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Spiel verloren – Respekt gewonnen: Löwen vor dem CL- Aus

Deutliche 17:41 (8:21) Niederlage im Hinspiel des Champions-League-Achtelfinals

Die Rhein-Neckar Löwen stehen in der diesjährigen VELUX EHF Champions League vor dem Aus. Der Deutsche Meister verlor das Hinspiel im Achtelfinale beim polnischen Serienmeister und Sieger der Königsklasse von 2016 mit 17:41 (8:21) und geht damit mit einem 24-Tore-Rückstand in das Rückspiel am Ostersonntag in der SAP Arena.

„Wo ist Andy Schmid, und wer von denen auf dem Feld ist Linkshänder?“ Kielces Spielmacher Uros Zorman staunte nicht schlecht, als er die Hala M.O.S.I.R. zum Aufwärmen vor dem heutigen Champions-League Spiel betrat. Der Slowene erkundigte sich beim Betreuerstab der Löwen über seine Gegenspieler der heutigen Partie, er kannte nämlich niemand, der da da heute im Trikot der Löwen auflief. Und damit stand Zorman nicht alleine da.Bis zuletzt war man in Kielce davon ausgegangen, dass die Löwen wohl doch noch mit ihrer ersten – oder zumindest einer durch Profis verstärkten Mannschaft auflaufen würden. „Wir haben uns voll auf die erste Mannschaft vorbereitet“, berichtet Zorman von zahlreichen Videoanalysen. „Ich habe mir die ganze Woche Videos von Anspielen von Andy Schmid ansehen müssen und jetzt ist er gar nicht hier“, war der Mittelmann von Kielce schon etwas überrascht, hatte aber auch seine eigene Meinung zum Terminchaos beim Deutschen Meister mit zwei Spielen am heutigen Tag. „Eigentlich haben heute alle verloren. Die Löwen, weil sie hier heute nicht gewinnen werden, die Handballfans, weil sie es verdient haben ein Spitzenspiel zu sehen was man in einem Achtelfinale der Champions League eigentlich erwarten kann und auch wir. Denn es ist auch nicht unser Anspruch, gegen eine zweite Mannschaft in einer KO-Phase der Champions League zu spielen, das kann eigentlich niemand wollen“, so der Spielmacher der Gastgeber vor der Partie. Linkshänder Krzystof Lijewski, selbst ein ehemalige Spieler der Löwen hatte sich eigentlich auf „ein paar bekannte Gesichter“ gefreut. Doch auch Lijewski kannte kaum jemand im heutigen Kader des Deutschen Meister, hatte nach dem Spiel aber umso mehr Respekt vor der heutigen Leistung der Löwen. „Diese junge Truppe hat das heute richtig gut gemacht. Das spricht für die ausgezeichnete Jugendarbeit der Löwen. Ich persönlich habe großen Respekt vor der Entscheidung des Clubs hier heute die zweite – und die erste Mannschaft nach Kiel zu schicken“, so Lijewski.

Aufgrund der von der EHF und HBL verursachten Terminproblematik traten die Löwen in Polen mit ihrer zweiten Mannschaft an, während die Bundesligamannschaft beim Spitzenspiel in Kiel im Einsatz war und ebenfalls verlor. Bester Werfer für die Junglöwen, die trotz der überdeutlichen Niederlage gegen den Topfavoriten eine engagierte Vorstellung ablieferten war Rico Keller mit fünf Toren.

„Es kling schon komisch, wenn man als Trainer nach einer 17:41 Niederlage eigentlich zufrieden ist. Aber ich kann meinen Jungs heute keinen Vorwurf machen. Wir haben teilweise richtig guten Handball gespielt und viel aus unseren Möglichkeiten gemacht. Ein paar Bälle haben wir sinnlos weggeschmissen. Am Ende ist die Niederlage vielleicht sogar etwas zu hoch ausgefallen, auch wenn wir gegen eine Weltklassemannschaft wie Kielce natürlich chancenlos sind. Das haben wir auch vor dem Spiel realistisch eingeschätzt“, sprach Michel Abt, Trainer der 2. Mannschaft nach seinem ersten Champions-League Auftritt als Trainer.

Mit vier A-Jugendlichen war der Nachwuchs des Deutschen Meister nach Polen angereist, während die Bundesligamannschaft beim Spitzenspiel in der DKB Handball-Bundesliga im Einsatz war. Doch die Nachwuchstruppe der Löwen spielte in Kielce von Beginn an frech auf, zeigte vor dem übermächtigen Gegner weniger Respekt und machte das Beste aus ihren spielerischen Möglichkeiten. Tim Ganz erzielte mit einem Strafwurf das erste Tor für die Löwen, die bis zum 3:4 Rückstand das Spiel in den ersten Minuten sogar ausgeglichen gestalten konnten. „Für uns war das heute eine ganz merkwürdige Situation, wir wussten bis zum Aufwärmen eigentlich nicht, welche Mannschaft da heute auf dem Feld steht. Ich konnte mich mit meiner Mannschaft deshalb gar nicht richtig auf die heutige Partie vorbereiten. Ich kenne die Spieler eigentlich alle nicht, aber es spricht für die ausgezeichnete Nachwuchsarbeit der Löwen, was für eine Truppe da heute auf dem Feld stand“, sprach Kielces Trainer Talant Dujshebaev nach dem Spiel und äußerte sich auch zum Terminchaos. „Für mich ist es unbegreiflich, dass ein Achtelfinale unter solchen Bedingungen ausgetragen wird. Die Löwen haben das Beste aus der Situation gemacht, dafür gebührt ihnen Respekt. Aber die Verbände sollten sich ihrer Verantwortung für unsere Sportart bewusst sein. Niemand ist glücklich heute, auch wir nicht, selbst wenn wir gewonnen haben“, so der ehemalige Welthandballer.

Nach 22 Minuten hatte seine Mannschaft beim 16:6 die erste Zehn-Tore Führung herausgeworfen, doch die Löwen fanden immer wieder die Lücke in der Abwehr der polnischen Spitzenmannschaft. Besonders über den Kreis kamen die Badener zur Freude der mitgereisten Fans immer wieder zum Torerfolg oder holten einen Siebenmeter heraus. „Wir haben gut gespielt und sollten immer bedenken, wer bei uns heute auf dem Feld gestanden hat. Körperlich liegen zwischen uns und Kielce Welten“, so Spielmacher Rico Keller, der souverän Regie führte und selbst immer wieder mit Einzelaktionen für Torgefahr sorgte.

Nach dem 21:8 Halbzeitstand benötigte Kielce nur fünf Minuten in der zweiten Hälfte um bei 25:10 den Vorsprung erstmals auf 15 Treffer zu schrauben. Der individuellen Klasse der Polen hatten die Junglöwen besonders in der zweiten Welle nichts entgegenzusetzen. Am Ende siegte der Champions League Sieger aus dem Jahr 2016 erwartungsgemäß mit 41:17 (21:8). Damit gehen die Löwen mit einem 24-Tore-Rückstand in das Rückspiel am Ostersonntag um 19 Uhr in der SAP Arena. Auch wenn dann wieder der Profikader des Deutschen Meister auflaufen wird, dürfte der Rückstand für ein Weiterkommen zu hoch sein. „Wir wollen im Rückspiel einfach ein gutes Spiel machen, das sind wir unseren Fans und auch unserer 2. Mannschaft schuldig“, sprach Spielmacher Andy Schmid, der die Niederlage in Polen mit seinen Kollegen in Kiel am TV verfolgte, ehe er wenig später auch in der Bundesliga dem THW Kiel unterlag.

PGE Vive Kielce – Rhein-Neckar Löwen 41:17 (21:8)

PGE Vive Kielce: Szmal, Walach; Jurecki (7), Dujshebaev (5), Kus, Aguinagalde (1), Bielecki (3), Jachlewski (4), Strlek (7), Janc (3), Lijewski (3), Jurkiewicz (2), Zorman (1), Mamic (1), Bombac, Djukic (4)

Rhein-Neckar Löwen: Bauer, Jahnke, Boudgoust; Zweigner, Bechtold, Braun (3), Wichmann, Röller (3), Trost (2), Schmiedt, Meyer, Ganz (4), Keller (5)

Trainer: Talant Dujshebaev – Michel Abt

Schiedsrichter: Badura / Ondogrecula (SVK)

Strafminuten: Jachlewski (2), Mamic (4), – Zweigner (4), Bechtold (4), Ganz (2), Keller (2)

Siebenmeter: 5/4 – 5/4

Zeitstrafen: 3 – 6

Zuschauer: 4000