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„Wenn unsere Abwehr steht, macht sie es jedem schwer“

Michael Müller spricht über seinen Formanstieg und den THW Kiel

Spiele gegen den Ex-Klub sind immer etwas Besonderes, auch für Michael Müller. Am vergangenen Dienstag zauberte der Linkshänder im Pokalduell beim TV Großwallstadt eine tolle Leistung aufs Parkett, war mit neun Toren bester Werfer auf dem Feld und entscheidend am souveränen 34:22-Erfolg der Löwen in der zweiten Runde des DHB-Pokals beteiligt. Drei Tage nach dem enttäuschenden 32:33 bei der TSV Hannover-Burgdorf gaben die Badener die richtige Antwort und speziell Müller überzeugte mit einer starken Vorstellung. Vor dem Heimspiel gegen den THW Kiel tankte der Rückraumspieler ordentlich Selbstvertrauen und will auch gegen den Rekordmeister bestätigen, dass seine Formkurve ansteigt. Wie er sich nach dem Spiel beim TVG fühlte, warum zu viel Nachdenken schaden kann und worauf es beim Duell mit den „Zebras“ ankommt, erzählt er im Interview.

Hallo Michael, Glückwunsch zur starken Leistung gegen Großwallstadt. So kann es weitergehen, oder?
Ja, das hoffe ich. Vor allem hoffe ich, dass dies kein „One-Hit-Wonder“ bleibt, sondern es jetzt so weiter geht. Ich will meine Form konstant hoch halten, deshalb dürfen die 60 Minuten gegen den TVG nur ein Anfang gewesen sein.

Wie war das Spiel emotional für Dich, denn erstens hast Du gegen Deine früheren Kollegen gespielt und zweitens musstest Du zuletzt Kritik einstecken?
Natürlich ist es ein besonderes Gefühl, gegen den Ex-Verein zu spielen. Man kennt die Halle, jede Ecke und fühlt sich dadurch einfach gut. Zudem kenne ich einige Spieler noch sehr gut. Allerdings hatten wir nach der Partie eine längere Besprechung in der Kabine, so dass ich keine Möglichkeit mehr hatte, mit ihnen zu plaudern. Das muss ich demnächst per Telefon nachholen. Ein Stück weit fühlt man eine Genugtuung, wenn man eine gute Leistung abruft, wenngleich ich gar nicht großartig lese, was in der Zeitung steht. In Großwallstadt war zu sehen, wie ich in meiner Zeit vor den Löwen gespielt habe. Und da will ich weitermachen. Ich möchte die Form erreichen, mit der ich mich für die Löwen qualifiziert habe.

Durch die Verletzung von Krzysztof Lijewski lastete viel Druck auf Dir, weil Du der einzige Linkshänder im Rückraum warst, hat Dich das angespornt?
Angespornt ist das falsche Wort. Es war vielleicht viel mehr so, dass ich ruhiger war, weil ich nicht den Druck hatte, dass ich sofort vom Feld muss, wenn mir ein Fehlwurf unterläuft. Ich glaube, das hat den Ausschlag gegeben. So konnte ich den Leuten zeigen, dass ich keine Gurke bin.

Diese Situation wird sich aber hoffentlich bald ändern, wenn Lijewski seinen Muskelfaserriss ausgeheilt hat.
Ja, das wird hoffentlich schnell gehen. Ich möchte bis dahin so viel Selbstvertrauen gesammelt haben, dass ich mir künftig nicht mehr so viel Druck machen muss, wenn ich während des Spiels aufs Feld komme.

Wie ist Dein Verhältnis zu Deinem Partner im rechten Rückraum?
Wir verstehen uns sehr gut, „Złoty“ ist ein richtig guter Typ, der sehr gut in unsere Mannschaft passt. Er ist ein absoluter Teamplayer und hat mir in den ersten Wochen Unterstützung gegeben, als es bei mir persönlich nicht so gut lief.

Bist Du nach der schweren vergangenen Spielzeit mit vielen Verletzungen jetzt körperlich richtig fit?
In der Vorbereitung hatte ich eine relativ hohe Belastung, so dass auch mein lädiertes Knie zwischenzeitlich reagiert hat. Seit zwei Wochen wird das aber immer besser und nach dem Großwallstadt-Spiel habe ich überhaupt keine Beschwerden mehr gehabt. Ich glaube, ich bin jetzt in einer guten Verfassung, jetzt kann ich angreifen.

Hast Du die Niederlage in Hannover schon aus dem Kopf verbannt?
Wir als Mannschaft haben zwei Tage lang zusammengesessen und versucht zu ergründen, woran es gelegen hat, dass wir in Hannover verlieren. Es darf einfach nicht sein, dass wir alle auf einmal einen schlechten Tag erwischen. Da müssen immer ein paar Jungs von uns in die Bresche springen, wenn andere nicht so gut drauf sind. Die vielen Spiele dürfen keine Ausrede sein, denn wir sind noch am Anfang der Saison und haben uns körperlich sehr gut darauf vorbereitet. Letztlich gibt es dafür keine Erklärung, und es hilft auch nicht, sich darüber weiterhin den Kopf zu zerbrechen, denn es geht ja schon mit den nächsten Aufgaben weiter.

Wie ist insgesamt Dein Eindruck von dem Team der Löwen in der Saison 2011/12?
Wir haben dieses Jahr eine richtig gute kameradschaftliche Mannschaft. Bis auf unsere „Oldies“ im Tor sind wir in einem ähnlichen Alter. Es macht riesig Spaß mit den Jungs. Zudem hilft uns, dass wir mit „Złoty“ Lijewski nur einen richtigen Neuzugang haben, so dass die Abläufe schon ganz gut aufeinander abgestimmt sind. Niklas Ruß ist ja im Grunde ein Löwe, der nur mal kurz weg war, und die Torhüter sind ja sowieso eigen.

In der Champions League sind die Löwen zum ersten Mal nach drei Jahren nicht dabei. Inwiefern kann das zum Vorteil werden?
Zunächst sind wir alle enttäuscht, dass wir nicht in der Königsklasse dabei sind. Aber vielleicht kann es tatsächlich ein Vorteil für uns werden, weil wir uns mehr auf die Liga konzentrieren können.

Und darüber hinaus den Sieg im EHF-Pokal als Ziel haben?
Das ist ein schönes Ziel, aber auch dort warten harte Brocken auf uns. Aus Deutschland sind Göppingen und Magdeburg dabei. Auch wenn das keine Teams wie Barcelona, Madrid oder Montpellier sind, darf man die Mannschaften im EHF-Cup nicht auf die leichte Schulter nehmen.

Jetzt wartet der THW Kiel in der SAP ARENA. Was denkst Du über den nächsten Gegner?
Aus meiner Sicht haben die Kieler einfach den besten Kader innerhalb der Bundesliga zusammen. Sie haben einen wirklich gefährlichen Gegenstoß, deshalb müssen wir unbedingt vermeiden, uns leichtfertige Ballverluste zu erlauben. Insgesamt macht die Mannschaft über 60 Minuten lang Druck, auch in der zweiten und dritten Welle lässt sie nicht nach. Deshalb müssen wir absolut dagegen halten und dürfen in keiner Phase des Spiels nachlassen.

Das hört sich fast nach einer unlösbaren Aufgabe an.
Es ist sehr schwer gegen den THW, aber nicht unlösbar. Wir haben in der vergangenen Saison in Montpellier gewonnen, warum sollten wir nicht zuhause Kiel schlagen können? Wenn wir den Gegenstoß der Kieler unterbinden und einfach so schnell wie möglich zurück laufen, haben wir eine Chance. Wenn unsere Abwehr steht, macht sie es jedem Gegner schwer. Zuletzt haben wir schließlich auch den HSV besiegt. Auch wenn die Hamburger Probleme mit verletzten Spielern hatten, beweist das trotzdem unsere Möglichkeiten.