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„Meine Wurfkraft ist ein Geschenk Gottes“

Karol Bielecki vor dem Duell gegen den SC Magdeburg im Interview

Am vergangenen Wochenende beobachtete Karol Bielecki von der Bank aus, wie die Rhein-Neckar Löwen das baden-württembergische Derby bei Frisch Auf Göppingen mit 30:29 gewannen. Mit einer fiebrigen Erkältung war der Hüne im Rückraum zum Zuschauen verurteilt. Eigentlich gehört der Pole zu den Korsettstangen der Löwen und avancierte im bisherigen Saisonverlauf zum besten Torschützen der Truppe von Ola Lindgren. Mit scheinbarer Urgewalt bugsiert Bielecki die Kugel – oft auch aus großer Distanz – ins Tor des Gegners. Warum es für ihn in diesem Jahr so rund läuft und wie er mit seinen Kritikern umgeht, verrät er vor dem Duell gegen seine alte Mannschaft. Zwischen 2004 und 2007 stand Bielecki nämlich beim SC Magdeburg unter Vertrag.

Herr Bielecki, für die Löwen geht es im vorletzten Bundesliga-Heimspiel des Jahres 2009 gegen den SC Magdeburg, Ihren alten Klub. Haben Sie noch Kontakt zu Spielern aus der Mannschaft?

Es gibt einige Akteure beim SCM, mit denen ich zusammengespielt habe. Christoph Theuerkauf, Fabian van Olphen, Yves Grafenhorst, Damien Kabengele oder Bartosz Jurecki. Regelmäßigen Kontakt habe ich aber nur noch zu Jurecki, den ich aus dem Nationalteam kenne.

Haben Sie vor dem Spiel mit ihm gesprochen?

Wir haben Anfang der Woche telefoniert, als er sich danach erkundigte, warum ich in Göppingen nicht gespielt habe. Wir haben dann über allgemeine Dinge gesprochen, uns gegenseitig aber keine taktischen Geheimnisse verraten.

Wie schätzen Sie den kommenden Löwen-Gegner ein?

Magdeburg hat im Augenblick ein paar Probleme. Das müssen wir für uns nutzen und dürfen dem SCM gar nicht die Chance geben, bei uns etwas zu holen. Die Stärken liegen sicher auf der Kreisläufer-Position, auch Kabengele im Rückraum ist zu beachten. Aber wir wollen gewinnen und werden deshalb konzentriert zur Sache gehen.

Sie waren dreieinhalb Jahre in der Bördelandhalle zuhause. Ist das Duell gegen Magdeburg für Sie ein besonderes Spiel?

In Deutschland muss man in jedem Spiel 100 Prozent geben, um erfolgreich zu sein. Deshalb kann ich nicht motivierter sein als sonst. Aber natürlich möchte ich das Spiel gewinnen. Gerade gegen die alten Freunde ist es schön, wenn man nach dem Spiel in der Kabine sitzt und den Sieg eingefahren hat.

Wie denken Sie rückblickend über Ihre Zeit beim SCM?

Ich hatte schöne und schwierige Phasen. Ich konnte in Magdeburg unter tollen Trainern wie Alfreð Gíslason und Bogdan Wenta arbeiten und habe 2007 den EHF-Pokal gewonnen. Am Ende war es nicht mehr so schön, aber darüber möchte ich nicht mehr sprechen, außerdem ist das Thema inzwischen abge-hakt, weil ich bei den Löwen meine beste Leistung zeigen möchte und mich allein darauf konzentriere.

Das schaffen Sie in dieser Saison beinahe in Perfektion. Wie erklären Sie sich, dass Sie praktisch seit dem ersten Spiel in hervorragender Verfassung sind?

Seit Ola Lindgren unser Trainer ist, fühle ich mich wirklich gut. Ola glaubt an mich und gibt mir Vertrauen. Das ist für mich sehr wichtig.

Also liegt es allein am Trainerwechsel?

Es ist einfach so, dass ein Trainer immer für einige Spieler sehr gut passt, für andere eben weniger. Und Olas Konzept passt zu mir eben sehr gut. Ich fühle mich absolut fit, das Training bekommt mir sehr gut und durch das Vertrauen des Trainers kann ich selbstbewusster auftreten. Hinzu kommt natürlich, dass ich im Sommer zum ersten Mal seit zwei Jahren richtig Urlaub hatte und meine Akkus neu aufladen konnte. Das hat mir viel Energie gegeben.

In der zurückliegenden Spielzeit gab es immer wieder Kritik an Ihrer Person. Ist es für Sie eine Genugtuung, es jetzt allen zeigen zu können?

Im Grunde war es ja keine Überraschung, dass ich in der Kritik stand. Wenn man keine guten Leistungen zeigt, kommt das automatisch. Jetzt kann ich endlich das zeigen, was in mir steckt und natürlich ist es wie eine kleine Erlösung, denn die vergangene Saison war sehr schwierig für mich. Ich habe endlich Spaß, es passt und daher geht es mir gut.

Gab es für Sie einen speziellen Augenblick in dieser Saison, in dem es „Klick“ gemacht hat?

Nein, eigentlich nicht. Aber ich habe früh gemerkt, dass ich gut drauf bin. Schon in den ersten Trainingseinheiten und Testspielen habe ich gespürt, dass ich wieder frischer bin und es besser läuft.

Welche Rolle spielen die Neuzugänge wie Ólafur Stefánsson? Profitieren Sie von seiner Übersicht und den Anspielen?

Natürlich profitiere ich davon. Die gesamte Mannschaft wird besser, wenn so ein Spieler in der eigenen Truppe dabei ist. Ich denke, wir haben uns insgesamt verbessert und wollen noch besser werden.

Sehen die Zuschauer im Moment den besten Karol Bielecki, den es im Löwentrikot je gab?

Ich glaube schon und das macht mich glücklich. Ich möchte aber noch besser werden, denn es gibt immer Potenzial nach oben. Ich gehe jeden Tag ins Training, um 100 Prozent zu geben. Ich möchte mich weiterentwickeln und der Mannschaft damit noch mehr helfen.

Es gibt kaum einen Spieler in der Bundesliga, der einen härteren Wurf als Sie hat. Woher kommt dieser „Hammer“ im rechten Arm?

Ich habe das nie besonders trainiert, ich hatte diesen harten Wurf von Anfang an. Er ist sozusagen ein Geschenk Gottes und dafür bin ich dankbar. Aber ich bin nicht allein der Spieler, der den Ball ins Tor werfen kann. Ich kann auch den Außenspieler oder den Kreisläufer einsetzen. Ich möchte der Mannschaft auch damit helfen und gut für andere spielen.

Wie sehen Sie die Entwicklung der Rhein-Neckar Löwen insgesamt, was ist für das Team möglich?

Wir werden als Mannschaft immer besser, weil wir immer stärker zusammenfinden. Außerdem haben wir mit Ola einen guten Trainer, so dass ich glaube, dass wir noch nicht am Ende sind. Wir wollen jetzt bis zum Jahresende kein Spiel mehr verlieren und dann im neuen Jahr noch einmal angreifen.

Im Januar macht die Bundesliga Pause, weil die Europameisterschaft in Österreich ansteht. Dort treffen Sie mit den Polen gleich im ersten Turnierspiel auf Deutschland, und auf die Kollegen von den Löwen.

Ja, wir sind mal wieder bei den Deutschen in der Gruppe gelandet. Das war schon bei der WM in Kroatien so. Vor einem Jahr haben wir das Duell verloren, deshalb wollen wir es diesmal umdrehen und gewinnen.

Wie ist das Gefühl, gegen Oliver Roggisch antreten zu müssen und nicht mit ihm gemeinsam in einem Team zu spielen?

Naja, Oliver ist ein harter Brocken, aber wir haben auch eine gute Mannschaft und können Deutschland schlagen. Es ist immer ein besonderes Spiel, weil viele Polen in der Bundesliga unter Vertrag stehen. Das ist dann ein Duell unter Freunden und die Motivation ist besonders hoch.

Ihr Löwen-Kollege Grzegorz Tkaczyk hat sich aus der Nationalmannschaft zurückgezogen, um sich voll auf den Klub konzentrieren zu können. Haben Sie sich darüber auch einmal Gedanken gemacht?

Als es in der vergangenen Saison bei mir nicht gut gelaufen ist, habe ich kurz auch einmal überlegt, ob es besser wäre, mich nicht mehr dieser großen Belastung auszusetzen. Aber nach einer Woche habe ich mich entschieden, weiter für Polen zu spielen, denn das bedeutet mir sehr viel.

Was ist für die polnische Mannschaft bei der EM möglich?

Unsere Gruppe ist schwer, aber wir haben tolle Spieler in unserer Mannschaft und ich glaube, dass wir wieder um die Medaillen kämpfen können. Bei der WM wurden wir Dritter und warum sollten wir das nicht wieder schaffen?