Rhein-Neckar Löwen

Eine „Abwehrschlacht“ und ein Nervenspiel

Mannheim. Es war das erwartet prickelnde Duell – mit viel Kampf, formidablen Torhüterleistungen hüben wie drüben und mit jeder Menge Emotionen. So wie in der allerletzten Szene des Handball-Bundesliga-Topspiels zwischen den Rhein-Neckar Löwen und dem THW Kiel, als Siarhei Harbok den Freiwurf ausführte und Kim Andersson unabsichtlich im Gesicht traf. Somit blieb es beim 22:23 (11:9) für die „Nordlichter“, die zwar nicht die bessere Leistung, aber in den entscheidenden Szenen ein stabileres Nervenkostüm zeigten. Danach kam es zur Rudelbildung auf der „Platte“ und zu manch einem heftigen Wortgefecht. Die Rivalität zwischen den Besten aus dem Südwesten und der „Übermannschaft“ von der Ostsee, die keine mehr ist, lässt sich nicht verleugnen.

„Es tut ein bisschen weh“, sagte Löwen-Trainer Ola Lindgren gestern Abend in der Pressekonferenz, „wir haben in 60 Minuten alles gegeben. Einen Punkt hätten wir verdient gehabt.“ Wahrscheinlich hätte diese „Abwehrschlacht“ keinen Gewinner verdient. Das erste Bundesliga-Spiel nach der Winterpause und der kräftezehrenden Europameisterschaft in Österreich bot Dramatik und Spannung pur, aber eben nicht das ganz große spielerische Niveau. Und so gingen 13.200 Zuschauer in der fünf Tage vorher ausverkauften SAP Arena mit gemischten Gefühlen nach Hause.

„THW will wahres Gesicht zeigen“, titelten die Kieler Nachrichten in ihrer Mittwochausgabe. Dass die Gäste mit Schaum vor dem Mund auflaufen würden, war jedem Experten vorab klar. Handball kurios in der ersten Hälfte. Die Löwen starteten ideenlos, fanden zunächst kaum eine Lücke in der kompakten Kieler Deckung und wurden immer wieder zuwenig vielversprechenden Würfen gezwungen. Ganz anders agierte zunächst der Abonnementmeister. Ruhig und abgeklärt operierten die Gislason-Schützlinge, sichtlich bemüht, das jüngste Pokal-Aus beim VfL Gummersbach (28:35) möglichst schnell vergessen zu machen. Bereits nach 8:27 Minuten reagierte Löwen-Trainer Ola Lindgren und bat seine verunsicherten Männer zur Auszeit.

Symptomatisch: Erstmals Grund zum Jubeln hatten die Löwen nach 11:51 Minuten, als Andrej Klimovets zum 1:4 traf und die Ladehemmung beendete. Vor allem Torhüter Henning Fritz war es unterdessen, der die Hausherren mit sensationellen Paraden (darunter drei gehaltene Siebenmeter gegen Lundström, Jicha und Ilic) im Spiel hielt. Die „Zebras“ lie_ ßen sich dadurch ihrerseits aus dem Rhythmus bringen.

Ein „Wahnsinnstor“ von „Schlitzohr“ Olafur Stefansson aus 25 Metern tat das Übrige hinzu. Der Isländer überlistete Weltklassemann Thierry Omeyer, der sich zu weit aus seinem Kasten entfernt hatte. Auf das 7:7 von Stefansson folgte die erste Führung (9:8), die Fritz mit einem langen Pass auf Uwe Gensheimer einleitete. Auch hier kam der herauseilende Omeyer einen Tick zu spät.

In einer Partie der vergebenen Chancen und zweier herausragender Schlussleute nahmen die Nordbadener ein 11:9 mit in die Pause. Und als es 14:11 nach Harboks Doppelpack hieß, schienen die Löwen vollends auf Kurs zu sein. Doch es wurde fehlerhafter, enger, nervenaufreibender. 26 Sekunden vor Schluss netzte Ilic zum 22:23 ein – es war erst der zweite verwandelte Siebenmeter von sieben Versuchen seitens des THW. „Die Enttäuschung ist groß“, sagte Henning Fritz, „mit einem Tor gegen Kiel zu verlieren, ist halt bitter.“ In der Tat: Die Löwen hatten es selbst in den „Pranken“…

Spielfilm: 0:4, 3:4, 7:7 (22.), 10:8, 11:9 (Halbzeit), 14:11 (35.), 14:13, 15:15, 17:17, 19:20, 21:20, 21:22, 22:23 (Endstand).
Rhein-Neckar Löwen: Fritz, Szmal – Gensheimer 8/6, Roggisch, Prieto, Harbok 2, Bielecki 1, Manojlovic1, Gudjonsson 1, Stefansson 6, Müller, Klimovets 1, Groetzki 2.
THW Kiel: Omeyer, Gentzel, Palicka – Jicha 7, Ilic 3/1, Lund, Palmarsson 1, Andersson 3/1, Zeitz 2, Klein

Von Joachim Klaehn

 11.02.2010

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