Besser gemeinsam: Uwe Gensheimer rückt beim Golf in die Rolle des talentierten Lehrlings
Am Vorabend hatte Uwe Gensheimer wie seine Teamkollegen noch gezeigt, dass er als Handballer zu den Besten gehört, als er zum Sieg gegen den aktuellen deutschen Meister HSV Hamburg beitrug. Auf dem Golfplatz in St. Leon-Rot änderten sich dann aber schnell die Voraussetzungen für den Linksaußen der Badener, denn mit dem deutlich kleineren Ball ist er längst noch nicht so versiert. Und genau aus diesem Grund wagte sich Gensheimer auf die Übungsanlage des GC St. Leon-Rot, denn die Sportart Golf hat es dem 24-Jährigen angetan. Einen Schnupperkurs hatte er schon vor knapp zwei Jahren absolviert, anschließend aber zu wenig Zeit, um sich intensiv mit dem neuen Hobby zu beschäftigen. Dennoch offenbarte der Handballer des Jahres sein großes Ballgefühl auch beim Golf und erlebte im Kreis einer Nachwuchstruppe des GC einen kurzweiligen Tag auf dem Golfplatz.
Unpassend war der Eintrag allerdings nicht, denn als frisch gekürter „Handballer des Jahres“ gehört Gensheimer zu den Großen seiner Sportart und hat vor allem in seiner Heimatregion längst einen großen Bekanntheitsgrad erreicht. „Ich bin stolz über diese Auszeichnung“, erklärte der Rechtshänder. Die Tatsache, dass die Wahl zum „Handballer des Jahres“ von den Teamkapitänen, Managern und Trainern der Bundesliga-Klubs durchgeführt wird, sorgt bei Gensheimer für ein gutes Gefühl: „Diese Leute wissen, worauf es ankommt.“
Nachdem Gensheimer den offiziellen Teil vollbracht hatte, freute er sich umso mehr, den Golfschläger zu schwingen und es machte dem Handballstar wenig aus, sich hier in die Rolle des Schülers zu begeben. „Ich versuche schon seit zwei Jahren, meine Platzreife zu machen“, war sich Gensheimer bewusst, dass ihn eine andere Rolle erwartete als die in der SAP ARENA.
Mit einem „Eisen 7“ versuchte er sich zunächst daran, eine etwa zwölf Meter große Tonne zu treffen. „Wir üben das kurze Spiel“, lautete die Anweisung der Trainerin, die erklärte, dass etwa 80 Prozent aller Schläge auf dem Golfplatz aus kurzem Spiel bestehen. „Das ist der wichtigste Schlag“, sagte Kratzer, während sie kleine Korrekturen bei ihren Schülern vornahm. Auch der „Schwung“ von Gensheimer wurde genau beobachtet und grundsätzlich war der Coach damit zufrieden. „Man merkt, dass Uwe durchaus Talent hat und über großes Ballgefühl verfügt“, lobte sie anschließend und zauberte dadurch ein Lächeln auf das Gesicht ihres ältesten Schülers.
„Ein bisschen ist es wie beim Handball, man muss sich immer auf den nächsten Ball konzentrieren“, erklärte Gensheimer. Mit dieser Vorgabe fuhr er sehr gut, denn schnell fand er den richtigen „Touch“ und erntete zustimmendes Kopfnicken seiner Mitstreiter. „Der ist ganz gut“, sagte Jan-Paul, noch ehe der Gast sein ganzes Können gezeigt hatte
So richtig drehte Gensheimer nämlich auf, als es zu einem kleinen Teamwettbewerb kam. Paula, Marc und der Handballprofi bildeten dabei eine Mannschaft, als es bei der Tonnen-Formel-1 darum ging, so schnell wie möglich einen Golfball in einer Tonne zu versenken. Sobald dies geschafft war, wurde die Tonne etwa zwei Meter weiter nach hinten geschoben und gewonnen hatte die Truppe, deren Tonne zum Schluss die größte Strecke zurückgelegt hatte. Plötzlich drehte Gensheimer auf und zeigte, dass er dann seine besten Leistungen abrufen kann, wenn etwas auf dem Spiel steht. Am Ende hatte Gensheimer großen Anteil daran, dass sich beide Teams friedlich unentschieden trennten. Ein Ergebnis, mit dem alle leben konnten.
Während des Wettbewerbs hatte Kratzer noch einmal das Wesentliche des Golfspiels erklärt. Dabei kommt es in erster Linie auf den richtigen Schwung an, der in Golferkreisen mit „Himmel, Hölle, Himmel“ beschrieben wird. Irgendwie ein bisschen wie bei den Löwen, wo sich tolle Leistungen immer wieder mit durchwachsenen Auftritten abwechseln. Doch das meinte der Golf Pro nicht, vielmehr ging es für Kratzer darum, ihren Schülern noch einmal zu vergegenwärtigen, wie wichtig beim Golf die Kleinigkeiten sind. Das wusste auch Gensheimer, der versuchte, die Konzentration hoch zu halten. „Man will als Sportler immer alles perfekt machen, aber ich weiß, dass es beim Golf eine Zeit lang braucht“, kannte der Handballer die speziellen Probleme beim Spiel mit dem kleineren Ball.
Ähnlich wie im Jugendkonzept im Handballleistungszentrum in Kronau steht auch bei den Golfern die ganzheitliche Ausbildung im Fokus des Clubs. Aus diesem Grund wird viel Wert auf Athletik gelegt, sowie die Verbesserung der Koordination. Für diesen Job ist in St. Leon-Rot Christian Marysko zuständig. Der studierte Sportwissenschaftler brachte die Trainingsgruppe um Gensheimer schnell noch stärker ins Schwitzen und outete sich dabei schnell als Löwen-Anhänger. „Ich war gegen den HSV in der Halle und es war eine tolle Partie, ich bin regelmäßig bei den Heimspielen“, schwärmte Marysko, während er den Handballer und seine fünf jungen Begleiter durch fest abgesteckte Parcours schickte. Zweibeiniges und einbeiniges Hüpfen standen auf dem Programm und Gensheimer fühlte sich schnell an die Übungen aus der Handballhalle erinnert.
Dabei gaben die Golfkids die Richtung vor und Gensheimer musste folgen, was bei den Löwen künftig andersherum laufen soll. Seit dieser Saison ist der Mannheimer schließlich Kapitän der Badener. „Es ist eine Ehre für mich und deshalb wertvoll, weil mich meine Mitspieler ins Amt gewählt haben“, erklärte Gensheimer. „Ich versuche, mehr Einfluss auf die kleinen Dinge zu nehmen“, beschrieb der Mann mit dem Gummiarm seine neue Aufgabe: „Inzwischen gehe ich bewusster an die Dinge ran, weil ich denke, dass ich mehr Verantwortung trage.“
Videoanalyse bringt weitere Erkenntnisse
Soweit ist Gensheimer allerdings noch nicht, wie auch die Ergebnisse der Videoanalyse ergaben. Besonders an dem starken Rechtsdrall, den er seinen Schlägen mit auf den Weg gab, muss der Linksaußen der Badener arbeiten und ihn abstellen. „Golf fördert die Demut“, gab Aigner seinem Schützling noch mit auf den Weg, attestierte dem Handballer aber auch das Talent für das Spiel mit Schläger und kleinem Ball – mit mehr Training sei eine schnelle und deutliche Steigerung von Gensheimer kein Problem.
Den genialen Handballer werden die Golf-Club-Mitarbeiter auf dem Grün demnächst möglicherweise häufiger sehen, denn als Abschiedsgeschenk überreichte der GC Gensheimer einen Gutschein für Trainerstunden zur Erlangung der Platzreife. „Das ist eine tolle Sache, vielen Dank“, hatte er sich artig bedankt, auch wenn er für ein Problem noch keine Lösung gefunden hatte – die fehlende Zeit.
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