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„Ich werde gestärkt zurückkommen“

Der verletzte Michael Müller vor dem Duell gegen die MT Melsungen im Interview

Der 15. September 2010 war für die Rhein-Neckar Löwen kein guter Tag. Nicht allein die 29:33-Niederlage beim SC Magdeburg – die einzige Pleite im bisherigen Saisonverlauf – verhagelte den Badenern die Stimmung, hinzu kam auch noch die Verletzung von Michael Müller. Der Linkshänder verdrehte sich in der Bördelandhalle unglücklich das rechte Knie, musste mit schmerzverzerrtem Gesicht vom Feld und erhielt einen Tag später die erschütternde Diagnose: Kreuzbandriss. Das ist inzwischen sieben Wochen her, längst liegt die notwendige Operation hinter dem Rückraumspieler, der schon mit den ersten Reha-Maßnahmen begonnen hat. Trotzdem wird es noch einige Monate dauern, ehe er aufs Handballfeld zurückkehrt, so dass er auch die Partie gegen Melsungen (Mittwoch, 20:15 Uhr, SAP ARENA) hinter der Bank sitzend verfolgen muss. Wie er über seine Verletzung denkt, wann er wieder fit sein will und was er den Löwen in dieser Saison zutraut, verrät er im Interview.

Michael, wie geht es Dir?

Soweit ganz gut, die Operation ist gut verlaufen. Einziger Wermutstropfen war, dass während der OP ersichtlich wurde, dass der Außenmeniskus ebenfalls in Mitleidenschaft gezogen wurde. Er wurde genäht, was dazu geführt hat, dass ich mehrere Wochen nicht laufen durfte. Ansonsten hat aber alles gut geklappt. Ich hatte nach der Operation überhaupt keine Schmerzen und die Ärzte sind ebenfalls zufrieden. Also bin ich absolut im Plan.

Wie lange hast Du gebraucht, um diesen Rückschlag mental zu verarbeiten?

Donnerstagabend, also einen Tag nach dem Spiel, habe ich die Diagnose erhalten. Da war ich natürlich nicht gut drauf, aber das hat sich schnell gelegt. Ich habe mit mehreren Leuten gesprochen, die ähnliche Verletzungen hatten und die haben mir alle Mut zugesprochen und angekündigt, dass ich gestärkt aus der Sache hervorgehen würde. Das hat mir Mut gemacht und außerdem bin ich ein positiver Mensch und glaube, dass jede Sache auch eine positive Seite hat.

Gibt es einen Zeitplan, wann Du wieder aufs Feld zurückkehren willst?

Grundsätzlich heißt es, dass es nach einem Kreuzbandriss etwa sechs Monate dauert, bis man zurück ist. Das ist in etwa das Zeitfenster, das ich vor Augen habe. Aber ich habe mir keinen genauen Zeitpunkt vorgenommen. Es kommt nicht auf ein paar Wochen an, sondern darauf, wieder völlig fit zu sein und kein Risiko mehr einzugehen.

Wie weit bist Du im Augenblick in der Reha?

Durch die Schädigung des Meniskus musste ich direkt nach der Operation noch etwas warten. Ich habe dann viele Lymphdrainagen bekommen und arbeite zuhause mit einer passiven Bewegungsschiene. Außerdem habe ich mit unserem Physiotherapeuten Sven Raab begonnen, an meiner Fitness zu arbeiten. Zuletzt waren wir einige Male im Schwimmbad, haben Aquajogging gemacht. Das hat mir gut getan, weil ich abends mal wieder zuhause ausgepowert war. Das fehlte mir bis dahin.

Wie schwer ist es für Dich, hinter der Bank sitzend die Spiele verfolgen zu müssen?

Bisher saß ich meist auf der Bank, jetzt etwas dahinter, so groß ist der Unterschied also gar nicht. Aber Spaß beiseite: Natürlich muss man sich daran erst gewöhnen. Es ist schon eine andere Situation, wenn man nicht eingreifen kann. Zudem fehlt der direkte Kontakt zur Mannschaft, weil ich zwar meine Reha-Maßnahmen mache und zur Behandlung in Kronau bin, aber im Training bin ich eben nicht tagtäglich dabei.

Wie erlebst Du die Spiele von „außen“?

Besonders bei den Auswärtsspielen ist es blöd, weil ich wegen des Knies nicht mitfahren kann. Die Partien der eigenen Mannschaft im TV zu sehen, ist ungewohnt. Da kann ich mir Besseres vorstellen.

Provokativ könnte man sagen: Der Kreuzbandriss war die logische Folge Deiner bisherigen Zeit bei den Löwen. Kann man diesen Satz so stehen lassen?

Meine erste Saison bei den Löwen ist sicher nicht so gelaufen, wie ich mir das vorgestellt habe. Und wie sicher auch andere Leute sich das vorgestellt haben. Deshalb passt die Verletzung fast ins Bild, das stimmt.

Hast Du einen Erklärungsansatz für Deine durchwachsenen Leistungen?

Naja, man macht sich schon seine Gedanken. Ich hatte nicht so viele Spielanteile und war wohl übermotiviert, wenn ich auf der Platte stand. Ich wollte zu viel und habe dann oft genau das Falsche getan. Außerdem hat mir das Vertrauen von außen gefehlt, auch mal bei zwei, drei Fehlwürfen auf dem Feld bleiben zu dürfen. Das hatte ich in Großwallstadt und Vertrauen tut einem Spieler immer gut.

Kann man sagen, dass Dir die Umstellung noch nicht gelungen war, bei einem Spitzenklub unter Vertrag zu stehen?

Das kann sein. Im Sommer habe ich hart gearbeitet, war viel laufen, wobei jeder weiß, dass ich das eigentlich nicht so gerne mache. Ich habe wirklich geschuftet und war topfit, als die Saison los ging. Vor diesem Hintergrund ist es bitter, dass ich mich gerade in dieser Phase verletzt habe.

Ist der Kreuzbandriss für Dich dennoch in gewissem Maß ein „Break“, um danach neu anzufangen?

Ich sehe das schon als eine Art Re-Start. Die Leute, die ebenfalls eine solche Verletzung hatten, haben mir erzählt, dass sie danach stärker zurückgekommen sind. Das habe ich auch vor, mir fehlt es in jedem Fall nicht an der Motivation. Ich bin bereit, viel dafür zu tun, um als besserer Spieler ins Team zurückzukehren.

Die nächsten Gegner in der SAP ARENA heißen MT Melsungen und TV Großwallstadt. Was denkst Du über die Melsunger?

Die Melsunger haben im bisherigen Saisonverlauf sehr enttäuscht, offensichtlich herrscht deshalb Unruhe in der Mannschaft. Ich glaube, dass die Truppe eigentlich stärker ist und sich bisher unter Wert verkauft hat. Mit dem neuen Trainer Michael Roth wird sich das sicher ändern. Deshalb müssen wir gewarnt sein, im Vorbeigehen können wir die MT sicher nicht schlagen.

Anschließend wartet das Duell gegen Deinen früheren Verein aus Großwallstadt…

Der TVG spielt aus meiner Sicht bislang eine tolle Saison. Die haben eine kompakte Mannschaft und verfügen mittlerweile auch über eine stabile Verteidigung. Dahinter steht mit Mattias Andersson ein toller Keeper. Wir müssen auf jeden Fall vermeiden, ihn einzuschießen, denn dann vernagelt er das Tor. Trotzdem müssen wir bei unseren Zielen zwei Siege landen, da muss man sich nichts vormachen.

Hast Du den Großwallstädtern diese Entwicklung zugetraut, als Du den Klub 2009 verlassen hast?

Das war so sicher nicht vorhersehbar. Mit Sverre Jakobsson haben sie schon letzte Saison einen Mann für die Abwehr dazubekommen, der ihnen vorher fehlte. Jetzt verfügt die Truppe über viele gute Einzelspieler, die auch gut harmonieren. Es freut mich, dass die Entwicklung nach vorne geht.

Apropos Entwicklung: Wie siehst Du das Abschneiden der Löwen in dieser Spielzeit?

Ich glaube, dass sich die Mannschaft gut entwickelt. Wenn man die Resultate anschaut, haben wir schon einiges erreicht. Wir haben in Barcelona und Celje gewonnen und in der Liga mit Ausnahme der Partie in Magdeburg unsere Pflicht erfüllt. Ich finde, dass die neuen Spieler immer besser reinkommen und wir deshalb noch stärker werden. Das Ziel dieser Truppe muss es sein, um jeden Titel mitzuspielen.

Das bedeutet in der Champions League und im DHB-Pokal: Die Löwen kommen jeweils ins Final Four?

Da möchten wir dabei sein, keine Frage. Ich habe im letzten Jahr erlebt, was in Hamburg los und was für uns möglich war. Ich will das erneut erreichen und denke, dass wir auch in der Champions League die Möglichkeit haben, zum Final Four nach Köln zu fahren. Und an einem solchen Wochenende ist alles möglich. Und für mich ist es doch auch ein tolles Ziel, wenn ich sage: Ich möchte bei den Final Fours wieder auf der Platte stehen.

Welche Ziele verfolgst Du eigentlich hinsichtlich der Nationalmannschaft, zu der Du vor der Verletzung zuletzt nicht mehr eingeladen wurdest?

Es ist ja völlig normal, dass ich gerne wieder in der Nationalmannschaft spielen möchte. Die Olympischen Spiele 2012 in London sind natürlich ein Ziel. Aber im Augenblick denke ich nicht daran, denn es zählt für mich, die Verletzung auszukurieren und dann bei den Löwen gute Leistungen zu zeigen. Das steht im Vordergrund.