Am Sonntag kommt Frisch Auf! Göppingen
„Vorher wollen wir aber erst einmal zwei Punkte einfahren“, so Schmid, und auch Trainer Nikolaj Jacobsen hofft, dass er gegen die Schwaben morgen nicht so lange zittern muss, wie in den letzten Spielen, als seine Mannschaft mehrmals eine deutliche Führung verspielte. „Das wollen und werden wir besser machen“, so Jacobsen, der genau wie sein Gegenüber weiß, dass Handball manchmal so einfach sein kann. „Ball nach da, dann nach da und schließlich dorthin. Fertig. Punkt“, beschreibt etwa Magnus Andersson seine aktuelle Spielidee. Doch der Trainer von FRISCH AUF! Göppingen hat nicht etwa aus philosophischen Gründen zur Simplifizierung des Spiels aufgerufen, sondern eher aus der Not heraus. Dem amtierende EHF-Cup-Sieger, der sich am morgigen Sonntag in der SAP Arena im Landes-Derby mit den Rhein-Neckar Löwen misst, ist schließlich das Herz seines Angriffs abhandengekommen.
Vor allem deshalb versuchen die Schwaben derzeit, sich auf die einfachen Dinge zu konzentrieren, um halbwegs in der Spur zu bleiben. Kalendarisch festmachen lassen sich die aktuellen Probleme der Göppinger am 11. September. Zwar setzte sich an diesem Sonntag FRISCH AUF! mit 32:25 bei Aufsteiger GWD Minden durch, doch der Sieg in Ostwestfalen wurde teuer bezahlt: So zog sich Ex-Löwe Zarko Sesum einen Bänderriss im linken Knöchel zu, bei Nationalspieler Tim Kneule war auf der rechten Seite zudem noch das Syndesmoseband betroffen. Nach dem Wechsel von Michael Kraus zum schwäbischen Rivalen TVB Stuttgart stand Göppingen plötzlich ohne einen einzigen erfahrenen Spielmacher da, weil sich zu allem Übel auch noch Nachwuchsmann Jona Schoch verletzte.
„Es ist schwer ohne Spielmacher – auch im Training“, berichtete Trainer Andersson von den Übungseinheiten. Zum Übergangsregisseur wurde zwischenzeitlich Linkshänder Adrian Pfahl umgeschult, gleichzeitig versuchten die Grün-Weißen, sich über klare Abläufe zu stabilisieren. „Es ist wichtig, dass wir jetzt analysieren, was wir mit den zur Verfügung stehenden Spielern spielen können. Dass wir drei, vier Sachen einstudieren, die wir über die gesamte Spielzeit gut machen können“, gab Coach Andersson die Marschroute vor. Für den Schweden, der als ehemaliges „Hirn“ der schwedischen Nationalmannschaft sonst immer die Kreativität seiner Spieler fördert und fordert, sicher kein einfacher Schritt.
Abgesehen vom Verletzungspech zum Saisonstart hat der 1896 gegründete Traditionsklub für dieses Vorhaben beste Voraussetzungen geschaffen. Der Etat der Erstliga-Mannschaft konnte von fünf Millionen Euro um weitere 200 000 Euro gesteigert werden. Eine breitere Gesellschafterstruktur und mehr Premium-Partner glichen den Wegfall des Hauptsponsors – der Energieversorger EnBW kündigte 2012 – inzwischen aus. Zudem ist Handball in Göppingen weiter „in“. 3370 verkaufte Dauerkarten für die Saison 2016/2017 bedeuten einen Rekord, insgesamt rechnen die Göppinger im Schnitt mit 4850 Fans in der atmosphärischen EWS Arena. Dennoch bleibt der neunfache Deutsche Meister auf dem Teppich, was auch an der Personalpolitik abzulesen ist. Den Wechsel von „Mimi“ Kraus nach Stuttgart und den Abgang von Kevynn Nyokas nach Gummersbach beantworteten die Schwaben keinesfalls mit einer größeren Einkaufstour, sondern stellten vor der Saison eigentlich nur Linkshänder Jens Schöngarth vom SC Magdeburg als namhaften Neuzugang für den rechten Rückraum vor. Der 2,03-Mann aus der Ortenau kehrt damit über die Stationen Melsungen, Lübbecke und Magdeburg wieder nach Baden-Württemberg zurück, was auch die Familie des „Shooters“ von der rechten Seite freut. Da die Anfahrtswege nun nicht mehr so weit sind, kann sich Schöngarth auf einen persönlichen Fan-Klub freuen. „Meine Eltern werden zu jedem Heimspiel kommen. Die Euphorie bei meiner Familie ist groß und sie haben Dauerkarten gekauft. Meine Schwester, mein Onkel und meine Tante werden auch so oft wie möglich kommen“, verrät der der 27-Jährige, der auf der rechten Seite aber ebenfalls ziemlich auf sich alleine gestellt ist.
Nachdem sich Adrian Pfahl aus bekannten Gründen zuletzt vornehmlich um die Spielgestaltung im Zentrum kümmern musste, hat es nun nämlich auch noch den hoffnungsvollen Youngster Sebastian Heymann erwischt. Der 1,98 Meter große Jugend-Nationalspieler, der bei seinem Bundesliga-Debüt in Minden mit sechs Treffern überzeugte, zog sich im Training bei Kooperationspartner Heilbronn-Horkheim einenBänderriss zu und fällt ebenfalls länger aus. Göppingen scheint das Verletzungspech gepachtet zu haben. Gut möglich, dass Trainer Magnus Andersson dementsprechend noch etwas länger nach dem Schema „Ball nach da, dann nach da und schließlich dorthin“ spielen lassen muss.