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„Die Bundesliga ist eine riesengroße Herausforderung“

Patrick Groetzki spricht im Interview über die Königsklasse, die Meisterschaft und die „Comunio“-Gruppe der Löwen

Vor dem richtungsweisenden Spiel in der DKB Handball-Bundesliga bei der TSV Hannover-Burgdorf am Donnerstagabend um 19 Uhr (live auf Sky Sport 2) haben wir mit Patrick Groetzki gesprochen.

Patrick, ihr seid aus der Champions League ausgeschieden. Wie bewertest du – abgesehen von der unglücklichen Terminierung im Achtelfinale – die Saison in der Königsklasse?

Patrick Groetzki: Es wäre in der Vorrunde sicherlich etwas mehr möglich gewesen, vor allem wenn man sieht, dass Nantes als Tabellendritter unserer Gruppe jetzt im Viertelfinale mit Skjern keine unlösbare Aufgabe vor sich hat. Wir haben in ein paar Spielen wie in Zagreb, in Nantes oder zuhause gegen Szeged Punkte verschenkt, insofern ist es schon ein bisschen schade, dass wir nur Vierter geworden sind.

Skjern mit Ex-Löwe Bjarte Myrhol ist sicherlich die große Überraschung im Viertelfinale. Hast du noch Kontakt zu deinem ehemaligen Teamkollegen?

Groetzki: Als Bjarte noch bei uns war, haben er, Andy Schmid und ich ganz viel gemeinsam unternommen. Wir drei stehen regelmäßig in Kontakt, haben immer noch eine WhatsApp-Gruppe zusammen und verfolgen gegenseitig, was unsere Clubs so machen. Ich habe mir beide Spiele von Skjern gegen Veszprem angeschaut und mich riesig für Bjarte gefreut. Selbst nach dem Sieben-Tore-Sieg im Hinspiel hatte ich noch gedacht, dass es knapp für Skjern werden kann. Aber wie souverän sie das dann im Rückspiel gelöst haben, war schon echt stark.

Beim Topspiel in Kiel habt ihr es versäumt, einen großen Schritt Richtung Meisterschaft zu machen. Hast du mit ein wenig Abstand eine Erklärung für die Niederlage gefunden?

Groetzki: Wir haben in der ersten Halbzeit deutlich unter unseren Möglichkeiten gespielt. Das steht außer Frage. Aber gerade in der Anfangsphase gab es vier Aktionen, in denen wir ein Tor hätten machen müssen. Wenn uns das gelungen wäre, hätte es besser ausgesehen – stattdessen sind wir immer mehr ins Hintertreffen geraten. Und dann wird es in Kiel einfach schwer. Das weiß jede Mannschaft. Man muss aber auch ehrlich sagen: Der THW hat es in diesem Spiel richtig gut gemacht.

Nach der Partie in Hannover habt ihr fast drei Wochen kein Pflichtspiel. Wie gehst du ganz persönlich damit um?

Groetzki: Ich habe mein Studium, weshalb es zwangsläufig immer mal wieder Phasen gibt, in denen ich mich mit etwas anderem als Handball beschäftige, weil ich für eine Klausur lernen oder eine Hausarbeit schreiben muss. Ansonsten gehe ich eben ein bisschen häufiger in den Kraftraum (lacht).

Was ist aus deinem Plan geworden, dir ein Rennrad zuzulegen?

Groetzki: Das hat leider noch nicht geklappt. Aber für die nächsten Wochen habe ich mir fest vorgenommen, dieses Vorhaben in die Tat umzusetzen. Zuletzt war ja auch das Wetter viel zu schlecht, um sich aufs Rad zu setzen.

Du bist bereits seit elf Jahren bei den Rhein-Neckar Löwen. Wie lässt sich diese Zeit zusammenfassen?

Groetzki: Es ist richtig viel passiert. Als ich 2007 zu den Löwen gekommen bin, habe ich mir noch gar nicht so viele Gedanken darüber gemacht, wo es mal hingehen könnte. Es ging für mich eigentlich erst einmal nur darum festzustellen, ob ich den Sprung in die Bundesliga schaffen kann. Dass das so schnell geklappt hat und ich ein fester Bestandteil dieser Mannschaft werde, ist schon sehr cool. Ansonsten war es eine sehr intensive Zeit mit vielen Höhen und Tiefen. Zu Beginn waren wir häufiger nah dran, einen Titel zu gewinnen. Zum Beispiel im Europapokal der Pokalsieger, da haben wir 2008 das Finale gegen Veszprem verloren. Oder das Pokalfinale 2010 gegen Hamburg, als wir in der Verlängerung das Nachsehen hatten. Aber seit 2012 geht es trotz der verpassten Meisterschaft 2014 bergauf. Der ganze Club hat sich unglaublich gut entwickelt. Ich bin glücklich, schon so lange Teil dieses Vereins zu sein und dass ich die beste Phase in der jungen Geschichte dieses Clubs so hautnah mitgestalten darf.

Und das alles in der Nähe deiner Heimatstadt Pforzheim.

Groetzki: Es ist mir im Laufe der Zeit erst so richtig bewusst geworden, wie schön das ist. Manch einer meiner Mitspieler muss ins Flugzeug steigen und einen großen Aufwand betreiben, um seine Familie zu treffen. Das muss ich nicht. Ich weiß es wirklich zu schätzen, dass ich mir abends nach dem Training sagen kann: Okay, ich fahre jetzt mal eben nach Hause zu meinen Eltern nach Pforzheim – auch wenn es wegen der Baustellen mittlerweile ein wenig länger dauert, bis ich dort angekommen bin (lacht). Meine Eltern haben außerdem die Möglichkeit, bei jedem Heimspiel da zu sein. Und meine Schwester wohnt in Frankfurt, sie hat einen Sohn und ich sehe meinen kleinen Neffen auch ziemlich häufig. Das gibt mir unheimlich viel.

Das klingt nach einer perfekten Konstellation.

Groetzki: Ich genieße das. Denn es ist keine Selbstverständlichkeit, dass man in seiner Heimat einen Club findet, der jedes Jahr in drei Wettbewerben vertreten ist und immer um die Meisterschaft spielt. Das ist wirklich ein sehr großes Privileg, das ich da habe.

Apropos Privileg. Die Möglichkeit, einen Gegenstoß zu laufen, nimmt dir Trainer Nikolaj Jacobsen ab und zu, wenn er Andy Schmid für dich verteidigen lässt. Wie findest du das?

Groetzki: Ich denke, es ist legitim, dass ich so ehrgeizig bin und eigentlich immer auf der Platte stehen und auch gemeinsam mit den Kollegen gut verteidigen will, damit man dann die Gegenstöße laufen kann. Deswegen nervt es mich schon manchmal, wenn ich draußen sitzen muss. Andererseits weiß ich natürlich ganz genau, dass uns dieses taktische Mittel schon sehr häufig geholfen hat. Andy macht das in der zweiten Welle einfach sehr gut und wir bekommen dadurch mehr einfache Tore. Und über allem steht sowieso immer der Erfolg der Mannschaft.

Mit dem Flensburger Rasmus Lauge hat zuletzt ein Topspieler angekündigt, dass er auch wegen der immensen Belastung die Bundesliga Richtung Veszprem verlassen wird. Kannst du das nachvollziehen?

Groetzki: Ich kann das verstehen. Bei Rasmus muss man wissen, dass er in seiner Karriere schon mit vielen Verletzungen zu kämpfen hatte. In Veszprem ist die Belastung nicht so groß, es gibt nur die Champions League – da ist solch eine Entscheidung nicht vollkommen überraschend. Zumal er wahrscheinlich in Ungarn auch mehr Geld verdienen kann als in Flensburg.

Die Belastung in der Liga ist immer wieder ein Thema. Welchen Folgen wird das haben?

Groetzki: Es spielen sicherlich schon jetzt nicht mehr so viele Topstars in der Bundesliga wie noch vor einigen Jahren. Der europäische Club-Handball hat sich ein wenig verändert, es gibt nicht mehr nur wie früher die deutsche und die spanische Liga. Nun sind starke Mannschaften mit großen finanziellen Möglichkeiten aus anderen Ländern dazukommen. Aber ich sehe das nicht nur negativ.

Warum?

Groetzki: Die Nationalmannschaft profitiert von dieser Entwicklung, weil junge deutsche Spieler nun schon früher die Chance bekommen, sich in der Bundesliga zu bewähren. Ich finde auch nicht, dass es einen Grund gibt, die Situation zu dramatisieren. Meiner Meinung nach wollen die meisten guten Spieler immer noch nach Deutschland, weil die Bundesliga einfach eine riesengroße Herausforderung für jeden ist. Man muss sich jede Woche neu bewiesen, jeden Spieltag Topniveau abrufen. Das ist für viele starke Spieler immer noch sehr reizvoll.

Du bist gerade bei der Nationalmannschaft gewesen und hast dort deinen Kumpel Uwe Gensheimer getroffen, den du aus vielen gemeinsamen Jahren bei den Löwen kennst. Früher hast du ihn täglich gesehen…

Groetzki: Es ist schon etwas Besonderes, wenn wir uns bei der Nationalmannschaft treffen. Wir haben früher zusammen im gleichen Haus gelebt, sind jahrelang zusammen zum Training gefahren. Als Uwe dann nicht mehr da war, ist das zu Beginn schon ein bisschen komisch gewesen. Andererseits hat sein Wechsel nach Paris unsere Freundschaft noch einmal vertieft. Wir sehen uns seltener, wissen die gemeinsame Zeit aber sehr zu schätzen.

Du bist ein großer Fußball-Fachmann, innerhalb der Löwen-Mannschaft wird im Internet das Bundesliga-Managerspiel „Comunio“ gespielt. Wie sieht es da für dich aus?

Groetzki (lacht): Das ist ein schwieriges Thema. Nach einem starken Saisonstart bin ich ins Tabellenmittelfeld abgerutscht. Der Wechsel von Pierre-Emerick Aubameyang von Borussia Dortmund zu Arsenal London in die englische Premier League hat meinem Team leider nicht gut getan. Diesen Ausfall konnte ich bislang nicht kompensieren. Viel schlimmer ist allerdings, dass unser Physiotherapeut Sven Raab unangefochten an der Spitze steht. Das tut richtig weh.