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Löwen bestehen auch in Barcelona

Palicka und Rnic führen den Meister zu einem verdienten 26:26

Eine Energieleistung hat die Rhein-Neckar Löwen zu einem 26:26 (13:13) beim FC Barcelona geführt. Am Sonntagabend erwischten die Mannheimer im Spitzenspiel des siebten Spieltages der VELUX EHF Champions League einen schwachen Start, lagen 5:1 hinten und schafften dann Stück für Stück die Wende. In der zweiten Halbzeit führten die Löwen zwischenzeitlich gar mit vier Treffern. Am Ende kämpfte sich Barcelona wieder zurück in die Partie, das Remis war letztlich ein gerechtes Resultat. Bester Werfer beim Deutschen Meister war Momir Rnic (8), beim spanischen Meister Dika Mem (7). Andreas Palicka hielt mit 15 Paraden den Punkt fest und sammelte genauso viele gehaltene Würfe wie sein Gegenüber Perez de Vargas. Die Partie war packend bis zum Schlusspfiff und hielt vor allem kämpferisch und taktisch alles, was ein Spitzenspiel versprechen kann.

Löwen-Spielmacher Andy Schmid sprach nach den 60 Minuten von Barcelona von großer Müdigkeit – nach zwei Spielen in zwei Tagen inklusive Reise von Leipzig nach Katalonien: „Wir haben uns zunächst zurückgekämpft und müssen dann fast enttäuscht sein, dass wir nach vier Toren Führung Unentschieden spielen.“ Am Ende habe man vor allem viel Willen und viel Kampfgeist gesehen sowie in beiden Tagen zwei überragende Torhüter: „Andreas Palicka und Mikael Appelgren sind einfach Weltklasse.“ Oli Roggisch zeigte sich tief beeindruckt von seiner Mannschaft: „Dass man in Barcelona einen Punkt mitnimmt, ist schon sehr selten. Dass man dies unter solchen Voraussetzungen schafft, ist schier unglaublich. Wir hatten eine unfassbare Torhüterleistung durch Andreas Palicka, zudem eine starke Abwehr. Da muss man allen Spielern und dem Trainerteam riesigen Respekt zollen.“ Löwen-Trainer Nikolaj Jacobsen widersprach seinem Sportlichen Leiter erwartungsgemäß nicht: „Wir sind unendlich stolz auf die Jungs, auf diesen einen verdienten Punkt. Am Ende war die Luft ein bisschen raus, haben wir zu viele Fehler gemacht. Letztlich haben uns die Abwehr und eine unglaubliche Leistung von Andreas Palicka das Unentschieden gerettet.“

Für die Löwen war es das sechste Auswärtsspiel in Folge – und mit Blick auf die Startvoraussetzungen das bisher schwierigste. Keine 24 Stunden nach dem Schlusspfiff in Leipzig (29:23-Sieg in der DKB Handball-Bundesliga) standen sie in Barcelona wieder auf der Platte – und das vor einem der schwersten Auswärtsspiele, welche die Königsklasse zu bieten hat. Die Startformation änderte Coach Nikolaj Jacobsen wie angekündigt nahezu komplett. Nur Andy Schmid führte wie gewohnt Regie, ansonsten schenkte der dänische Meistertrainer frischen und in Leipzig bewusst geschonten Kräften das Vertrauen. So bekamen Harald Reinkind, Bogdan Radivojevic, Jerry Tollbring, Filip Taleski, Kristian Bliznac, Momir Rnic und Rafael Baena die Chance, sich auf allerhöchstem Niveau zu bewähren. Im Tor stand Andreas Palicka. Zudem setzte Jacobsen in der Offensive durchgehend auf das bisher probate Mittel des siebten Feldspielers.

Löwen kommen schlecht ins Spiel

Denkbar schlecht verlief die Anfangsphase aus Löwen-Sicht. Nach drei Minuten stand es 3:0 für Barcelona, darunter ein Wurf ins leere Tor. Mehr als vier Minuten brauchten die Gelben, um durch Momir Rnic zum ersten Torerfolg (3:1) zu kommen. Weil Barca-Schlussmann Perez de Vargas einen Sahnestart erwischte und gegen Rnic gleich zweimal in Folge zur Stelle war, zudem Barcelona vorne eiskalt agierte, stand es nach sieben Minuten bereits 5:1 für die Katalanen. Viel erinnerte an das Hinspiel, in dem die Löwen zur Halbzeit mit sechs Toren hinten lagen und lange brauchten, um sich gegen den abgezockten FCB frei zu spielen. Baena verkürzte immerhin auf 5:2, Rnic auf 5:3. Dann aber traf Morros beim 6:3 zum dritten Mal in den verwaisten Löwen-Kasten. Zu viele Chancen ließen die Mannheimer liegen, zu cool nutzte Barcelona diese Schwäche aus. Generell lief der Angriff des Gastgebers auf Hochtouren, fand die Jacobsen-Truppe in der Abwehr keinen Zugriff auf die gnadenlos Richtung Tor ziehenden Blau-Roten. Immerhin kam Momir Rnic immer besser ins Spiel, erzielte in der 16. Minute seinen dritten Treffer und verkürzte auf 9:7.

Nach einer Viertelstunde brachte Barcelona den neuverpflichteten Weltklasse-Mittelmann Aron Palmarsson. Dessen ersten Wurf parierte Andreas Palicka, im zweiten Anlauf traf der Isländer beim Wurfversuch aufs leere Tor den Pfosten. Das Spiel wogte hin und her, Löwen-Coach Jacobsen nahm bei 10:8 für Barca die erste Auszeit. „Wir lassen zu viele Chancen aus“, sagte Jacobsen seinen Spielern und lobte den ansonsten soliden Auftritt. Tatsächlich hatten sich die Mannheimer Mitte der ersten Hälfte in die Partie gearbeitet, verschoben in der Abwehr deutlich schneller und geschlossener. Vorne setzte weiter Rnic die Akzente, netzte beim 11:9 zum vierten Mal ein. Als Radivojevic nach Klasse-Parade von Palicka auf 11:10 stellte, waren die Löwen dran, doch Palmarsson sorgte postwendend für das 12:10. Mit Palicka und etwas Glück blieben die Löwen dran, Radivojevic markierte das 12:11, kassierte aber auch die erste Zwei-Minuten-Strafe der Partie. In Unterzahl stand erst der Löwen-Block, dann erzielte Patrick Groetzki das 13:12. Eine Minute vor der Halbzeit war die Begegnung ein Vergleich auf Augenhöhe – eine stolze Kraft- und Willensleistung des zweifachen Deutschen Meisters. Dass es schließlich dank einer tollen Einzelleistung von Rnic mit 13:13 in die Halbzeitpause ging, war aus Löwen-Sicht mehr als ordentlich und lag unter anderem auch an Andreas Palicka, der nach 30 Minuten auf acht Paraden und eine Super-Quote von 38 Prozent kam.

Barcelona kämpft um die Punkte

Auf Zuspiel von Rnic traf Baena direkt nach der Pause zur ersten Löwen-Führung (13:14), in der Halle waren Anfeuerungsrufe der mitgereisten Fans zu hören. In diese hinein schloss Gedeon Guardiola einen Gegenstoß zum 13:15 ab. Schmid antwortete auf den ersten Barca-Treffer in Durchgang zwei mit dem 14:16. Die Abwehr der Gelben stand jetzt richtig gut, der Innenblock Guardiola/Bliznac funktionierte blendend und Barcelona tat sich unheimlich schwer, an die flüssige Offensivleistung der ersten 20 Minuten anzuknüpfen. Der kurzzeitig eingewechselte Hendrik Pekeler stellte nach Schmid-Zuspiel auf 14:17 – und das in Unterzahl. Per Siebenmeter ließ Schmid das 14:18 (38.) folgen, Guardiola mit ganz feinem Dreher das 15:19 (39.). Jetzt war auch Palicka wieder voll da, nahm zwei freie Würfe weg, kassierte dann aber das 17:19 durch N’guessan. Die zweite Wurfmaschine im Barca-Rückraum, Dika Mem, verkürzte auf 18:20 (42.) und brachte den katalanischen Renommier-Club wieder näher ran. Wie schon im Hinspiel war es Andreas Palicka, der entscheidende Impulse für die Löwen setzte. Gegen Mem machte der Schwede das Dutzend an Paraden voll. Jacobsen justierte in einer Auszeit nochmals nach, doch Baena scheiterte an Perez de Vargas, der damit ebenfalls seinen zwölften gehaltenen Wurf feiern konnte.

Mit 19:20 aus Sicht des FC Barcelona ging es in die Schlussviertelstunde. Die begann mit einem Paukenschlag: Schmid servierte Reinkind einen punktgenauen Kempa-Pass, der Norweger markierte spektakulär das 19:21. Danach trafen Mem und Rnic, ehe Palicka gegen Palmarsson einen Körpertreffer verbuchte – und zur allgemeinen Verblüffung diesen ziemlich locker wegsteckte. Zudem hatte er zum 13. Mal gehalten und die Löwen die Chance, auf drei Tore wegzuziehen. Rnic nutzte diese und traf zum 20:23 (47.). Der Serbe machte sein bisher bestes Spiel im Löwen-Trikot, beim 21:24 steuerte er bereits sein achtes Tor bei. Doch die Blau-Roten hielten dagegen und kamen mit zwei schnellen Treffern auf 23:24 ran. Zehn Minuten vor Schluss bahnte sich die Wiederholung des Krimis aus dem Hinspiel an (31:31), zumal Morros das 24:24 erzielte. Jacobsen nahm die Auszeit, brachte Mensah als frische Kraft im Rückraum und Pekeler am Kreis, stellte außerdem auf einen 6-Mann-Angriff um. Zu viele Treffer ins leere Tor hatte seine Mannschaft kassiert. Das Ergebnis: Schmid wuchtete zweimal ein, Palicka hält bravourös, die Löwen lagen wieder mit zwei Treffern vorn (24:26). Jetzt bat FCB-Trainer Fuertes seine Jungs zum Gespräch und wies verstärkt auf das gegnerische Kreisspiel mit Schmid und Pekeler hin – inklusive offensiver Deckungsformation mit Entrerrios auf vorgezogenem Posten.  

Auch diese Auszeit zeigte Wirkung: Mems siebtes Tor brachte den Anschluss zum 25:26 (54.), das Kreisanspiel der Löwen misslang und Tomas besorgte den Ausgleich. Jetzt wurden die Anhänger der Blau-Roten wach, machten ordentlich Lärm. Eine Schrecksekunde erlebten die Mannheimer, als Gedeon Guardiola umknickte und sich vor Schmerzen die Hände vors Gesicht hielt. Für ihn rückte Filip Taleski in den Innenblock. Harald Reinkind sorgte defensiv für Aufsehen, nahm den Katalanen zwei Bälle nacheinander ab. 36 Sekunden vor Schluss beim Stand von 26:26 nahm Fuertes seine letzte Auszeit, um den finalen Spielzug für die Gastgeber anzusagen. Der Plan ging nicht auf –  Palicka war da und hielt genauso wie Perez de Vargas den allerletzten Versuch von Andy Schmid. Mit 26:26 feierten die Mannheimer einen Punkt, der sich wie ein Sieg anfühlt.

FC Barcelona – Rhein-Neckar Löwen 26:26 (13:13)

FCB: Perez de Vargas, Ristovski – Tomas (1), Raul Entrerrios (2), Sorhaindo (1), Aleix Abello, Aitor Ariño (1), Valero Rivera (3/1), N’guessan (4), Syprzak (1), Alexis Borges, Dolenec, Dika Mem (8), Morros (2), Lenne, Jallouz (1), Palmarsson (2)

RNL: Appelgren, Palicka – Tollbring, Sigurdsson, Groetzki (1), Radivojevic (2), Schmid (5/1), Pekeler (1), Guardiola (3), Bliznac, Reinkind (3), Mensah, Rnic (8), Taleski, Baena (3), Petersson

Trainer: Xavier Pascual Fuertes – Nikolaj Jacobsen

Schiedsrichter: Dalibor Jurinovic, Marko Mrvica (Kroatien)

Zeitstrafen: Morros (2) – Radivojevic (2), Guardiola (2)  

Siebenmeter: 2 – 1

FCB: Palicka hält Siebenmeter von Rivera (23.)

Beste Spieler: Perez de Vargas, Mem, Syprzak – Palicka, Rnic, Reinkind

Spielfilm: 1:0, 3:0, 3:1, 5:1, 5:3, 6:4, 7:5, 8:6, 10:7, 11:8, 11:10, 12:11, 13:12, 13:13 (Halbzeitpause), 13:15, 14:17, 15:19, 18:20, 19:21, 20:23, 21:24, 24:24, 25:26, 26:26 (Abpfiff)