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Himmel, Hölle, Himmel
Besser gemeinsam: Uwe Gensheimer rückt beim Golf in die Rolle des talentierten Lehrlings
Am Vorabend hatte Uwe Gensheimer wie seine Teamkollegen noch gezeigt, dass er als Handballer zu den Besten gehört, als er zum Sieg gegen den aktuellen deutschen Meister HSV Hamburg beitrug. Auf dem Golfplatz in St. Leon-Rot änderten sich dann aber schnell die Voraussetzungen für den Linksaußen der Badener, denn mit dem deutlich kleineren Ball ist er längst noch nicht so versiert. Und genau aus diesem Grund wagte sich Gensheimer auf die Übungsanlage des GC St. Leon-Rot, denn die Sportart Golf hat es dem 24-Jährigen angetan. Einen Schnupperkurs hatte er schon vor knapp zwei Jahren absolviert, anschließend aber zu wenig Zeit, um sich intensiv mit dem neuen Hobby zu beschäftigen. Dennoch offenbarte der Handballer des Jahres sein großes Ballgefühl auch beim Golf und erlebte im Kreis einer Nachwuchstruppe des GC einen kurzweiligen Tag auf dem Golfplatz.
Ehe Gensheimer die Golftasche schulterte, wurde ihm aber zunächst eine Ehre zuteil. Der Handball-Nationalspieler durfte sich in das „Goldene Buch“ des Golfclubs eintragen. Dort hatten sich vor ihm unter anderem auch Franz Beckenbauer, Wladimir Klitschko oder Angela Merkel verewigt. Auch „Tiger“ Woods, einige Jahre der beste Golfer der Welt, hat sich dort bereits eingetragen. „Das ist toll“, sagte Gensheimer demütig und machte sich bewusst, in welcher Reihe er damit künftig steht – zumindest im „Goldenen Buch“ des GC St. Leon-Rot.
Unpassend war der Eintrag allerdings nicht, denn als frisch gekürter „Handballer des Jahres“ gehört Gensheimer zu den Großen seiner Sportart und hat vor allem in seiner Heimatregion längst einen großen Bekanntheitsgrad erreicht. „Ich bin stolz über diese Auszeichnung“, erklärte der Rechtshänder. Die Tatsache, dass die Wahl zum „Handballer des Jahres“ von den Teamkapitänen, Managern und Trainern der Bundesliga-Klubs durchgeführt wird, sorgt bei Gensheimer für ein gutes Gefühl: „Diese Leute wissen, worauf es ankommt.“
Nachdem Gensheimer den offiziellen Teil vollbracht hatte, freute er sich umso mehr, den Golfschläger zu schwingen und es machte dem Handballstar wenig aus, sich hier in die Rolle des Schülers zu begeben. „Ich versuche schon seit zwei Jahren, meine Platzreife zu machen“, war sich Gensheimer bewusst, dass ihn eine andere Rolle erwartete als die in der SAP ARENA.
Und deshalb war er auch nicht überrascht, als er sich wenige Minuten später mitten in einer Kinder-Trainingsgruppe wiederfand. Anja Kratzer, eine von vier „Akademie Pros“, die in St. Leon-Rot den Nachwuchs unter ihren Fittichen haben, nahm sich des Handballers an und erinnerte sich gleich an ihn zurück. Kratzer war es nämlich auch, die einst den Schnupperkurs leitete, bei dem Gensheimer zum ersten Mal einen Golfschläger in der Hand hielt. Neben dem Löwen trainierten auch Jan-Paul, Celina, Max, Paula und Marc mit, die alle zwischen acht und zehn Jahre alt sind. Paula berichtete sofort, dass sie bereits mit drei Jahren angefangen hat, Golf zu spielen. Und Gensheimer musste zugeben: „Ich habe erst mit fünf Jahren zum ersten Mal Handball gespielt.“ Als Paula jedoch zugab, zunächst eigentlich nur mit dem Papa auf den Golfplatz gekommen zu sein, um dort leckeres Eis zu essen, grinste Gensheimer zufrieden und wandte sich wieder dem Schläger zu.
Mit einem „Eisen 7“ versuchte er sich zunächst daran, eine etwa zwölf Meter große Tonne zu treffen. „Wir üben das kurze Spiel“, lautete die Anweisung der Trainerin, die erklärte, dass etwa 80 Prozent aller Schläge auf dem Golfplatz aus kurzem Spiel bestehen. „Das ist der wichtigste Schlag“, sagte Kratzer, während sie kleine Korrekturen bei ihren Schülern vornahm. Auch der „Schwung“ von Gensheimer wurde genau beobachtet und grundsätzlich war der Coach damit zufrieden. „Man merkt, dass Uwe durchaus Talent hat und über großes Ballgefühl verfügt“, lobte sie anschließend und zauberte dadurch ein Lächeln auf das Gesicht ihres ältesten Schülers.
„Ein bisschen ist es wie beim Handball, man muss sich immer auf den nächsten Ball konzentrieren“, erklärte Gensheimer. Mit dieser Vorgabe fuhr er sehr gut, denn schnell fand er den richtigen „Touch“ und erntete zustimmendes Kopfnicken seiner Mitstreiter. „Der ist ganz gut“, sagte Jan-Paul, noch ehe der Gast sein ganzes Können gezeigt hatte
So richtig drehte Gensheimer nämlich auf, als es zu einem kleinen Teamwettbewerb kam. Paula, Marc und der Handballprofi bildeten dabei eine Mannschaft, als es bei der Tonnen-Formel-1 darum ging, so schnell wie möglich einen Golfball in einer Tonne zu versenken. Sobald dies geschafft war, wurde die Tonne etwa zwei Meter weiter nach hinten geschoben und gewonnen hatte die Truppe, deren Tonne zum Schluss die größte Strecke zurückgelegt hatte. Plötzlich drehte Gensheimer auf und zeigte, dass er dann seine besten Leistungen abrufen kann, wenn etwas auf dem Spiel steht. Am Ende hatte Gensheimer großen Anteil daran, dass sich beide Teams friedlich unentschieden trennten. Ein Ergebnis, mit dem alle leben konnten.
Während des Wettbewerbs hatte Kratzer noch einmal das Wesentliche des Golfspiels erklärt. Dabei kommt es in erster Linie auf den richtigen Schwung an, der in Golferkreisen mit „Himmel, Hölle, Himmel“ beschrieben wird. Irgendwie ein bisschen wie bei den Löwen, wo sich tolle Leistungen immer wieder mit durchwachsenen Auftritten abwechseln. Doch das meinte der Golf Pro nicht, vielmehr ging es für Kratzer darum, ihren Schülern noch einmal zu vergegenwärtigen, wie wichtig beim Golf die Kleinigkeiten sind. Das wusste auch Gensheimer, der versuchte, die Konzentration hoch zu halten. „Man will als Sportler immer alles perfekt machen, aber ich weiß, dass es beim Golf eine Zeit lang braucht“, kannte der Handballer die speziellen Probleme beim Spiel mit dem kleineren Ball.
Zur Entspannung wechselte Gensheimer anschließend die Sportart, denn als es ein paar Meter weiter darum ging, dass noch ein Spieler für ein Match Fußballtennis fehlte, ließ sich der 24-Jährige nicht zwei Mal bitten. Mit sichtlich viel Spaß beteiligte er sich an dem Duell einiger Mitarbeiter des Golfclubs und zählte auf Anhieb zu den herausragenden Figuren auf dem Feld. Dabei störte Gensheimer nicht, dass er bei spätsommerlich heißen Temperaturen ins Schwitzen kam.
Ähnlich wie im Jugendkonzept im Handballleistungszentrum in Kronau steht auch bei den Golfern die ganzheitliche Ausbildung im Fokus des Clubs. Aus diesem Grund wird viel Wert auf Athletik gelegt, sowie die Verbesserung der Koordination. Für diesen Job ist in St. Leon-Rot Christian Marysko zuständig. Der studierte Sportwissenschaftler brachte die Trainingsgruppe um Gensheimer schnell noch stärker ins Schwitzen und outete sich dabei schnell als Löwen-Anhänger. „Ich war gegen den HSV in der Halle und es war eine tolle Partie, ich bin regelmäßig bei den Heimspielen“, schwärmte Marysko, während er den Handballer und seine fünf jungen Begleiter durch fest abgesteckte Parcours schickte. Zweibeiniges und einbeiniges Hüpfen standen auf dem Programm und Gensheimer fühlte sich schnell an die Übungen aus der Handballhalle erinnert.
Das galt auch für den Sprinttest mit Zusatzgewicht, einzig die Art des Ballastes war speziell. Denn eine Hand voll Kinder setzte sich auf einen Sack, den Gensheimer anschließend über den Platz zog. Dabei hatten alle Beteiligten viel Spaß, der sich noch einmal erhöhte, als die Rollen vertauscht wurden. Diesmal setzte sich der Handballer auf den Ziehsack und seine Trainingskollegen zogen, was das Zeug hielt. Und siehe da: Mit vereinten Kräften hatten sie genug Power, um den Nationalspieler über den Platz zu bewegen.
Dabei gaben die Golfkids die Richtung vor und Gensheimer musste folgen, was bei den Löwen künftig andersherum laufen soll. Seit dieser Saison ist der Mannheimer schließlich Kapitän der Badener. „Es ist eine Ehre für mich und deshalb wertvoll, weil mich meine Mitspieler ins Amt gewählt haben“, erklärte Gensheimer. „Ich versuche, mehr Einfluss auf die kleinen Dinge zu nehmen“, beschrieb der Mann mit dem Gummiarm seine neue Aufgabe: „Inzwischen gehe ich bewusster an die Dinge ran, weil ich denke, dass ich mehr Verantwortung trage.“
Videoanalyse bringt weitere Erkenntnisse
Tragen musste er danach erst noch einmal seine Golftasche, denn zum Abschluss des spannenden Golftages gab es für Gensheimer noch ein besonderes Schmankerl, denn er konnte seine Schlagtechnik noch einmal per Videoanalyse überprüfen. „Das hier ist in Deutschland einmalig“, erklärte Werner Aigner den Bereich, in dem er erst seit knapp zwei Wochen alle Möglichkeiten hat, um die guten Golfspieler in St. Leon-Rot noch besser zu machen. Zunächst wurde der Löwe genau vermessen, was beispielsweise ergab, dass sein rechter Arm etwas länger ist als der linke. Darauf basierend bekam Gensheimer anschließend den passenden Schläger serviert, ehe er einige Schläge aus dem halboffenen Raum hinaus machte. Dabei wurde die Flugbahn des Balles genauso vermessen wie die Kraftübertragung des Schlägers auf den Ball. Hightech also. „Damit können wir sehr genau arbeiten“, lobte Aigner die verbesserten Möglichkeiten im Golfclub, die dazu beitragen sollen, dass der Verein weiterhin viele talentierte Golfspieler ausbildet.
Soweit ist Gensheimer allerdings noch nicht, wie auch die Ergebnisse der Videoanalyse ergaben. Besonders an dem starken Rechtsdrall, den er seinen Schlägen mit auf den Weg gab, muss der Linksaußen der Badener arbeiten und ihn abstellen. „Golf fördert die Demut“, gab Aigner seinem Schützling noch mit auf den Weg, attestierte dem Handballer aber auch das Talent für das Spiel mit Schläger und kleinem Ball – mit mehr Training sei eine schnelle und deutliche Steigerung von Gensheimer kein Problem.
Den genialen Handballer werden die Golf-Club-Mitarbeiter auf dem Grün demnächst möglicherweise häufiger sehen, denn als Abschiedsgeschenk überreichte der GC Gensheimer einen Gutschein für Trainerstunden zur Erlangung der Platzreife. „Das ist eine tolle Sache, vielen Dank“, hatte er sich artig bedankt, auch wenn er für ein Problem noch keine Lösung gefunden hatte – die fehlende Zeit.
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