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„Ich konnte den Kopf frei bekommen“

Nikola Manojlović vor dem Duell gegen den HBW Balingen-Weilstetten im Interview

Nikola Manojlović gehört nicht zu den Lautsprechern in der Handball-Welt. Der Serbe hält sich gerne im Hintergrund und tritt nur auf dem Feld in Erscheinung. Weil der Rückraumspieler sowohl in der Abwehr als auch im Angriff seine Stärken hat, verpflichteten ihn die Löwen im zurückliegenden September. Nachdem der 28-Jährige am Ende der Hinrunde seine Form verloren hatte, nutzte er die spielfreie Zeit im Januar, um sich wieder auf ein anderes Niveau zu heben. Im Innenblock an der Seite von Oliver Roggisch und auf der Spielmacher-Position in der Offensive versucht er jetzt, dem Spiel der Löwen Struktur zu geben. Und das mit zunehmendem Erfolg, denn Ola Lindgren baut auf den Serben, der sich mit guten Leistungen für einen neuen Vertrag empfehlen will. Der Kontrakt läuft nämlich im Juni 2010 aus.

Herr Manojlović, bei der Europameisterschaft in Österreich waren Sie nicht am Start? Haben Sie wehmütig die Spiele in der Alpenregion verfolgt?

Nein, ich habe schon vor längerer Zeit entschieden, nicht mehr in der Nationalmannschaft zu spielen. Deshalb konnte ich das Turnier in aller Ruhe verfolgen.

Sie haben Ihren Rücktritt wegen Ärger mit dem Nationalcoach erklärt. Haben Sie den Serben trotzdem die Daumen gedrückt?

Natürlich, wenn mein Land spielt, hoffe ich auf einen Sieg. Ich bin immer für mein Land. Leider waren wir nicht erfolgreich und haben ein wirklich schlechtes Turnier gespielt.

Serbien ist nach der Vorrunde ausgeschieden, worin waren die schwachen Leistungen begründet?

Die Mannschaft hat drei schlechte Spiele in einem Turnier abgeliefert, in dem man keine Fehler machen darf. So kann man seine Ziele nicht erreichen. Es gibt viele gute Spieler in der Mannschaft und trotzdem läuft es nicht. Keiner weiß, woran das liegt. Das war auch ein entscheidender Grund, warum ich erklärt habe, nicht mehr für die Nationalmannschaft zu spielen.

Wenn sich nach der enttäuschenden EM der Nationaltrainer meldet, sind Sie dann bereit für ein Comeback?

Ich habe mit dem Thema schon abgeschlossen. Eine Rückkehr kann ich mir eigentlich nicht vorstellen. Das ist vorbei.

Wie haben Sie die EM vor und nach dem Ausscheiden der serbischen Mannschaft verfolgt?

Wir, also die restlichen Löwenspieler, hatten viel Spaß während der EM. Wir haben die Partien der deutschen Mannschaft zusammen angeschaut. Die Trainingseinheiten wurden so angesetzt, dass wir anschließend im Trainingszentrum vor dem Fernseher sitzen konnten. Das war lustig und wir konnten den Kollegen von den Löwen die Daumen drücken. Viele der übrigen Spiele habe ich privat angeschaut.

Freut man sich mit den Teamkollegen, die mit ihren Nationen erfolgreich sind?

Ja, in jedem Fall. Ich war sehr glücklich, dass Island und Polen das Spiel um den dritten Platz erreicht haben. Leider haben sie es nicht bis ins Finale geschafft. Die Deutschen waren zwar als Team nicht so erfolgreich, aber Roggisch, Gensheimer und Müller haben ordentliche Leistungen gezeigt. Insgesamt glaube ich, dass die Löwen bei der EM eine gute Rolle gespielt haben. Nicht umsonst haben es auch zwei von uns in das Allstar-Team geschafft. Das hat kein anderer Klub erreicht.

Wie war das Niveau bei der EM aus Ihrer Sicht?

Ich glaube, im Vergleich zu früheren Turnieren war es nicht ganz so hoch. Man hat den Spielern angemerkt, dass sie müde waren. Aber dieses Thema ist ja nicht neu, darüber wird schon seit einiger Zeit diskutiert. Die Jungs haben sich durch die Begegnungen geschleppt, die Belastungen waren einfach zu hoch.

Sie hatten während des Turniers in Österreich die  Möglichkeit, sich gezielt auf die Rückrunde mit den Löwen vorzubereiten. Haben Sie davon profitiert, eine Pause gehabt zu haben?

Die Nationalspieler hatten vor und nach der EM vielleicht ein oder zwei freie Tage, ich dagegen konnte insgesamt zwölf Tage lang durchschnaufen und auch einmal den Kopf frei bekommen. In der restlichen Zeit konnte ich konzentriert trainieren, das kommt mir jetzt sicherlich entgegen. Es hat mir sehr gut gefallen, dass ich gezielt an mir arbeiten konnte.

War der Körper oder der Geist mehr betroffen von der Müdigkeit?

Eigentlich beides. Wenn man wie wir bei den Löwen so viele Spiele in verschiedenen Wettbewerben absolviert hat, ermüdet man ganz automatisch, auch im Kopf. Da tut eine kleine Pause vom Handball ganz gut. Mir hat das gefallen, ich konnte neue Kräfte sammeln.

Und deshalb können Sie jetzt Ihre Kollegen entlasten, die von der EM geschlaucht sind.

Man sieht bei jedem Spieler, der bei der EM dabei war, eine gewisse Erschöpfung. Das ist nach einem solchen großen Turnier völlig normal. Aber nicht nur deshalb versuche ich meine Bestleistung zu zeigen. Ich versuche immer, so gut wie möglich zu spielen. Es ist aber jetzt auch nicht möglich, dass die Spieler, die nicht bei der EM waren, die Führung auf dem Feld übernehmen. Wir müssen gemeinsam an unserer Entwicklung arbeiten.

Sind Sie im Augenblick mit Ihren Leistungen zufrieden?

Es ist in den Spielen im neuen Jahr besser geworden. Ich bin auf einem guten Weg, finde ich. Ich bin aber noch nicht ganz zufrieden. Das sollte man auch nicht sein, sonst kann man nicht nach vorne kommen.

Immerhin haben Sie jetzt mehr Einsatzzeiten als in den letzten Spielen des Jahres 2009.

Das stimmt, aber ich habe mich immer wohl gefühlt. Auch in der Phase, als ich wenig gespielt habe. Die Atmosphäre ist gut und das macht es leichter, sich im Team zurecht zu finden.

Sie teilen sich die Spielmacher-Position mit Snorri Guðjónsson. Wie ist Ihr Verhältnis zueinander?

Snorri und sich sind Zimmerkollegen bei Auswärtsspielen, wir kommen sehr gut miteinander klar. Snorri ist einfach ein toller Typ, da ist es schwer, sich nicht mit ihm zu verstehen. Wir haben hier bei den Löwen insgesamt eine gute Stimmung innerhalb der Mannschaft, wie ich das zuvor noch bei keinem Klub erlebt habe. Jeder bei uns kommt mit jedem Mitspieler klar und das ist die notwendige Basis, um erfolgreich sein zu können.

Wie beurteilen Sie die Entwicklung der Löwen seit Ihrem Wechsel im September?

Wir sind auf einem guten Weg, das ist meine feste Überzeugung. Leider sind wir noch nicht so gefestigt, wie man bei den Niederlagen in Berlin oder Lübbecke gesehen hat. Aber das Team hat die Möglichkeiten, viel zu erreichen. Wenn wir in Ruhe daran arbeiten können, ist auch Platz drei in der Liga noch möglich.

In der SAP ARENA ist jetzt HBW Balingen-Weilstetten der Gegner. Worauf kommt es in dem baden-württembergischen Duell an?

Wir müssen auf die aggressive Spielweise der Balinger in der Abwehr eingestellt sein. Die Balinger sind immer für besondere Aktionen gut, damit müssen wir rechnen und die richtigen Antworten darauf haben. Wenn uns das gelingt, bin ich guter Dinge.

Ein Heimsieg ist Pflicht, oder?

Wir brauchen nicht darüber sprechen, wer in dieser Partie der Favorit ist. Wir hatten in den zurückliegenden Wochen viele harte Matches, aber wenn wir konzentriert in die Begegnung gehen und unsere Leistung abrufen, werden wir das Spiel gewinnen. Wir müssen jetzt ohnehin die nächsten Begegnungen erfolgreich gestalten und gegen Balingen wollen wir damit anfangen.

Sie sind seit einem halben Jahr bei den Löwen. Haben Sie sich mittlerweile eingelebt?

Meine Frau, unser Sohn und ich fühlen uns hier sehr wohl. Wir leben in Östringen und haben uns wirklich in sehr kurzer Zeit eingelebt. Das ist für mich sehr wichtig, denn die Familie ist der entscheidende Teil in meinem Leben.

Ihr  Vertrag läuft im Sommer aus. Gab es bereits Gespräche über die Zeit danach?

Nein, wir haben nicht miteinander gesprochen. Für mich steht jetzt der Sport im Vordergrund. Wir haben viele wichtige Spiele vor uns, darauf konzentriere ich mich. Zu gegebener Zeit werden wir uns sicher zusammensetzen.