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„Es darf ruhig auch einmal krachen“

Löwen-Neuzugang Momir Rnic über Handball, Teamwork und hohe Ansprüche

Bei der Saisoneröffnung auf dem Trainingsgelände der Rhein-Neckar Löwen musste man sich verwundert die Augen reiben: Das soll Momir Rnic sein? Alle hielten Ausschau nach einem Bären von Mann, fast so breit wie hoch, mit zotteligen Haaren und munter wucherndem Vollbart. Mitte Juli in Kronau tauchte dann aber ein frisch rasierter, fast schon schlank wirkender junger Mann auf. „Ich habe ein bisschen abgenommen und zusätzlich an Kraft und Ausdauer gearbeitet“, erklärt der 29-jährige Serbe, der im Sommer von der MT Melsungen zu den Löwen gewechselt war.

Die an ihn gestellte Erwartung, zusammen mit Mads Mensah den Abgang von Kim Ekdahl du Rietz zu kompensieren, kennt „Momo“. Hohe Ansprüche ist er gewohnt – auch von sich selbst. Mit 29 sieht er sich im besten Handballalter: „Dabei habe ich sicher noch Potenzial, mich weiter zu verbessern. Das ist am besten möglich in einer Top-Mannschaft, wie sie die Rhein-Neckar Löwen stellen, und unter einem Top-Trainer, wie Nikolaj Jacobsen einer ist.“

In der Vorbereitung hat der Halblinke mit dem mächtigen Armzug gezeigt, was in ihm steckt. Durch die verlorenen Pfunde wirkt er deutlich explosiver, geradezu leichtfüßig präsentierte sich der 1,96-Meter-Hüne. Mit seinem starken rechten Arm soll er die Löwen in Sachen Wurfgewalt nach vorne bringen. Vor allem im Pokal sowie beim hochkarätig besetzten Vorbereitungsturnier in Gummersbach sah das schon richtig gut aus. Beim Supercup gegen Kiel und nun zum Bundesliga-Auftakt in Lemgo lief es hingegen nicht ganz so flüssig.

Momo über Andy Schmid: „Ich brauche so einen Spieler“

Momir Rnic weiß, dass es nicht einfach ist, sich in einer neuen Mannschaft an die Abläufe und Automatismen zu gewöhnen. „Ich gebe mein Bestes, damit wir das schnell schaffen“, sagt der Rückraum-Shooter und geht davon aus, dass es nicht allzu lange dauern wird, bis das Zusammenspiel reibungslos funktioniert. Seinen Optimismus bezieht er in erster Linie auch aus der Klasse seines Spielmachers. „Ich brauche so einen Spieler, der stark bei Kreuzungen ist, und wir wissen alle, was für ein überragender Mittelmann Andy Schmid ist. Er kann mehrere Gegenspieler auf sich ziehen und uns im Rückraum in die Schnittstellen der gegnerischen Abwehr bringen“, sagt Rnic über Kopf und Leitfigur des Löwen-Spiels.

Dass er selbst mit einfachen Treffern aus dem Raum zwischen acht und zehn Metern vor dem gegnerischen Tor einer Mannschaft helfen kann, hat er bei seinen ersten beiden Bundesliga-Stationen in Göppingen (2011 bis 2014) und Melsungen (2014 bis 2017) gezeigt. Dort bestach er als Hochgeschwindigkeitsschütze mit hoher Zuverlässigkeit – ohne allerdings den letzten Schritt in der ihm schon früh prophezeiten großen Karriere zu machen.

Mit gerade einmal 20 Jahren kam Rnic zum slowenischen Spitzenteam RK Velenje. Damals galt er als eines der größten Talente Serbiens. Nach zwei Jahren zog es ihn für eine Saison nach Celje, dann schließlich in die Bundesliga. Dass es noch einmal sechs Jahre dauern würde, bis er bei einem absoluten Top-Team landet, hätten wohl die wenigsten geglaubt. Momo selbst macht keinen Hehl daraus, dass mit dem Wechsel zu den Rhein-Neckar Löwen ein Herzenswunsch in Erfüllung gegangen ist: „Wie bei allen kleinen Jungen, die Handball spielen, war es immer mein Traum gewesen, einmal in einer absoluten Spitzenmannschaft zu spielen.“

Momo über die Region: „Es gibt viele schöne Flecken hier“

In der Region hat er sich schnell eingelebt. Mit seiner kleinen Familie, Frau und Sohn, wohnt er in Walldorf und hat von dort aus schon einige Ausflüge, unter anderem nach Heidelberg und in die Mannheimer City, unternommen. „Es gefällt mir sehr gut, es gibt viele schöne Flecken hier“, sagt Momo. Das Eingewöhnen leichtgemacht habe ihm auch die Mannschaft: „Ich habe das Gefühl, dass ich schon viel länger dabei bin, als erst seit diesem Sommer. Die Jungs sind sehr nett und kümmern sich, wenn man etwas braucht. Das Klima ist absolut perfekt.“

Damit habe sich auch das erfüllt, was er schon vorher gehört habe: dass es bei den Löwen in Sachen Miteinander stimmt und man sich als Neuer darauf verlassen kann, in ein funktionierendes Gefüge zu kommen. Mit am meisten freut sich Momo nun auf den Heimspiel-Auftakt am 7. September gegen GWD Minden und die neue Heimspielstätte: „Die SAP Arena ist eine der schönsten Arenen in Europa. Vielleicht kann ich dort sogar für einige Spiele meinen Vater begrüßen.“

Momir Rnic Senior war selbst ein erfolgreicher Handballer. In Deutschland spielte er für den TV Niederwürzbach, schaffte mit dem Klub Ende der 1980er Jahre den Durchmarsch von der Regionalliga in die Bundesliga – und gab die Handball-Leidenschaft an seinen Sohn weiter. „Wahrscheinlich habe ich einiges davon in den Genen“, sagt Momo mit Blick auf seinen Vater, der nach einigen weiteren (Trainer-)Stationen in Deutschland mittlerweile wieder in Serbien lebt.

Momo über Handball: „Es darf ruhig auch mal krachen“

Dass aus Momo ein Profi-Handballer wurde, war bei aller familiären Prägung keine Selbstverständlichkeit. Großen Spaß fand das sportliche Multitalent zunächst auch an Basketball. Letztlich sei es aber unter anderem das gesunde Maß an körperlicher Härte gewesen, das ihm vom Handball nachhaltig überzeugt habe. „Es darf ruhig auch mal krachen, das gehört dazu“, sagt Rnic, der sich in den Positionskämpfen ein paar Schritte vor dem Kreis am wohlsten fühlt.

Neben dem Handball und der Familie bleibt dem noch relativ frisch gebackenen Familienvater nicht viel Zeit für Hobbies. Seine Frau und er wechseln sich bei der Betreuung des einjährigen Sohnes ab. Das sei schon anstrengend, mache aber auch jede Menge Spaß. Spazierengehen mit seinen Liebsten – dafür ist Momo ohnehin immer zu begeistern. Dabei findet er Ruhe. Mit Blick auf die Saison freut er sich auf viele Erfolgserlebnisse: „Den ersten Titel haben wir uns mit dem Super Cup ja schon geholt.“  

Jacobsen über Momo: „Ein richtig guter Junge“

Sein Trainer findet lobende Worte für seinen wurfstarken Neuzugang: „Momir ist ein richtig guter Junge. Er arbeitet hart, verhält sich sehr professionell und passt sehr gut in die Mannschaft.“ Momentan sei man noch im Findungsprozess, müssten Details im Zusammenspiel noch geklärt werden. Ob er das bisher noch nicht zur Gänze ausgeschöpfte Potenzial des einstigen Top-Talentes aktivieren könne? „Das hoffe ich. Deswegen haben wir ihn geholt.“ Allerdings müsse man bedenken, dass sich Momir erst an den neuen Spielstil gewöhnen müsse – und umgekehrt. „In Melsungen haben sie viel mit Übergängen und mit dem Kreis gespielt. Bei uns geht es direkter zu. Wir müssen da eine gute Mischung finden, so dass wir Momir besser mitnehmen.“ Am besten schon am Sonntag beim Topspiel in Flensburg.