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„Wichtig ist, dass wir uns treu bleiben“

Löwen-Kreisläufer Bjarte Myrhol vor dem nächsten Topspiel gegen den HSV Handball im Interview

Vier Spieltage vor Schluss ist das Meisterschaftsrennen spannend wie lange nicht. Nun kreuzt zum nächsten Spitzenspiel der HSV Handball in der Mannheimer SAP Arena auf. Erster contra Vierter  der DKB Handball-Bundesliga – am Sonntag ab 20.15 Uhr wollen die Rhein-Neckar Löwen den nächsten Schritt machen. Die Halle öffnet um 18.45 Uhr, es gibt noch Karten an der Abendkasse. Vor dem Duell mit den Hanseaten, die sich am vergangenen Donnerstag mit 29:26 gegen den Tabellen-Nachbarn SG Flensburg-Handewitt durchgesetzt haben, sprachen wir mit Löwen-Kreisläufer Bjarte Myrhol.

Bjarte, reden wir erst einmal über Fußball. Die Wiederauferstehung des ruhmreichen FC Liverpool in der englischen Premier League dürfte dir gefallen?

Bjarte Myrhol (lacht): Ja, auf jeden Fall. Ich bin schließlich bekennender Liverpool-Fan und deswegen freut es mich natürlich sehr, dass die Mannschaft zurzeit um die Meisterschaft in England spielt. Seit fast 25 Jahren warten wir auf diesen Titel – und ich bin sehr gespannt, ob es diesmal endlich klappt. Fürs Topspiel am vergangenen Sonntag gegen Chelsea hätte ich sogar Karten bekommen können, aber da befand ich mich ja mit den Löwen noch auf der Rückreise aus Barcelona. Insofern war unser Weiterkommen in der Champions League gegen KS Vive Targi Kielce eher ein Nachteil für mich (lacht).

An der Anfield Road hätte es für dich allerdings genauso wenig zu feiern gegeben wie für die Löwen in Barcelona. Liverpool verlor 0:2 und wird vielleicht doch kein Meister, ihr musstet das Aus in der Champions League hinnehmen.

Myrhol: Ich muss wirklich sagen, dass das vergangene Wochenende für mich schon sehr enttäuschend war.

Nach Hin- und Rückspiel stand es zwischen Barcelona und euch 62:62, nur aufgrund der weniger erzielten Auswärtstreffer seid ihr ausgeschieden. Was hat den Ausschlag gegeben?

Myrhol: Wenn es nach zwei Partien unentschieden steht, hätten beide den Einzug ins Final Four schaffen können. Letztendlich waren es Kleinigkeiten, die gegen uns gesprochen haben.

Was meinst du damit?

Myrhol: Im Rückspiel ist es uns 50 Minuten lang richtig gut gelungen, einen Lauf von Barcelona zu verhindern. Aber dann haben wir leider in der Schlussphase einen 0:6-Lauf kassiert.

Beim 21:24 sah es neun Minuten vor dem Ende sogar ganz gut für euch aus.

Myrhol: Wir waren uns trotzdem auf keinen Fall sicher, dass das jetzt klappen wird. Barcelona hat einfach eine Weltklasse-Mannschaft.

Im Hinspiel gelang ein 38:31-Erfolg gegen die Katalanen. Ist der jetzt wertlos?

Myrhol: Nein, auf gar keinen Fall, denn wir haben gezeigt, dass wir diese Top-Mannschaft besiegen können. Deswegen sollten wir auch unbedingt das Positive aus diesem Duell mit in den Saisonendspurt nehmen.

Zuvor habt ihr in der Bundesliga den THW Kiel besiegt.

Myrhol: Es ist aber noch nicht die Zeit gekommen, um irgendetwas zu genießen. Diese Saison ist noch nicht vorbei und wir haben auch noch keinen Titel gewonnen. Wir müssen also weiterhin mit dem gleichen Teamgeist und der gleichen Leidenschaft agieren, clever und cool bleiben.

Dabei ging es nach der Länderspielpause gar nicht gut los für euch mit dem verpassten Pokalsieg beim Final Four in Hamburg.

Myrhol: Man darf aber nie vergessen, dass auch Flensburg eine sehr gute Mannschaft hat. Gegen diesen Gegner zu verlieren, ist kein Ding der Unmöglichkeit. Wir kamen nicht so gut ins Spiel, Flensburg schon. Die hatten früh einen Lauf, wir nicht. So ist das manchmal im Handball. In den Heimspielen gegen Kiel und Barcelona ist es für uns genau umgekehrt gelaufen.

Kam bei euch nach der Niederlage gegen Flensburg Trotz auf? Habt ihr euch gesagt: „Jetzt erst recht“?

Myrhol: Nein, zumindest habe ich nicht so gedacht. Das Schöne an unserer aktuellen Situation ist ja, dass wir alle drei Tage gefordert werden. Da bleibt nicht viel Zeit, um über etwas nachzudenken, enttäuscht zu sein oder – wie ich schon sagte – um etwas zu genießen. Mit einer bitteren Niederlage darf man sich eine Stunde, maximal einen Tag beschäftigen. Dann muss das raus aus dem Kopf und der Blick nach vorne gerichtet werden. Wir sind alle erfahren genug, um mit Rückschlägen umzugehen.

Nach dem Sieg im EHF-Pokal seid ihr wieder in der Champions League dabei gewesen. Der Triumph im Europapokal war gewiss ein sensationelles Erlebnis und wichtig für den Klub. Aber Hand aufs Herz: Was bedeutet dir die Champions League?

Myrhol: Keine Frage, dieser Wettbewerb ist etwas ganz, ganz Besonderes. Das meiste Interesse im Handball gilt weltweit der Champions League. Wenn wir irgendwo in Europa spielen, bekomme ich immer mehr SMS von Freunden als sonst.

In der Bundesliga seid ihr nach dem Sieg über Kiel der Titelfavorit. Wie gehst du damit um?

Myrhol: Es ist klar, dass uns diese Rolle jetzt zugeschrieben wird. Und sicherlich haben wir auch im Hinterkopf, dass wir Meister werden können. Jeder, der das Gegenteil behauptet, würde wahrscheinlich nicht die Wahrheit sagen. Aber diese Favoritenrolle belastet uns nicht.

Warum nicht?

Myrhol: Wir gehen ganz locker mit der Situation um. Es ist schön, Erster zu sein, und wir wissen, dass wir uns nicht vor den restlichen Gegnern in dieser Saison verstecken müssen. Wichtig ist einzig und allein, dass wir uns und unseren Prinzipien treu bleiben.

Was meinst du damit konkret?

Myrhol: Dazu gehört in erster Linie, dass wir nicht zu weit in die Zukunft schauen, uns nicht ablenken lassen und dass unsere ganze Konzentration immer nur dem nächsten Gegner gilt.

Was ist das Erfolgsgeheimnis der Löwen in dieser Spielzeit?

Myrhol: Wie schon in der zurückliegenden Saison spielen wir sehr stark in der Abwehr, dazu kommt eine gute Torwartleistung. Allerdings ist es mein Eindruck, dass wir noch stabiler und konstanter agieren.

Dein blindes Verständnis mit Spielmacher Andy Schmid ist bekannt. Er will mit dir aber nicht die Rollen tauschen und lehnt aus Angst vor zu vielen blauen Flecken die Kreisläuferposition ab. Traust du dir denn zu, als Mittelmann die Geschicke zu lenken?

Myrhol (lacht): Als ich 14 oder 15 Jahre alt war, habe ich tatsächlich mal auf der Mitte agiert. In irgendeinem Testspiel durfte ich zuletzt auch mal bei den Löwen als Regisseur ran. Aber als ich dann die Elemente von drei Spielzügen durcheinandergeworfen habe, haben wir das Experiment recht schnell wieder gelassen (lacht). Ich stimme Andy zu: Wir sollten alles so lassen, wie es jetzt ist.

In der nächsten Saison kommt mit Harald Reinkind ein weiterer Norweger zu den Löwen. Was kannst du uns über deinen Landsmann berichten?

Myrhol: Klar, ich habe mit ihm ein paar Mal in der Nationalmannschaft zusammengespielt. Aber so richtig gut kenne ich ihn auch noch nicht. Auf jeden Fall habe ich in meiner norwegischen Heimat nur Gutes über ihn gelesen, er ist ein riesengroßes Talent und bringt mit seiner Größe alle Voraussetzungen mit, um es bei uns zu packen. Ich zweifle nicht daran, dass Harald mal ein Topspieler wird. Man sollte ihm aber auch die Zeit geben, sich auf die Bundesliga einzustellen.