Veröffentlichung:

„Mich reizt das Ungewisse“

Gudjon Valur Sigurdsson blickt auf zweimal drei spannende Jahre bei den Löwen zurück

Gudjon Valur Sigurdsson mit Alex Petersson und DHB-Pokal. Die Stationen seiner Karriere klingen genauso erlesen wie das Wurfrepertoire des Isländers. Dabei hatte „Goggi“, als er 2001 die Heimat Richtung weite Handballwelt verließ, schon rund 15 Jahre Handball auf dem Buckel, das „Handwerk“ seit dem siebten Lebensjahr bei Grótta Seltjarnarnes, Grótta KR und KA Akureyri erlernt und immer weiter verfeinert. Mit 22 ging es nach Deutschland, bei den Traditionsklubs TUSEM Essen (2001 bis 2005) und VfL Gummersbach (2005 bis 2008) etablierte er sich als Topspieler in der Bundesliga.

Von 2008 bis 2011 war er dann erstmals bei den Rhein-Neckar Löwen, seine Weltklasse wies er dort genauso wie später bei AG Kopenhagen (2011 bis 2012), beim THW Kiel (2012 bis 2014) und beim FC Barcelona (2014 bis 2016) nach. Dass die Löwen schließlich der einzige Verein wurden, zu dem der heute 39-Jährige für ein zweites Engagement zurückkehrte, unterstreicht die Bedeutung, die der Klub und die Region für Gudjon Valur Sigurdsson haben.

Idylle und Chaos

„Hier lässt es sich leben“, sagt der Isländer über den idyllischen Landstrich zwischen Rhein und Neckar. Er, seine Kinder, seine ganze Familie habe sich sehr wohl gefühlt. Ihm selbst werden vor allem die Menschen fehlen. Die Spieler, der Trainer, das Betreuerteam. „Das sind alles tolle Jungs, ich durfte eine sehr harmonische Gemeinschaft erleben. In der Kabine war immer eine gute Stimmung“, sagt Sigurdsson und ergänzt: „Ich habe eine tolle Zeit erleben dürfen und habe es hier sehr genossen.“

"GVS" ist ein absoluter Publikumsliebling.Dabei war Gudjon Valur während seines ersten Löwen-Aufenthalts Zeuge chaotischster Zeiten geworden. Trainer und Sportchefs sah er in kürzesten Abständen kommen und gehen, genauso jede Menge Spieler. Missen wollte er diese Erfahrungen aber nicht: „Auch wenn das komisch klingt: In dieser Phase habe ich unheimlich viel gelernt. Viel über den Handball als Geschäft, aber auch über Menschen und wie sie sich verhalten, wenn es einmal nicht so läuft. Und letztlich habe ich auch viel über mich gelernt.“

„Ich freue mich sehr auf Paris“

Mittlerweile seien die Löwen ein anderer Klub, die beiden Abschnitte könne man nicht miteinander vergleichen. Heute habe man ein stabiles Umfeld – was seiner Meinung nach auch viel mit Nikolaj Jacobsen zu tun habe. Der Trainer habe hier einen starken Job gemacht und sei für viele seiner Mitstreiter der ausschlaggebende Grund gewesen, zu den Löwen zu wechseln.

Der Isländer macht überall eine sportliche Figur. Dass es für Gudjon Valur Sigurdsson nun nach Paris geht, zu Saint-Germain, dem aktuell wohl ambitioniertesten und zahlungswilligsten Handball-Klub der Welt, ist für den Isländer eine große Ehre. „Ich freue mich sehr auf Paris, auf meine Mitspieler, eine neue Kabine, eine neue Stadt, eine neue Sprache. Mich reizt das Ungewisse. Ich muss immer wieder raus aus meiner Komfortzone, etwas Neues wagen. Gewissermaßen brauche ich diese Unsicherheit. Das treibt mich an.“

Einer der fittesten Spieler der Liga

Es seien weniger die Erfolge, die Pokale, das Feiern nach einem großen Titel, welche den ehrgeizigen Linksaußen antreiben. „Es ist die tägliche Arbeit, die mir am meisten Spaß macht. Zu sehen, wie eine Mannschaft als Einheit aus ganz vielen verschiedenen Charakteren entsteht, das finde ich spannend. Sich immer zu verbessern, ist mein Ziel.“ Und so wundert es nicht, dass der Mann, der im August 40 Jahre alt wird, immer noch einer der fittesten Spieler der Liga ist und eine insgesamt starke Saison 2018/19 spielt.

GVS feiert mit den Löwen die zweite Meisterschaft. Was ihn in Paris erwartet? Unter anderem Kim Ekdahl Du Rietz, mit dem er bei den Löwen schon gespielt und Erfolge eingefahren hat. Dazu Weltstars wie Mikkel Hansen und Nikola Karabatic. Aber auch einige Jungs, die er noch nicht kennt. Und eine Sprache, die er sich nun nach und nach aneignen will. „Mal schauen, ob es mein Hirn schafft, noch eine neue Sprache zu lernen“, sagt der Familienvater und verweist auf „schlechtes Spanisch und schlechtes Dänisch“, mit dem er sich unter anderem mit den Kollegen Guardiola, Mensah und Jacobsen aktuell gerade so verständigen könne.

Nicht nur diese drei, alle bei den Rhein-Neckar Löwen werden ihn vermissen. Insbesondere die Fans, bei denen er aufgrund seiner professionellen Einstellung, seiner emotionalen und immer wieder spektakulären Spielweise sehr beliebt war, werden dem Mann mit der Nummer 9 die eine oder andere Träne hinterher weinen. Die Löwen verabschieden einen großen Spieler, einen wahren Sportsmann und einen einmaligen Charakter.

Steckbrief

Zweimal drei Jahre bei den Löwen: 2008 bis 2011 und 2016 bis 2019

Silbermedaille Olympia 2008 und Rekordtorschütze der Nationalmannschaft

2017 Meister mit den Löwen, 2018 Pokalsieger

Champions-League-Sieger 2015 mit dem FC Barcelona