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„Den SCM muss man immer auf der Rechnung haben“

Gedeón Guardiola über den Gegner am Donnerstag, seine Reha und die Mission Meisterschaft

Der verletzte Löwen-Abwehrchef Gedeón Guardiola spricht im Interview über den Gegner am Donnerstag, seine Reha und die Mission Meisterschaft. 

Gedeón, das Wichtigste zuerst. Wie geht es dir inzwischen?

Gedeón Guardiola: Danke der Nachfrage. Mittlerweile geht es mir wieder deutlich besser. Nicht nur körperlich, sondern vor allem auch vom Kopf her. Das war am Anfang sehr schwer, weil man nicht mehr dabei, nicht mehr richtig Teil der Mannschaft ist. Aber jetzt mache ich meine Übungen inzwischen im Trainingszentrum in Kronau und bin wieder mit in der Kabine – auch wenn ich natürlich noch ein ganz anderes Programm habe. Aber manchmal stelle ich den Ergometer oben in die Tür des Kraftraums, damit ich das Training beobachten kann. Das hilft – auch wenn es vielleicht für die unten in der Halle komisch aussieht (lacht).

Du hast dir im Februar nach nur einem Spiel in der Rückrunde einen Sehnenabriss des großen Brustmuskels zugezogen. Warst du schon einmal ähnlich schwer verletzt?

Guardiola: Nein, das war meine erste Operation, die mit dem Sport zu tun hatte. Ich hatte mal eine Blinddarm-OP, aber das war es dann auch. Bisher hatte ich extrem viel Glück in meiner Karriere. Ich bin jetzt 33 Jahre und war noch nie länger verletzt. Das können sicher nicht viele Handballer von sich sagen – und jetzt das. Da hat es mich richtig erwischt.

So eine Verletzung schränkt einen ja auch im Alltag unheimlich ein. Das fängt beim Anziehen an, man muss aufs Autofahren verzichten, alles geht nur mit einem Arm. Wie bist du damit zurechtgekommen?

Guardiola: Da muss ich vor allem meiner Frau danken, die mir unheimlich viel abgenommen und mir in jeder Situation geholfen hat. Essen ging dann irgendwann auch mit links, aber ich konnte mir ja nicht mal die Schuhe binden, weil der rechte Arm nach der OP völlig ruhiggestellt war. Auch die Kinder konnten nicht immer verstehen, dass Papa jetzt nicht mit ihnen Ball spielen oder herumtoben kann. Das war schon eine schwere Zeit für uns alle, aber jetzt geht es Tag für Tag besser, weil die Beweglichkeit nach und nach zurückkommt.

Wie waren nach der Operation dann die ersten Schritte zurück in den Alltag?

Guardiola: Die ersten Tage war ich noch völlig weg und danach war der Arm nur passiv beweglich. Das heißt, unsere Physios haben den Arm bewegt, damit die Schulter auch beweglich bleibt, aber von alleine ging da gar nichts.

Kannst du inzwischen schon wieder etwas handballspezifisch trainieren?

Guardiola: Nein, das dauert noch. Im Moment kann ich auf dem Ergometer etwas für den Kreislauf und die Ausdauer machen. Auch den Cross-Trainer kann ich – ohne Armeinsatz – benutzen. Aber selbst an Laufen ist mit Blick auf den Armeinsatz noch nicht zu denken, obwohl ja schönes Wetter ist.

Und gibt es einen Plan für dein Comeback? Können die Löwen-Fans im nächsten Jahr wieder mit dem alten Gedeón Guardiola rechnen?

Guardiola: Der Plan ist, dass ich zum Vorbereitungsstart für die neue Saison wieder ins Mannschaftstraining einsteigen kann. Ich mache jetzt sozusagen die Vorbereitung auf die Vorbereitung. Bis ich bei hundert Prozent bin, die Muskeln wiederaufgebaut sind und die Fitness wieder voll da ist, wird es laut der Aussage der Ärzte aber wohl bis November dauern.

Mit welchem Gefühl gehst du in den Kraftraum, wo das Unglück beim Bankdrücken passiert ist?

Guardiola: Schon mit etwas gemischten Gefühlen, da ich die Situation immer noch ein bisschen im Hinterkopf habe. Aber davon muss man sich frei machen. Inzwischen komme ich wieder gerne her, weil ich hier jeden Tag den nächsten Schritt nach vorne machen kann und merke, wie sich etwas entwickelt.

Hattet ihr da beim Bankdrücken besonders viel aufgelegt oder war die Verletzung dann letztlich eine Übermüdungsreaktion?

Guardiola: Da kam wohl von allem etwas zusammen, wobei es nicht am Gewicht lag. Ich drücke da in der Regel 100 Kilo – das mache ich seit 18 Jahren mehrmals in der Woche. Aber die Hantel ist etwas seitlich gerutscht und die Ärzte haben gesagt, dass die Muskeln mit 30 Jahren härter und die Sehnen weicher werden. Die haben dann einfach mehr Arbeit. Im ersten Moment dachte ich, die Schulter ist ausgekugelt und das ist in zwei Wochen wieder okay – die Diagnose war deshalb schon ein Schock.

Mit eurem Neuzugang Jannik Kohlbacher, der auf der Hantelbank 160 Kilo wegdrückt, wirst du dich nach diesen Erfahrungen in Zukunft aber sicher nicht messen wollen, oder?

Guardiola: Na, mal sehen. Vielleicht ist er ja ein guter Trainer, was das betrifft, und ich kann ihn etwas anstacheln … (lacht).

In der Folge deiner Verletzung hat sich Kim Ekdahl du Rietz dann endgültig zu einem Comeback überreden lassen. Ein Glücksfall für die Löwen?

Guardiola: Ja, natürlich. Kim war die beste Lösung in dieser Situation. Er lebt diesen Verein, kennt hier alles und kann uns nach meinem Ausfall auch in der Abwehr weiterhelfen. Bisher hat es sich absolut ausgezahlt, dass er zurückgekommen ist.

Jetzt macht er im nächsten Jahr sogar bei Paris St. Germain weiter. Der Mann ist einfach unberechenbar, oder?

Guardiola: Ja, Kim ist immer für eine Überraschung gut. Aber ich denke, dass er von Paris auch ein gutes Angebot bekommen hat. Man bekommt nicht so oft die Möglichkeit, bei so einem Verein zu spielen. Insofern muss man seine Entscheidung akzeptieren.

Wie zufrieden bist du mit deinen Vertretern in der Abwehr? Auch Filip Taleski musste jetzt im Mittelblock ran. Machen die Kollegen das gut und wie schwer ist es, zuschauen zu müssen?

Guardiola: Es ist schon schwer, zuzuschauen, weil man gewisse Situationen kennt, und genau weiß, was zu tun wäre. Aber bislang haben wir das ganz gut hingekriegt. Auch Filip hat sich da weiterentwickelt und hat sich vor allem in der Seitwärtsbewegung verbessert. Er muss jetzt nur noch konstanter werden, aber er ist eben auch ein junger Spieler. In der Abwehr zählt nicht zuletzt die Erfahrung.

Die Jungs machen das so gut, dass die dritte Meisterschaft in Folge zum Greifen nah ist. Was würde das für den Verein und für dich persönlich bedeuten?

Guardiola: Als ich 2012 zu den Löwen kam, hatten sie gar nichts auf dem Briefkopf, jetzt haben wir die Chance, den Titel zum dritten Mal hintereinander zu holen. Das ist Wahnsinn und motiviert uns natürlich unheimlich. Auch für mich persönlich wäre das nach dem EM-Erfolg im Januar ein toller Erfolg – auch wenn ich jetzt am Ende nicht mehr mithelfen kann.

Ein ganz wichtiges Spiel ist die kommende Heimpartie gegen den SC Magdeburg. Wie wichtig wäre ein Sieg für die Mission Meisterschaft?

Guardiola: Das wäre natürlich ein weiterer großer Schritt gegen eine starke Mannschaft. Wir wollen alle unsere Heimspiele gewinnen, dann wird es schwer, uns noch von Platz eins zu verdrängen. Der Pokalsieg gibt uns noch einmal richtig Rückenwind für die letzten Spiele der Meisterschaft.

Magdeburg ist mittlerweile zur dritten Kraft noch vor Kiel und Berlin aufgestiegen. Hättest du das erwartet?

Guardiola: Das überrascht mich nicht besonders. Magdeburg konnte in den vergangenen Jahren das Gerüst der Mannschaft halten, ist gut eingespielt und hat zwei starke Torhüter. Deshalb muss man den SCM immer auf der Rechnung haben.

Am Sonntag geht es dann nach Berlin. Das sind in der Summe zwei Hammer-Aufgaben, aber wenn beide erfolgreich erledigt werden, könnte da schon eine Vorentscheidung fallen – zumal Flensburg noch in Kiel ranmuss.

Guardiola: Wir sind bisher immer gut damit gefahren, wenn wir nur auf uns und das nächste Spiel geschaut haben. Aber es stimmt natürlich schon: An diesem Wochenende stehen wieder einmal zwei schwere Spiele mit nur wenigen Tagen Pause an, in denen wir viel gewinnen können. Und wir wollen unbedingt diesen dritten Titel.

Blicken wir abschließend über die Saison hinaus. Mit Ilija Abutovic und Jesper Nielsen kommen zwei Handball-Riesen, die euch in der Abwehr noch stärker machen. Könnt ihr so den Verlust von Hendrik Pekeler ersetzen?

Guardiola: Ich freue mich auf die beiden, auch wenn wir natürlich noch zusammenfinden müssen. Aber ich denke, im nächsten Jahr können wir mit Ilija, Jesper und mir eine richtige Mauer bauen – und die Abwehr im Zusammenspiel mit den Torhütern war zuletzt immer der Schlüssel zum Erfolg. Ob wir dann unbedingt besser sind, wird sich zeigen, aber vielleicht sind wir sogar ein bisschen flexibler, was den Mittelblock betrifft – auch wenn ein Spieler wie Hendrik natürlich jeder Mannschaft fehlt.