Rhein-Neckar Löwen

Historische Löwen, Teil 7: „Steppi“ Sigurmannsson und der harte Weg zum Ziel

Ende Mai 2013 fliegt Stefan Rafn Sigurmannsson, wie er mit vollem Namen heißt, von Mannheim nach Nantes. Es ist das erste große Highlight seiner noch recht jungen Löwen-Zeit.

Linksaußen erlebt dreieinhalb äußerst bewegte Löwen-Jahre mit

Steppi mit Pokal und Niklas Landin.

2014 und 2015. Wenn es zwei besonders schmerzhafte Jahre gibt in der Geschichte der Rhein-Neckar Löwen, dann sind es diese. 2014 fehlen zwei Tore auf die erste Deutsche Meisterschaft, 2015 zwei Punkte. Mittendrin: Stefan, genannt Steppi, Sigurmannsson. Vor allem für das Saisonfinale 2014 zwischen Kiel und Löwen, das die Füchse Berlin mit ihrer Nicht-Leistung gegen den THW unrühmlich mitentschieden, hat Spuren hinterlassen beim Isländer: „Es gibt keine Worte für so etwas. Alle haben geweint.“

17.334 Tore fielen in der Handball-Bundesliga 2013/14. Am Ende entschieden zwei davon über Sieg und Niederlage. Zur Wahrheit gehört auch: Die Kieler schossen sich in den letzten Spielen vor dem finalen Spieltag regelmäßig in einen Rausch, gewannen alle Spiele – bis auf das Derby gegen Flensburg – zweistellig, teilweise mit 20 Toren plus (46:24 in Lemgo). Auch die Löwen ballerten überdurchschnittlich, fegten zum Beispiel Eisenach 42:19 aus deren Halle. Es war ein offensichtliches Wettschießen – nur, dass man sich von Berlin, damals Tabellenfünfter und amtierender Pokalsieger, mehr Gegenwehr erwartet hatte.

Keine Niederlage wie dieser Sieg

Drei Löwen gegen einen Fuchs.

40:35 gewannen die Löwen ihr letztes Saisonspiel in Gummersbach, 37:23 die Kieler ihr Finale gegen am Ende desolate Füchse. „Wir waren einfach sau-, sautraurig“, fasst Steppi die Gemütslage der Löwen in Gummersbach zusammen. „Ich kann es heute noch fühlen – und es hat auch ein paar Tage angehalten.“ Keine Niederlage der Klubgeschichte hat eine Mannschaft, die Fans, den ganzen Verein so geprägt wie der 40:35-Sieg vom 24. Mai 2014 beim VfL Gummersbach. Ziemlich genau zwei Jahre später gewannen fast dieselben Spieler nicht weit entfernt diese verflixte erste Meisterschaft.

160 Kilometer Luftlinie von Gummersbach weg, in der Kreissporthalle Lübbecke, flossen wieder Tränen. Dieses Mal waren es Tränen der Freude und der Versöhnung. „Das war das Gegenteil von 2014. Die ganze Halle war gelb, die Fans haben eine phänomenale Stimmung gemacht. Ein wunderschöner Tag“, erinnert sich Steppi. Gut im Gedächtnis sind ihm auch noch die Feierlichkeiten, die sehr ausgedehnt von Lübbecke bis nach Mannheim ins alte Eisstadion gezogen wurden. Die Last zweier ganzer Jahre fiel von allen Schultern. Das 35:23 vom 5. Juni 2016 ist der erste Leuchtturm in der Löwen-Historie. Und auch beim Urknall, knapp drei Jahre davor, war Steppi schon dabei.

Historische Löwen, Teil 7: „Steppi“ Sigurmannsson und der harte Weg zum Ziel – Vom Uwe-Ersatz zum EHF-Cup-Sieger

„Steppi“ feiert mit Gede Guardiola den Cup-Sieg.

Ende Mai 2013 fliegt Stefan Rafn Sigurmannsson, wie er mit vollem Namen heißt, von Mannheim nach Nantes. Es ist das erste große Highlight seiner noch recht jungen Löwen-Zeit. Im Dezember 2012 war der Isländer angekommen bei seiner ersten Profi-Station außerhalb der Heimat. So etwas prägt sich ein. Und dann startet er direkt durch mit den neuen Kollegen, pflügt durch den EHF-Cup bis ins Finalturnier, wo Magdeburg genauso wenig den Löwenlauf stoppen konnte wie am Tag danach der Gastgeber. Was war das Geheimnis dieser Truppe? „Wir waren einfach eine richtig gute Mannschaft“, sagt Steppi kurz und trocken. „Die Stimmung in der Mannschaft, das war ganz besonders. Wir waren alle Freunde, haben einander geholfen. Und wir hatten alle dasselbe Ziel.“

Was banal klingt, ist alles andere als selbstverständlich. Wenn sich eine Gruppe hochbegabter Handballer komplett einig ist, den Teamerfolg über alle Befindlichkeiten und Egoismen stellt und auch auf dem Feld wie aus einem Guss agiert, dann hat man viele Voraussetzungen von Erfolg – vielleicht sogar die entscheidenden. Dass Stefan Sigurmannsson Teil dieser Einheit war, sagt auch viel über ihn als Typ, Mannschaftsspieler und „Energizer“. Steppi war nicht nur nach eigener Aussage beim Feiern an vorderster Front, sondern immer sofort da, wenn man ihn brauchte.

Teil der goldenen Generation

Steppi zwischen Niko Jacobsen und Uwe Gensheimer.

Gekommen als Ersatz für den verletzten Uwe Gensheimer, wurde der Linksaußen schnell ein fixer Bestandteil jener Löwen-Truppe, die die steile Rampe nach ganz oben nahm und später in die goldene Generation mündete. Dabei stand der grundsympathische „Isi“ nicht in der allerersten Reihe. Den Ruhm erntete freilich nach seinem Comeback der „Mannemer Bub“. Uwe Gensheimer war 2012 längst Publikumsliebling und Vereinsgesicht. Kommt die Sprache auf seinen Gespannpartner von damals, zaubert das gleich ein Lächeln auf Uwes Lippen: „Steppi ist ein super Typ“, sagt Gensheimer, der mittlerweile selbst Typen wie Steppi für den Löwen-Kader sucht.

Überall, wo der heute 35-Jährige auftaucht, hagelt es Titel. 2016 wechselt er nach Aalborg, wo er direkt die dänische Meisterschaft eintütet. In Szeged, 2017 gelandet, reicht es direkt zum Meister-Doppelpack, trotz Konkurrenz aus Veszprém. 2021 kehrt Steppi zurück in die Heimat, zu seinem Klub Haukar Hafnarfjörður. Da gibt es dann zum Ende der Karriere noch ein paar isländische Meisterschaften und Pokalsiege. 2024 hängt er die Handballschuhe an den Nagel und kann mit Fug und Recht sagen: Das war eine amtliche Profi-Laufbahn. Eine, die nicht außerhalb des Spielfeldes verlängert wird.

Historische Löwen, Teil 7: „Steppi“ Sigurmannsson und der harte Weg zum Ziel – Häuser statt Handball

Auch nach der Profi-Laufbahn geht es für Steppi hoch hinaus.

Anders als Nationalmannschafts- und Positionskollege Gudjon Valur Sigurdsson zieht es Steppi nicht an die Seitenlinie. Und auch nichts ins Klub-Management. Für ihn war schon früh klar, wo er sich betätigen würde nach dem Profi-Sein: auf dem durchaus ebenso spannenden Parkett des Immobilienhandels. Steppi hat nicht nur seine eigene Immobilienfirma, sondern auch eigene Objekte, die er selbst oder mit betreibt. Der planvolle Herr Sigurmannsson hat die Grundsteine für die Karriere nach der Karriere frühzeitig gelegt und steckt ein Jahr nach der Handball-Rente mittendrin im neuen Geschäftsfeld.

Dem Sport ist er über die alten Kumpels und natürlich jede Menge Erinnerungen verbunden geblieben. Wenn er aufzählt, mit wem er zum Beispiel bei Pick Szeged gespielt hat, stellen sich einem Handball-Fan vor Bewunderung die Härchen auf: Bence Banhidi, Richard Bodo, Roland Mikler, Mario Sostaric, Dejan Bombac. Oder „viele tolle Spieler“, wie es Steppi abkürzt. Bei Aalborg spielte er übrigens neben Sander Sagosen. Und doch, sagt er mehrmals und mit Nachdruck: „Bei den Löwen hatte ich meine beste Zeit.“ Wen wundert es? Damals standen um ihn herum die Herren Andy Schmid, Kim Ekdahl du Rietz, Alexander Petersson, Bjarte Myrhol, Niklas Landin. Kann man lassen.

Ungarische Derbys und andere Kuriositäten

Steppi feiert mit den Löwenfans in Lübbecke.

Lebhaft in Erinnerung sind Steppi die ungarischen Derbys. Wenn Veszprém und Szeged aufeinandertreffen, dann sei das „etwas anderes“ als bei anderen Handballspielen. „Das waren die krassesten Duelle, die ich miterleben durfte. Das war so laut. Es hat sehr viel Spaß gemacht, da dabei zu sein.“ Auch mit den Löwen habe er spezielle Abende erlebt, vor allem in der Champions League gegen Barcelona, Kielce und Co. Er war dabei, als die Löwen eine Sternstunde erlebten in der SAP Arena und den großen FC Barcelona haushoch an die Wand spielten. Er war dabei, als Talant Dujshebaev handgreiflich wurde gegenüber Steppis Landsmann Gudmundur Gudmundsson, damals Löwen-Trainer.

„Wahnsinnsspiele“ seien das gewesen, Abende, die er nie vergessen werde. „Leider hat es für uns mit den Löwen nie zum Final4 gereicht“, summiert Sigurmannsson. Dasselbe Schicksal ereilte ihn mit Aalborg und Szeged. So wie es eine Meistergarantie mit Steppi zu geben schien, so gab es scheinbar auch eine Art Champions-League-Fluch. Aber Spaß beiseite. So oder so bereue er nichts, vor allem mit Blick auf seine erste und einzige HBL-Station bei den Rhein-Neckar Löwen: „Die Region da, das hat mir unfassbar gut gefallen. Eine herrliche Gegend. Vor allem aber die Leute: Es sind so viele gute Leute hier gewesen. Ich habe wunderbare Tage hier erlebt.“

Zur Person Stefan Rafn Sigurmannsson

Zur Serie: Historische Löwen – Löwen-Historie

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