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„Wir setzen uns bewusst hohe Ziele“

Löwen-Geschäftsführerin Jennifer Kettemann im Interview

Im Interview spricht Jennifer Kettemann, Geschäftsführerin der Rhein-Neckar Löwen, über die abgelaufene Spielzeit, die Neuzugänge und das, was man sich von der neuen Saison aus Sicht des DHB-Pokalsiegers erwartet.  

Jennifer Kettemann, die Rhein-Neckar Löwen starten in der kommenden Woche in die Vorbereitung. Wie groß ist die Vorfreude auf die neue Spielzeit?

Die ist sehr groß, auch wenn die Vorbereitung für unsere Spieler sicher nicht die beliebteste Zeit der Saison ist.

Nach zwei Meisterschaften in Folge haben die Löwen in der vergangenen Saison die fast schon sicher geglaubte Titelverteidigung noch verspielt. Wie groß war die Enttäuschung, dass es am Ende nur zur Vizemeisterschaft gereicht hat?

Die war zunächst natürlich sehr groß, auch wenn man fairerweise sagen muss, dass Flensburg schon in den vergangenen Jahren davor mit uns auf Augenhöhe war. Am Ende hatte es die SG dann auch irgendwo verdient.

Was war ihr persönlicher Höhepunkt in der vergangenen Saison?

Ganz klar der Sieg im DHB-Pokal. Erstmals ist es uns gelungen den Pokal zu gewinnen. Dieses Wochenende in Hamburg werden wir alle nie vergessen.

Nach dem Pokalsieg begann die Schwächephase in der Bundesliga, die am Ende den Titel gekostet hat. Können Sie sich das erklären?

Das ist sehr schwer zu erklären. Ich glaube, dass durch den Pokalsieg ein unheimlicher Druck von unserer Mannschaft gefallen ist. Unsere Spieler sind danach in ein mentales Loch gefallen. Die nötige Anspannung konnten wir für die restlichen Spiele in der Bundesliga nicht mehr aufrecht halten, irgendwann hat einfach auch die Kraft gefehlt. Die Spieler waren müde und besonders in den letzten Spielen haben wir Gedeon Guardiola in der Abwehr schmerzlich vermisst. So einen Ausfall kann man mal kompensieren, aber irgendwann funktioniert auch das nicht mehr.

War die vergangenen Saison dennoch ein Erfolg?

Das würde ich schon sagen. Wir haben einen Titel gewonnen, mit dem Supercup sogar zwei. Auch abseits des Spielfeldes haben sich die Rhein-Neckar Löwen positiv entwickelt. Darauf wollen wir in Zukunft aufbauen.

Was hat Sie in der vergangenen Saison enttäuscht?

Da war natürlich in erster Linie der Terminstreit zwischen den beiden Verbänden EHF und HBL. Ich hoffe sehr, dass so etwas nicht mehr passiert. Wir wollen uns nicht mehr zwischen zwei Wettbewerben entscheiden müssen und in der neuen Saison wollen wir auch in Europa angreifen.

Dabei sollen fünf Neuzugänge helfen. Wie zufrieden sind Sie mit ihren neuen Spielern Steffen Fäth, Jannik Kohlbacher, Vladan Lipovina, Jesper Nielsen und Ilija Abutovic, und gibt es vielleicht einen Spieler, den Sie besonders gerne im Kader gehabt hätten, ihn aber nicht bekommen haben?

Ich bin sehr zufrieden, weil wir uns im Rahmen unserer Möglichkeiten sehr gut verstärkt haben. Es wird leider immer Spieler geben, die sich die Rhein-Neckar Löwen nicht leisten können. Aber ich sehe uns für die kommende Saison sehr gut aufgestellt.

Gibt es einen Spieler, von dem Sie sich besonders viel erwarten?

Unseren Neuzugängen sollte man die Zeit geben, die sie brauchen. Wir erwarten hier keine Wunderdinge. Alle müssen sich erst einmal bei uns einfinden, auf- und auch neben dem Feld. Dass es uns gelungen ist mit Steffen Fäth und Jannik Kohlbacher zwei aktuelle deutsche Nationalspieler zu verpflichten macht uns sehr stolz. Beide haben das Potential, in Zukunft ein Gesicht der Rhein-Neckar Löwen zu werden.

Welcher Abgang schmerzt sie besonders?

Ich denke, hier kann man Hendrik Pekeler nennen, der sich in den letzten Jahren bei uns unglaublich und für mich zu einem der besten Spieler der Welt auf seiner Position entwickelt hat.


Nach zwei Meisterschaften, zwei Supercupsiegen und einem Pokalsieg in den letzten drei Jahren kann das Ziel für die neue Sp
ielzeit doch nur ein erneuter Titelgewinn sein?

Wir sind nicht so vermessen, dass wir jedes Jahr einen Titel fordern. Dafür muss vieles passen und ich möchte eine erfolgreiche Saison auch nicht zwingend an einem Titelgewinn festmachen. Wir werden auch wieder Zeiten haben, in denen wir mal keinen Titel gewinnen. Mir ist es wichtig, dass ich eine Entwicklung erkenne. Aber natürlich wollen wir in der kommenden Saison auch um alle Titel mitspielen. Das ist unser Antrieb und wir setzen uns damit bewusst auch hohe Ziele.

Auch wirtschaftlich haben die Rhein-Neckar Löwen zuletzt mit positiven Schlagzeilen aufgewartet. Die Altlasten sind abgetragen…

Was nicht heißt, dass wir nun groß einkaufen gehen können. Wir bewegen uns im Rahmen unserer Möglichkeiten. Dass es uns gelungen ist, diese Phase zu überstehen, ist ein großer Verdienst unserer Sponsoren und Partner, die uns auch in einer wirtschaftlich sehr schwierigen Zeit unterstützt haben. Auch unsere Spieler muss ich hier nennen. Der Zusammenhalt in unserer Mannschaft ist einzigartig. Viele haben sich klar zu den Rhein-Neckar Löwen bekannt und in der für den Club wirtschaftlich schwierigen Phase ihren Teil dazu beigetragen, dass wir uns so positiv entwickeln konnten. Das ist nicht selbstverständlich gewesen und zeigt, dass viele Leute an die Rhein-Neckar Löwen glauben.

Die kommende Saison wird das letzte Jahr von Nikolaj Jacobsen, sein Nachfolger steht bereits fest. Ab Sommer 2019 wird der schwedische Nationaltrainer Kristijan Andresson neuer Trainer der Löwen.

Ich freue mich sehr, dass wir Kristijan für die Rhein-Neckar Löwen gewinnen konnten. Er steht für den modernen Handball und war unser absoluter Wunschkandidat für die Nachfolge von Nikolaj. Nikolaj selbst wollen wir in seinem letzten Jahr mit dem größtmöglichen Erfolg verabschieden.

Wer sind die größten Konkurrenten der Löwen in der kommenden Saison beim Kampf um den Titel?

Das sind eigentlich dieselben Teams wie die letzten Jahre. Flensburg muss man als Meister nennen, auch Kiel wird sich stabilisieren und deutlich besser spielen als in der vergangenen Saison. Teams wie Melsungen oder Magdeburg werden noch näher an die Spitze heranrücken und die Füchse Berlin haben ebenfalls eine beeindruckende Entwicklung genommen.

Erwarten Sie ein ähnliches Kopf-an-Kopf-Rennen wie in der letzten Saison?

Das wird sich zeigen. Eine Meisterschaft, die erst am letzten Spieltag entschieden wird, spricht für eine starke und ausgeglichene Liga. Im Gegensatz zur Fußball Bundesliga war unsere Meisterschaft wirklich bis zum letzten Spieltag spannend.

Die DKB Handball-Bundesliga bezeichnet sich als die stärkste Liga der Welt. Verdient die HBL diese Bezeichnung noch?

Ich denke, in der Breite sind wir immer noch die stärkste Liga. Dass zuletzt drei französische Clubs im Final Four der Champions League standen sollte uns aber schon zu denken geben. Auch führt Deutschland nach zehn Jahren die Nationenwertung der EHF nicht mehr an, hier haben uns die Franzosen überholt, das müssen wir erkennen und gegensteuern.

Im kommenden Jahr findet die Handball Weltmeisterschaft in Deutschland statt. Auch die Nationalmannschaft blickt auf ein turbulentes Jahr zurück. Was trauen Sie der DHB-Auswahl bei der WM zu?

Um unsere Sportart in den Fokus der Medien und Öffentlichkeit zu rücken, benötigen wir zwingend eine erfolgreiche Nationalmannschaft. Ich hoffe auf eine erfolgreiche WM. Hier sind wir alle gefordert, die nötige Unterstützung zu liefern.