Handball-Bundesliga: Die Rhein-Neckar Löwen gehen nach einem 29:28 in Hamburg ungeschlagen in die Länderspielpause
Andy Schmid hatte auf dem Spielfeld die Zügel in die Hand genommen, und der Spielmacher der Löwen machte auch für das Programm im Anschluss eine Ansage. „Heute gehen wir noch steil“, kündigte der Schweizer nach dem knappen 29:28 (15:15) der Rhein-Neckar Löwen am Samstag beim HSV Hamburg an. Nach einem gemeinsamen Abendessen in der Hansestadt feierte der Tabellenführer der Handball-Bundesliga seine bisherige Ausbeute von 24:0-Punkten, wie gestern Bilder in den sozialen Netzwerken belegten.
Die Partie in Hamburg war das Ende der ersten Saisonetappe für die Löwen, weil sich die Mannschaft gestern für sieben Tage in alle Richtungen zerstreute. Bis auf wenige Ausnahmen sind die Spieler in den verschiedenen Nationalmannschaften im Einsatz und kehren erst am kommenden Montag ins Badische zurück. „Ich glaube, es ist für den ein oder anderen ganz gut, jetzt mal was anderes zu sehen“, sagte Uwe Gensheimer. Der Kapitän der Löwen wirkte nachdenklich, denn er hatte richtig analysiert, dass der Auftritt der Löwen beim HSV nicht die Souveränität ausstrahlte, die die Vorstellungen des Ligaprimus vor ein paar Wochen noch so beeindruckend machten. In der Hamburger Arena schleppten sich die Löwen mehr ins Ziel, als dass sie brillierten. Das Programm der zurückliegenden Wochen zehrte an den Spielern, körperlich und mental – und deshalb ist Gensheimer überzeugt, dass die Pause im Klubteam wie ein Jungbrunnen wirken könnte.
Die Löwen taten gut daran, den Sieg beim HSV richtig einzuordnen. „Wir hatten heute Glück“, sagte Nikolaj Jacobsen offen. Der Trainer sah auf dem Spielfeld vieles, was ihm nicht gefiel, denn die Leichtigkeit ist seiner Belegschaft abhanden gekommen. Hinzu kam, dass die Hamburger sehr gut vorbereitet und deshalb ein Gegner waren, der ein Stolperstein hätte werden können.
Weil die mentale Stärke, die den Löwen viele Jahre lang immer mal abgesprochen worden war, in dieser Saison bislang ein Plus der Badener ist, entschieden sie aber nach dem 24:23 in Magdeburg auch den zweiten „Thriller“ für sich. Und deshalb setzte der Erfolg im ersten Moment unglaubliche Emotionen frei. Vier Sekunden vor dem Ende traf Andy Schmid zum 29:28, drehte jubelnd ab, während alle Löwen-Akteure versuchten, den Spielmacher der Löwen „einzufangen“. Der Jubel glich dem Jubel nach einem großen Sieg – und das war passend. Nur wer Spiele wie das der Löwen in Hamburg gewinnt, kann am Ende einer langen Saison Titel gewinnen.
„Ein-Tore-Siege sind immer besonders schön“, sagte Schmid. Dieses Hochgefühl hatte auch Uwe Gensheimer, gleichzeitig war der Kapitän der Badener aber bemüht, nicht zu viel in den Last-Second-Sieg hinein zu interpretieren. „Dieser Erfolg gibt auch nur zwei Punkte.“ Gensheimer freute sich über den Erfolg, gänzlich gelöst wirkte er aber nicht, eher nachdenklich: „Wir haben nicht unser Leistungspotenzial abgerufen, das sollte uns nicht passieren.“ Die Badener machten einen geerdeten Eindruck, weil sie sich von den überschwänglichen Gefühlen nicht ablenken ließen und die Fehler nüchtern ansprachen.
Bis zum finalen Wurf von Schmid zum 29:28 war es eine Schlussphase, die den Löwen hätte einen Knacks geben können. 27:24 hatten die Badener knapp vier Minuten vor dem Ende vorne gelegen, den Vorsprung aber wieder verspielt und 16 Sekunden vor Schluss den Ausgleich zum 28:28 kassiert. Das Remis hätte sich wie eine Niederlage angefühlt, doch nach einer Auszeit von Nikolaj Jacobsen drehten sich die Emotionen noch ein Mal. Der große Abschluss-Jubel gehörte den Badenern, während die Hamburger Akteure konsterniert ins Nichts blickten.
Der nach der Partie abfallende Druck sorgte schließlich dafür, dass Mannschaft und Trainerteam in Hamburg feierten. „Mit 24:0-Punkten, darf man heute ein Bier trinken?“, fragte Jacobsen schelmisch. Man durfte.
Von Michael Wilkening