Interview mit Löwen-Geschäftsführerin Jennifer Kettemann und Sportlichem Leiter Oliver Roggisch

Liebe Jennifer, lieber Oli. Die Löwen sehen spannenden Zeiten entgegen. Es steht nach fünf Jahren ein Trainerwechsel an, zudem die Rückkehr Uwe Gensheimers…
Jennifer Kettemann: Zunächst einmal zum Abschied von Nikolaj Jacobsen auf der Trainerposition: Ich weiß schon jetzt, dass mir das verdammt schwerfallen wird. Niko ist eine für die Löwen unheimlich wichtige Persönlichkeit, er hat unsere Entwicklung maßgeblich geprägt. Mit ihm ist der Erfolg zu uns gekommen, auch weil er aus den durchaus begrenzten Mitteln das Optimale herausgeholt hat. Wir haben nun einmal nicht den größten Etat. Niko hat es mit seiner Art und seiner Kompetenz geschafft, dennoch eine Mannschaft zu kreieren, die um Titel spielen und diese auch gewinnen kann. Entsprechend schwer wird es fallen, ihn zu verabschieden. Und doch bietet der Wechsel zu Kristján Andrésson die große Chance, einen Neuanfang zu starten. Er wird viel frischen Wind mitbringen und eine andere Art, an Dinge heranzugehen, eine andere Philosophie. Ich bin sehr gespannt, wie sich das entwickeln wird.
Das gilt sicher auch für Uwe…
Jennifer Kettemann: Ganz klar. Außerdem finde ich, dass wir alle sehr stolz darauf sein können, dass wir Uwes Rückkehr zu uns Löwen ermöglicht haben. Das wird uns allen noch einmal einen riesigen Auftrieb geben, sich womöglich auch in den Ticketzahlen niederschlagen. Anfühlen tut es sich jedenfalls so, als sei jemand zurückgekehrt, der einfach hierhergehört.
Oliver Roggisch: In Bezug auf Nikolajs Abschied fällt es mir schwer, darüber zu reden. Das muss ich ehrlicherweise sagen. Ich habe da sehr gemischte Gefühle. Wir haben ja ganz lange und intensiv gesprochen, die Entscheidungsfindung hat rund ein halbes Jahr gedauert. Dass er sich letztlich für die Rückkehr in seine Heimat und für die Familie entschieden hat, freut mich für ihn, weil ich weiß, wie groß die Doppelbelastung Löwen / dänische Nationalmannschaft für ihn war. Ich sehe ihn jeden Tag im Training, wo er wie ein Verrückter, ja wie ein Besessener arbeitet. Es wird definitiv ein großer Schnitt, wenn Niko geht. Auf der anderen Seite sehe ich es wie Jenni: Mit Kristján kommt ein neuer Trainer, der auch schon mit der schwedischen Nationalmannschaft gezeigt hat, was er draufhat, und der viele unserer Spieler durch dieses Amt schon kennt. Das wird ein Vorteil sein. Handballerisch wird er sicher viele Dinge von Niko übernehmen und seine eigene Handschrift miteinfügen.
Noch ein paar Worte zu Uwe…
Noch einmal zur Spielphilosophie: Da wird es durch den Trainerwechsel keinen Komplettumbruch geben, wenn ich das richtig herausgehört habe…
Oliver Roggisch: Nein, das macht, glaube ich, kein Trainer, zumindest nicht in dieser Konstellation. Wir sind mit dieser Mannschaft und diesem Spielstil zweimal Deutscher Meister und einmal Pokalsieger geworden. Ein Jahr wie dieses, in dem es nicht optimal läuft, muss man den Jungs auch einmal zugestehen. Unser Anspruch ist natürlich die Champions-League-Qualifikation. Aber wir werden auch den EHF-Cup annehmen und versuchen, dort so weit wie möglich zu kommen.
Was definitiv anders werden wird mit Kristján, ist die Lautstärke…
Jennifer Kettemann: Ja. Kristján ist schon ein ruhigerer Zeitgenosse.
Oliver Roggisch: Ja, aber man muss das auch ein bisschen differenzierter sehen. Im Training beispielsweise kann Niko der beste Kumpel sein. Aber auch darüber hinaus. Zum Beispiel war er mit der Mannschaft und mir bei einem Mallorca-Trip dabei, das wäre in den allermeisten anderen Klubs undenkbar. Das zeigt das spezielle Vertrauensverhältnis zwischen Niko und den Jungs. Wenn das Spiel dann aber losgeht, ist er derjenige, der klar das Sagen hat, der seine Spieler auch einmal wachrütteln muss. Das hat ja auch in vielen Auszeiten sehr gut funktioniert. Diese beiden Seiten hat Kristján übrigens auch. Die braucht jeder gute Trainer.
Der dritte, bisher feststehende Neuzugang ist Niclas Kirkelökke. Welche Qualitäten bringt er mit zu den Löwen?
Oliver Roggisch: Zunächst einmal war es für ihn richtig bitter, dass er sich kurz vor der WM einen Kreuzbandriss zugezogen hat. Glück im Unglück war, dass es sich um das hintere Kreuzband handelte. Dadurch musste er nicht operiert werden. Zum Vorbereitungsstart Mitte Juli wird er fit sein. Die Vorgabe ist, dass er Alexander Petersson auf der Position im rechten Rückraum entlastet. Niclas ist ein junger, sehr hungriger Spieler. Er hat einen richtigen Hammer im Arm, kann auch aus neun, zehn Metern feuern. Dass er ohne die Verletzung im rechten Rückraum der Dänen gesetzt gewesen wäre, sagt ja schon alles über sein Niveau und seinen Stellenwert.
Gehen wir weg vom Personal und schauen wir auf die sportlichen Ziele für die kommenden Jahre. Wie sehen diese konkret aus?
Oliver Roggisch: Zentral wird sein, die Mannschaft weiter zu verjüngen und gut aufzustellen für die Zukunft. Ziel ist es, auch weiterhin einen Kader beisammen zu haben, mit dem man um die Meisterschaft in der Bundesliga mitspielen kann.
Jennifer Kettemann: Genau. Die Ziele ändern sich nicht. Egal in welchem Wettbewerb: Wir wollen überall eine gute Rolle spielen und ein Wörtchen mitreden bei der Titelvergabe. Das an sich ist ambitioniert genug, wie ich finde. Gerade auch, wenn man sich die jeweilige Konkurrenz anschaut.
Apropos Konkurrenz: Die wird ja insbesondere in der Bundesliga nicht schlechter oder weniger…
Oliver Roggisch: Das macht die Liga extrem spannend. Die Flensburger Bilanz dieser Saison, die sehr lange ohne Punktverlust geblieben ist, wird eher eine Ausnahmeerscheinung sein. Die hatten auch ein bisschen Glück, machen aber insgesamt einen klasse Job und nutzen die Welle, auf der sie sich bewegen. Insgesamt muss man sagen, dass die Konkurrenz eher größer wird, auch schon in dieser Saison. Das gilt aktuell vor allem für Magdeburg.
Schauen wir ein bisschen über den Rand der Platte. Was sind die übergeordneten Ziele des Vereins? Wo seht ihr die Marke Rhein-Neckar Löwen in drei, fünf oder zehn Jahren?
Jennifer Kettemann: Was die Markenbildung angeht, sehe ich noch einiges an Potenzial. Wir haben schon gezeigt, welch rasante Entwicklung in diesem Bereich möglich ist und haben uns ein positives Image aufgebaut. Da müssen wir weitermachen. Erfreulich ist, dass wir in den vergangenen Jahren wirklich angekommen sind in der Stadt Mannheim und in der ganzen Region. Dies gilt es weiter voranzutreiben – regional, aber auch national. Das langfristige Ziel heißt ganz klar, die Löwen zur Top-Marke im deutschen Handball zu machen. Darunter verstehe ich neben dem Sportlichen auch wirtschaftliche, soziale und nicht zuletzt auch technologische Aspekte. Wir wollen möglichst in all diesen Bereichen stark und offen sein und der von uns angedachten Vorreiter-Rolle auch gerecht werden.
Stichwort Nachhaltigkeit: Wie seht ihr das Thema, das jetzt im Zuge der Heim-WM wieder groß aufgekommen ist? Wie kann man den Handball nachhaltig besser positionieren in der Sportlandschaft, beispielsweise durch Arbeit mit den Schulen?
Oliver Roggisch: Der Deutsche Handball-Bund macht da schon viel und es ist auch wichtig, dass der Verband die ersten Schritte macht. Wir als Verein sind in Sachen Schularbeit auch schon länger dabei, zum Beispiel mit der Löwen Schul-Safari, mit der wir mehrmals im Monat Schulen in der Region besuchen. Die Begeisterung durch die WM ist groß und wir sind jetzt alle in der Pflicht, dies für die Sportart zu nutzen.
Jennifer Kettemann: Wie Oli sagt, sind wir alle gemeinsam gefordert. Der DHB als Verband, wir als Verein, aber auch die anderen Vereine in der Region. Wir müssen vor allem an der Basis aktiv und präsent sein, zum Beispiel Trainingsmöglichkeiten bereitstellen. Ich habe es bei mir in meinem Heimatort Frankenthal gesehen. Da waren wir mit der Schul-Safari und haben eine regelrechte Handball-Euphorie ausgelöst, so dass Vereine zusätzliche Trainingseinheiten für Kinder eingerichtet haben.
Den Verein breiter aufzustellen, für dieses Ziel steht sicher auch die Einführung des Mitgliederkonzeptes, das sich von Beginn an großer Beliebtheit erfreut…
Oliver Roggisch: An dieser Stelle muss man unsere Fanclubs erwähnen. Klar sollten wir letztlich als eine Fan-Basis auftreten. Aber ich finde es auch spannend, wenn man verschiedene Klubs oder Unterstützungsmöglichkeiten hat, sich damit gegenseitig anregt und befeuert, so wie es verschiedene Fans gibt, junge und alte zum Beispiel. Ich denke, dass wir auf diesem Gebiet schon einen riesigen Fortschritt gemacht haben, wenn ich das mit den Anfangszeiten in der SAP Arena vergleiche.
Insgesamt ist der Support von den Rängen schon mit jedem Jahr besser geworden…
Oliver Roggisch: Auf jeden Fall. Das ist nicht mehr mit den frühen Jahren zu vergleichen, als viele Leute nur kamen, wenn wir gegen Kiel und Flensburg gespielt haben. Das hat sich komplett gewandelt. Als Spieler oder Trainer spürst du jetzt ganz deutlich, wie die Fans hinter dir stehen. Ich habe zum Beispiel noch nicht einmal Pfiffe gehört gegen uns in der SAP Arena. Das ist in anderen Hallen ganz anders. Die Leute haben ein Gespür für den Handball. Das sind keine Erfolgsfans oder Handball-Touristen.
Zum Abschluss: Was sagt Ihr einem Sportfan, der noch nie in der SAP Arena bei einem Löwen-Spiel war, der aber durchaus mit dem Gedanken spielt?
Oliver Roggisch: Du hast die letzten zehn Jahre deines Lebens über sehr viel verpasst. Nur hier kann man direkt erleben, wie schnell dieser Sport ist, wie fair und von welch einzigartigen Typen er gespielt wird. Handball ist ein echter Gentleman-Sport, da wird einem nichts vorgegaukelt. Und wir sind sehr kinderfreundlich. Beim Handball gab es noch nie Randale und nach dem Spiel können sich die Kleinen von ihren Stars die Autogramme holen. Ein Besuch bei den Rhein-Neckar Löwen in der SAP Arena ist ein Erlebnis, das man so schnell nicht vergisst.