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Im hessischen Hexenkessel

Nikolaj Jacobsen hat großen Respekt vor Löwen-Gastspiel bei der MT Melsungen

Kaum haben die Spieler der Rhein-Neckar Löwen die Belastungsprobe von Leipzig und Barcelona einigermaßen aus den Knochen geschüttelt, stehen sie schon wieder vor der nächsten schweren Auswärtsaufgabe. Am Donnerstag, 16. November, um 19 Uhr sind die Schützlinge von Trainer Nikolaj Jacobsen bei der MT Melsungen gefordert. Die Partie vom 13. Spieltag der DKB Handball-Bundesliga ist die siebte in Folge, welche die Löwen in der Fremde bestreiten – und eine der anspruchsvollsten noch dazu.

Melsungen gilt nicht zuletzt wegen solcher Hünen wie den Müller-Brüdern Michael und Philipp als härteste Mannschaft der Liga und hat vor der Saison in dieser Hinsicht sogar noch einmal nachgelegt. Quasi im Dreierpack wurden die deutschen Nationalspieler und EM-Helden Julius Kühn, Finn Lemke und Tobias Reichmann verpflichtet – was die Konkurrenz nicht zu Unrecht als Angriff auf die Liga-Spitze wertete. „Melsungen kommt über eine gute, körperbetonte Abwehr mit einem starken Innenblock und zwei sehr guten Torhütern“, weiß Löwen-Coach Jacobsen, der einen besonderen Blick auf Zwei-Meter-Koloss Kühn geworfen hat: „Mit ihm haben sie einen der besten Shooter der Liga dazubekommen.“ Die Aufgabe wolle man als Kollektiv lösen: „Klar ist aber auch, dass man ihm nicht allzu viel Platz lassen sollte.“

Schwieriger Gegner, schwierige Halle

Dies gelte zudem für die exzellenten Rückraumspieler Lasse Mikkelsen und Dener Jaanimaa, die ähnlich wie Kühn einen Spielverlauf entscheidend mitbestimmen können. Dasselbe gilt für die Stimmung vor Ort: „Wir kennen das aus den vergangenen Jahren und wissen, was auf uns zukommt: ein richtig schwieriger Gegner in einer richtig schwierigen Halle.“ Melsungen sei nicht ohne Grund von vielen zum Mitfavoriten auf den Titel erhoben worden, findet Jacobsen, und erhofft sich von dem zurückliegenden Wahnsinns-Wochenende einen Schub für die kommenden Aufgaben: „Klar wäre das gut, wenn das bei uns noch ein paar zusätzliche Kräfte freisetzt. Wir haben jetzt noch ein paar richtig harte Spiele vor uns. Dabei liegt der Fokus aktuell allein auf Melsungen. Da geht es um zwei ganz wichtige Punkte in der Meisterschaft.“

Tatsächlich konnte sich die MT Melsungen in der vorderen Tabellenregion etablieren, wenngleich die Männer des ehemaligen Löwen-Trainers Michael Roth den Saisonstart fast schon traditionell in den Sand gesetzt haben. Beim TVB Stuttgart gab es gleich am ersten Spieltag eine überraschende 27:29-Niederlage. Später ließen die hoch gehandelten Nordhessen auch noch in Lemgo (26:26) und Leipzig (27:30) wichtige Punkte liegen. Was den Löwen hingegen eine Warnung sein sollte: Gegen die Top-Teams der Liga zeigte sich die MT stets von ihrer besten Seite. Am 4. Spieltag gab es zuhause gegen Kiel ein 29:25, gegen Hannover am 8. Spieltag ein 31:29, am 10. Spieltag gegen Magdeburg ein 29:27. Nur ein Spitzenspiel ging bisher zuhause verloren: Gegen die SG Flensburg-Handewitt hatte man am 6. Spieltag mit 25:30 das Nachsehen. Unter dem Strich belegen die Hessen damit Rang fünf in der Liga und stehen mit 17:7-Punkten nur zwei Minus-Zähler hinter den zweitplatzierten Füchsen aus Berlin (21:5).

Bescheidene Chefin

Hinter dem Aufschwung steht vor allem ein Name: Barbara Braun-Luedike. Für ihr Engagement bei der MT hat ihr die lokale Presse mehrere Denkmäler gesetzt und sie wahlweise zur „Patronin“, „Chefin“ und „Mäzenin“ ernannt. Um Melsungen herum ist man sich jedenfalls einig: Ohne die Frau aus einer der reichsten Familien Deutschlands gäbe es den Club in seiner jetzigen, äußerst erfolgreichen Form nicht. Sie selbst bleibt dabei äußerst bescheiden. Im jüngsten Gespräch mit dem Bezahlsender „Sky“, das in der Halbzeitpause der Partie Melsungen gegen Wetzlar live ausgestrahlt wurde, bezeichnete sich Barbara Braun-Luedike schlicht als „Mädchen für alles“.

Die Euphorie in Melsungen ist jedenfalls groß: Nach dem Derby gegen die HSG Wetzlar, das die MT souverän mit 29:22 für sich entschied, ist das Heimspiel gegen die Löwen die zweite ausverkaufte Partie in Folge. 4.300 Zuschauer wollen die Rothenbach-Halle am Donnerstagabend in einen Hexenkessel verwandeln. Zumal Duelle zwischen Melsungen und Mannheim schon traditionell von großer Brisanz geprägt sind. Unvergessen ist in dieser Reihe das Pokalspiel in der Saison 2015/16, das aufgrund eines Regelverstoßes des Schiedsrichtergespanns wiederholt werden musste. Die meisten werden sich noch gut daran erinnern: Beim Stand von 21:21 wenige Sekunden vor Schluss verzögerte Melsungens Timm Schneider das Spiel, die Schiris zeigten dem vermeintlichen Übeltäter Rot und entschieden auf Siebenmeter – nur galt diese Regel eben nicht im Pokal, sondern nur in der 1. und 2. Bundesliga. Der verwandelte Strafwurf von Uwe Gensheimer zum 22:21 blieb also folgenlos. Das Wiederholungsspiel allerdings gewannen die Löwen mit 26:23.

Statistik spricht für Löwen

Generell spricht die Statistik ganz klar für den Deutschen Meister. In 29 Vergleichen gingen die Löwen 25 Mal als Sieger vom Feld, zuletzt viermal in Folge. Die vorerst letzte Niederlage datiert auf den 21. November 2015. Vor ziemlich genau zwei Jahren gewannen die Hessen 25:23. Dass sich dies am Donnerstagabend nicht wiederholen wird, dafür wollen die Löwen durch eine konzentrierte und geschlossene Mannschaftsleistung sorgen. Ob Gedeon Guardiola für einen Einsatz bereitsteht, hängt vom Heilungsverlauf bis Donnerstag ab. Der Abwehrchef hat sich beim Spiel in Barcelona eine Verletzung am linken Knöchel zugezogen. Eine besondere Partie wird es für Momir Rnic: Der serbische Nationalspieler lief bis zur vergangenen Saison noch für die Melsunger auf und kehrt nun erstmals im Löwen-Trikot an seine alte Wirkungsstätte zurück. 

Die Partie ist das Top-Spiel am Donnerstagabend und wird live auf Sky Sport 1 übertragen.