euch zu bringen. Haben deine Kinder zwischenzeitlich gefragt, wer der fremde Mann ist, der immer nur seine Sporttasche bringt…

Schmid: Mein Großer hat eigentlich immer Freude, weil ich ihm oft erzähle, wenn es auf Auswärtsreise geht, und der Kleine kriegt es zum Glück ja noch nicht so genau mit. Aber es war schon ein bisschen schwer, wenn du nur kurz zu Hause bist und einfach nicht abschalten kannst. Das merkt natürlich auch die Familie. Das war heftig.

Nach dem Spiel in der Champions League in Skopje hast du gesagt: „Ich fühle mich wie niemals zuvor in meinem Leben als Handballer“. Kannst du das näher beschreiben, ist man da nach so einem harten Programm einfach nur leer?

Schmid: Wenn man gewinnt, ist alles einfacher, da kann man so etwas wegstecken, aber wenn schwierige Phasen und Niederlagen kommen, spürt man natürlich alles noch mehr. Dann grübelt man mehr, da kommt das Selbstmitleid. Und bis auf das Pokalspiel gegen Ferndorf war ja kein Spiel dabei, wo man vorneweg sagt: „Das gewinnen wir“. Hier immer im Zwei-Tages-Rhythmus das System hoch- und runterzufahren und den Fokus zu behalten – das war vor allem für den Kopf schon extrem anstrengend und hat uns am Ende auch Punkte gekostet.

Wie fällt deine sportliche Bilanz der Serie aus? Wenn das 26:28 in Göppingen nicht gewesen wäre – hätte man dann mit der Ausbeute zufrieden sein können?

Schmid: Ohne die Niederlage in Göppingen wären wir sehr zufrieden gewesen. In Melsungen kann man verlieren, die haben schließlich eine richtig gute Mannschaft. Das war kein Ausrutscher. Und in Skopje hast du wahrscheinlich in neun von zehn Spielen keine Chance. Das ist eine der besten Heim-Mannschaften in ganz Europa. Aber das 26:28 gegen Göppingen tut uns natürlich weh, weil wir da gegen eine Mannschaft verloren haben, die nominell schlechter ist als wir. Das war das erste Mal seit drei Jahren, dass wir gegen ein Team verlieren, das deutlich hinter uns steht. Das sind dann eben teure Punkte.

Was hat speziell in Göppingen gefehlt?

Schmid: Wenn du in einer so schwierigen Phase bist, hat jeder mit sich selbst zu kämpfen, jeder hat ein bisschen Scheuklappen auf und spielt in seinem eigenen Garten. Wenn jeder die Energie für sich selbst braucht und sie nicht nach links oder rechts weitergeben kann, wird es schwer. Wir hatten dann einfach nicht die Kraft und die Power, um dagegenzuhalten. Außerdem hat sich dann jeder ein, zwei Fehler zu viel erlaubt, was drei, vier Wochen zuvor noch nicht der Fall war. Das war in der Summe zu viel und Göppingen hat das genutzt.

Welchen Anteil hat der Faktor Kraft und Frische gespielt?

Schmid: Wenn man physisch und psychisch nicht auf der Höhe ist, sind solche Spiele immer gefährlich. Dennoch haben wir den Anspruch zu gewinnen, auch wenn wir müde sind. Und vielleicht müssen wir daraus lernen, solche Partien dann auch vor allem über den Kampf entscheiden zu müssen.

Die Termingestaltung treibt in diesem Jahr hässliche Blüten wie die vier Spiele innerhalb von sieben Tagen Anfang Oktober oder die jüngste Auswärtsserie. Nun schieben sich aufgrund dessen die deutsche Liga und der europäische Verband gegenseitig den Schwarzen Peter zu, was zur Folge haben soll, dass ab nächster Saison nur noch ein oder zwei deutsche Teams in der Champions League starten dürfen. Versteht man da als Spieler die Welt noch?

Schmid: Anstatt dass alle am gleichen Strang ziehen, zerstört man sich gegenseitig, obwohl doch alle das gleiche Ziel haben müssten – den Handball populärer zu machen. Ich halte es für kontraproduktiv, jetzt irgendwelche Schnellschüsse zu setzen. Ich denke nicht, dass mit nur noch zwei deutschen Startern allen geholfen ist. 

Schauen wir mal auf die kommenden Gegner. Mit den Füchsen Berlin und der SG Flensburg-Handewitt kommen noch zwei der stärksten Teams der Liga nach Mannheim. Das riecht etwas nach Weichenstellung, vor Silvester dürftet ihr endgültig wissen, was noch geht.

Schmid: Ja klar, das sind zwei eminent wichtige Spiele. Wenn wir diese beiden Partien gewinnen, gehen wir als Tabellenführer in die Pause.
Wenn wir wieder Meister werden wollen, dürfen wir hier, gegen die direkten Konkurrenten, keine vier Punkte abgeben.

Im neuen Jahr reisen die meisten deiner Mannschaftskollegen zur EM nach Kroatien. Betrachtest du das wieder mal mit gemischten Gefühlen, weil die Schweiz nicht dabei ist, oder freust du dich auf die Möglichkeit, dich aktiv erholen zu können?

Schmid: Das ist ja keine neue Situation für mich. Ich frage mich da nicht jedes Jahr „Was wäre, wenn“, sondern nehme das Positive mit und freue mich auf die Pause – weil ich weiß, dass sie mir nach der bisher sehr kräftezehrenden Saison richtig gut tun wird. Das ist ein Riesen-Vorteil, wenn du zwei, drei Wochen eine Auszeit kriegst und dann wieder mit viel Lust auf Handball einsteigst.

Mal ganz generell gefragt. Seit du bei den Löwen bist, bist du nie verletzt ausgefallen. Bist du in einen Kessel mit Zaubertrank gefallen oder ist das eine Mischung aus hartem Training, guten Physios und ein bisschen Glück?

Schmid: Wahrscheinlich von allem etwas und ich habe ja nicht so viele Muskeln, an denen ich mich verletzen könnte (lacht). Und mit der
Zeit bekommt man natürlich ein Gespür dafür, was der Körper braucht, wie man sich ernährt. Ich bin ja keine 21 Jahre mehr, als man mit solchen Dingen vielleicht etwas sorgloser umgegangen ist.

Wenn es in den Jahresendspurt geht, steht auch immer die Adventszeit an. Deine Frau Therese kommt aus Norwegen. Vermischen sich da etwas die Traditionen Richtung Weihnachten oder ist das kein Thema für euch und die Kinder?

Schmid: Ja, da gibt es tatsächlich von allem etwas, aber so groß sind die Unterschiede ja nicht. Wir haben da einen guten Mix gefunden und freuen uns als Familie auf diese Zeit, weil die Kinder jetzt natürlich immer mehr davon verstehen. Das ist schon eine schöne Zeit
für uns alle.