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Kein Happy End

Löwen verlieren Handball-Krimi mit 23:24 gegen Melsungen und damit wahrscheinlich die Meisterschaft

Bitter ohne Ende: Durch ein 23:24 (15:13) gegen die MT Melsungen haben die Rhein-Neckar Löwen am Donnerstagabend womöglich die Meisterschaft verspielt. Nach der Niederlage rangiert der Titelverteidiger in der DKB Handball-Bundesliga auf Platz zwei, einen Punkt hinter der SG Flensburg-Handewitt. Zwei Spieltage vor Saisonschluss ist die Truppe von Nikolaj Jacobsen nun auf Schützenhilfe angewiesen. Dabei gaben die Löwen-Fans unter den 8789 Zuschauern in der SAP Arena alles, peitschten ihre Mannschaft 60 Minuten nach vorne. In den entscheidenden Momenten aber versagten den Spielern die Nerven, machten sie Melsungens Schlussmann Nebojsa Simic mit jedem Fehlwurf stärker und mussten am Ende den starken Hessen den Vortritt lassen.

„Ich kann meiner Mannschaft keine großen Vorwürfe machen, eigentlich haben wir heute sehr viel richtig gemacht. Nur am Ende vergeben wir zu viele Würfe und Melsungens Simic fängt an, richtig gut zu halten. Wir sind natürlich riesig enttäuscht“, sagte Löwen-Trainer Nikolaj Jacobsen nach der Partie. Er mache sich jetzt keine Hoffnungen mehr auf den Titel. „Wir haben es nicht mehr in den eigenen Händen.“ Oliver Roggisch, der Sportliche Leiter der Löwen, sagte: „Es tut unfassbar weh, aber schon übermorgen müssen wir wieder nach vorne schauen. Wir wollen jetzt Platz zwei sichern und damit die Qualifikation zur Champions League.“ Die Löwen-Spieler verabschiedeten sich mit hängenden Köpfen von der Platte. Das Gesicht in den Händen vergraben, hatten sie zuvor minutenlang auf dem Feld verharrt, es offensichtlich wie ihr Sportlicher Leiter nicht fassen können. In eigener Halle den Titel so gut wie verspielt zu haben – damit hatte trotz der Schwere der Aufgabe keiner gerechnet.

Start nach Maß mit starkem Groetzki

Rein ins Spiel: Der Löwen-Start kann sich sehen lassen. Kim Ekdahl Du Rietz setzt seinen ersten Block, die gut verschiebende Abwehr provoziert einen Fehlpass und Patrick Groetzki versenkt den Gegenstoß in rasender Geschwindigkeit zum 1:0. Überhaupt Patrick Groetzki: Nach seiner schlechten Leistung vor einer Woche in Erlangen präsentiert sich der Löwen-Rechtsaußen in Galaform. Neben drei Toren überzeugt er in Durchgang eins mit einem Zauberpass an den Kreis zu Hendrik Pekeler (16., 7:6), sorgt mit seinen entschlossenen Einlauf-Aktionen immer wieder für Verwirrung in der gegnerischen Defensive. Weil aber auch die Melsunger zunächst in der Offensive überzeugen und mit der ungewohnten Variante mit zwei Kreisläufern und drei Rückraumspielern (ohne Rechtsaußen) den Löwen zu schaffen machen, dauert es bis zur 18. Minute, ehe sich die Gastgeber erstmals absetzen können. Ausgerechnet als Melsungens Trainer Heiko Grimm den siebten Feldspieler bringt, zündet die Löwen-Abwehr, gelingen die ersten Ballgewinne und zwei schnelle Treffer. Wieder ist es Groetzki, der schnell schaltet und Gudjon Valur Sigurdsson mit einem Risikopass das 10:7 auflegt (20.). Der Linksaußen steht seinem Kollegen auf der anderen Außenbahn in nichts nach, versenkt beide Siebenmeter und steuert vier Treffer zur 15:13-Pausenführung der Löwen bei.

Dass es so eng zugeht in der superlauten SAP Arena, liegt vor allem an der Offensiv-Taktik der Melsunger. Die spielen ihre Angriffe extrem lange aus und legen ihr Schicksal dann meistens in die Hände von Julius Kühn. Der Shooter, zweitbester Schütze der Liga, kommt mit seinen gewaltigen Würfen immer wieder durch die Abwehr und an Mikael Appelgren vorbei. Zur Pause hat der Nationalspieler schon ein halbes Dutzend Mal getroffen. Wesentlich breiter aufgestellt zeigt sich die Abteilung Attacke bei den Löwen, wo sich das Traumduo Andy Schmid / Hendrik Pekeler wieder wesentlich öfter findet als noch während der beiden letzten Auftritte. Alex Petersson mit seinen berüchtigten Slalomläufen trifft genauso wie Pekeler dreimal und sorgt mit dafür, dass die Löwen zur Halbzeit alle Chancen auf den so wichtigen Heimsieg haben.

Baena wühlt sich durch

Nach der Pause erwischen die Löwen wieder einen Superstart: Rafael Baena zieht gegen Gabor Langhans zwei Minuten, trifft dabei zum 16:13 – und markiert direkt sein Revier. Als Sigurdsson cool per Heber das 17:14 (33.) markiert, sind die Löwen voll im Spiel. Doch wie schon in der ersten Halbzeit versäumen sie es, das Momentum zu nutzen, sich weiter als auf drei Tore abzusetzen, die Partie vorzeitig in die richtigen Bahnen zu lenken. Stattdessen arbeiten sich die Melsunger zurück ins Spiel, der eingewechselte Schneider stellt beim 17:16 den Anschluss her. Baena, der Dauerwühler, setzt ein Zeichen, indem er den riesigen Finn Lemke quasi auf die Schulter nimmt, sich mit diesem dreht und den Ball zum 18:16 ins Tor wuchtet. Wieder gibt es zwei Minuten gegen die MT, und wieder verpassen die Löwen die Möglichkeit, sich vorentscheidend abzusetzen. Dabei ist jetzt Mikael Appelgren voll da, nimmt ein paar wichtige Würfe weg. Beim 20:17 18 Minuten vor Schluss nimmt Melsungens Heiko Grimm eine Auszeit, bringt den siebten Feldspieler. Doch gegen den aufgedrehten Appelgren finden die Hessen kein Mittel, in zwei Minuten nimmt der Schwede vier freie Würfe weg. Weil aber auch Simic auf MT-Seite jetzt zur Hochform aufläuft, bleiben die Gäste dran. Mit Glück und Gewalt bringt Julius Kühn beim 21:20 den Anschlusstreffer in den Maschen unter, danach steht die Partie auf der Kippe.

In der 51. Minute hält Simic, der Teufelskerl, einen freien Wurf von Mensah. Der Däne macht den Fehler wieder gut, bedient Baena am Kreis mustergültig. Es steht 22:21 – und dann hält der für Appelgren eingewechselte Andreas Palicka einen Wurf von Kühn. Wieder vergeigen es die Löwen in der Offensive, Lemke macht das 22:22. Jetzt ist es eine Nervenschlacht. Eine, die die Löwen an ihre Grenzen bringt. Ekdahl Du Rietz wirft nach Ballgewinn von Sigurdsson am leeren Tor vorbei. Lemke erzielt als siebter Feldspieler am Kreis das 22:23. Sigurdsson kann noch einmal ausgleichen, behält gegen Simic die Ruhe. Weil aber Mikkelsen anschließend frei durch die Abwehr marschieren darf und die Löwen im letzten Angriff keine zündende Idee mehr haben, endet das Spiel mit 23:24, enden die Meisterträume der Rhein-Neckar Löwen, die jetzt nur noch mit Schützenhilfe von Lübbecke oder Göppingen – beide spielen noch gegen Spitzenreiter SG Flensburg-Handewitt – den Titel verteidigen können.

Rhein-Neckar Löwen – MT Melsungen 23:24 (15:13)

Rhein-Neckar Löwen: Appelgren, Palicka; Schmid, Bliznac, Sigurdsson (7/2), Radivojevic, Baena (3), Tollbring, Mensah (1), Pekeler (3), Groetzki (3), Reinkind, Taleski, Petersson (4), Ekdahl Du Rietz (2)

MT Melsungen: Sjöstrand, Simic; Kühn (9), Lemke (2), Golla (2), Mikkelsen (1), Danner, P. Müller, Boomhouwer (2), Schneider (1), Allendorf, M. Müller (3), Haenen (2), Langhans, Maric (2)

Trainer: Nikolaj Jacobsen – Heiko Grimm

Schiedsrichter: Robert Schulze / Tobias Tönnies

Siebenmeter: 2/2 – /

Zeitstrafen: 2 – 3

Strafminuten: Mensah (2), Ekdahl Du Rietz (2) – Kühn (2), Lemke (2), Langhans (2)

Zuschauer: 8789

Spielfilm: 1:0, 1:1, 2:1, 2:2, 3:2, 3:3, 5:3, 5:4, 6:4, 6:6, 7:6, 7:7, 10:7, 10:8, 12:9, 13:10, 14:12, 15:13 (HZ), 17:15, 18:16, 20:17, 21:19, 21:20, 21:21, 22:21, 22:22, 22:23, 23:23, 23:24 (EN)