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„Einen Schritt besser machen als im Vorjahr“

Jennifer Kettemann im Interview

Seit dieser Saison ist Jennifer Kettemann alleinige Geschäftsführerin der Rhein-Neckar Löwen. Nach dem Start in die VELUX EHF Champions League spricht Kettemann im Interview über die Ambitionen ihrer Mannschaft im Europapokal, die Probleme mit dem Spielort Frankfurt sowie ihrer Anfangszeit als Geschäftsführerin beim Deutschen Meister.

Frau Kettemann, Sie nähern Sich rasant der 100-Tage-Marke in Ihrem neuen Job, an der gerne einmal Zwischenbilanz gezogen wird. Wie fällt diese bei Ihnen mit Blick auf Ihre neue Aufgabe als Geschäftsführerin der Rhein-Neckar Löwen aus?

Jennifer Kettemann: Generell muss ich sagen, dass mir die Aufgabe noch mehr Spaß macht, als ich erwartet habe. Die Arbeit mit dem Team klappt hervorragend, ich genieße es richtig, in diesem für mich neuen Umfeld tätig zu sein.

Welche Erwartungen haben sich denn erfüllt oder was hat Sie vielleicht doch überrascht, weil es vielleicht doch etwas Besonderes ist eine Handball-GmbH zu leiten?

Kettemann: Ich muss sagen, dass ich emotional mehr dabei bin, als ich mir das zu Beginn vorstellen konnte, weil ich nicht aus der Handball-Szene komme. Aber das macht ja auch ein Stück weit den Reiz dieser Aufgabe aus. Es sind zudem viele Dinge leichter gelaufen, als ich erwartet hatte.

Was meinen Sie konkret?

Kettemann: Ich hatte schon einen gewissen Respekt vor dieser Aufgabe, bin dann aber doch schnell in die Themen hineingekommen. Nach zwei Wochen war ich da schon überall mittendrin. Überrascht war ich auch darüber, dass der Umgang mit der Presse bislang so reibungslos klappt, das war ja etwas völlig Neues für mich. Mal sehen, was passiert, wenn es mal nicht so läuft (lacht).

Wie sind Ihre bisherigen Erfahrungen mit den Kollegen in der Liga? Wie wird man denn da von den „Alten Hasen“ aufgenommen? Hatten Sie vielleicht einen Meister-Bonus?

Kettemann: Wenn man da praktisch von Außen in so eine bestehende Gruppe hineinkommt, muss man sich natürlich erst einmal beweisen – nicht zuletzt als einzige Frau. Das war bestimmt für alle etwas ungewohnt. Aber ich denke, das ist wie in der Wirtschaft auch. Wenn man mit Leistung überzeugen kann und verlässlich ist, wird man schnell akzeptiert. Und ein Meister-Bonus war nicht zu registrieren. Es gab zwar noch ein paar Glückwünsche, aber der Blick geht bei allen ja schon lange wieder nach vorne.

Wie hat sich der Titel im Bereich der Sponsorengewinnung ausgewirkt. Fällt da inzwischen einiges leichter?

Kettemann: Die großen Sponsoren wie ADMIRAL oder dann auch Duracell konnten wir ja bereits in der Schlussphase oder am Ende der vergangenen Saison von uns überzeugen. Aber was wir merken, ist die Tatsache, dass sich die Deutsche Meisterschaft sicherlich als eine Art Türöffner bewährt hat. Wenn man bei einem potenziellen Partner anruft oder sich vorstellt, muss man nicht mehr viel erklären. Wie sich das nun aber letztlich in Zahlen und Abschlüssen niederschlägt, muss man noch abwarten.

Die Liga läuft bereits, auch die VELUX EHF Champions League ist gestartet. Wie würden sie die Ambitionen der Rhein-Neckar Löwen in dieser Saison im Europapokal beschreiben?

Kettemann: Auf jeden Fall die Gruppenphase gut absolvieren und dann wollen wir es schon einen Schritt besser machen als im Vorjahr. Da war bereits in der ersten K.o.-Runde Schluss. Deshalb würde ich mir schon wünschen, unseren Fans zumindest das Achtelfinale und dann auch den Einzug ins Viertelfinale mit einem attraktiven Gegner in der SAP Arena bieten zu können. Das muss unser Ziel sein.

Wie beurteilen Sie die Attraktivität der Gruppe. Die Auslosung hat ja erneut einet eher ost-lastige Reiseroute ergeben?

Kettemann: Ich bin jemand, der immer schnell auf die Zahlen und Fakten schaut, deshalb wären Spiele gegen Barcelona oder Uwe Gensheimers neuen Klub Paris St. Germain natürlich für die Fans und vom finanziellen Aspekt schön gewesen, aber letztlich müssen wir es nehmen wie es kommt. Mit Szeged, Skopje, dem Titelverteidiger aus Kielce und auch Zagreb haben wir sportlich ebenfalls sehr attraktive und sportlich schwere Gegner.

Generell betrachtet: Ist die Teilnahme an der Königsklasse eher Lust oder auch ein bisschen Last?

Kettemann: Es ist schon ein schwieriges Thema für uns, bei dem wir froh sind, wenn wir da wirtschaftlich gesehen Null auf Null rauskommen. Die Prämien sind überschaubar, es gibt stolze Reisekosten und dann haben wir die Problematik mit der Halle. In der Gruppenphase macht die SAP Arena aus terminlichen und wirtschaftlichen Gründen keinen Sinn, der Umzug nach Frankfurt kostet aber zusätzlich auch Geld, weil wir beispielsweise auch den Hallenboden und weitere Infrastruktur nach Frankfurt bringen müssen. Auch unsere Gegner stönen teilweise über den Spielort Frankfurt. Hier finden viele Messen statt, Celje zum Beispiel konnte sich ganz aktuell die teuren Hotelkosten zur Messezeit und die Flugtickets für das Spiel bei uns nicht leisten. Am Ende sind sie mit dem Bus gekommen, rund 11 Stunden Fahrtzeit einfache Strecke.

Gab es keine Alternative zu Frankfurt?

Kettemann: Leider nein, hier hat die EHF alle anderen Hallen unserer Region als möglicher Spielort abgelehnt, deshalb bleibt uns nur der erneute Weg nach Frankfurt. Mit der Fraport Arena sind wir übrigens sehr zufrieden. Die Halle und die Stadt Frankfurt unterstützen uns sensationell. Hier freut man sich, dass die Handball Champions League nach Frankfurt kommt.

Zum ersten Heimspiel kamen nur 1200 Zuschauer…

Kettemann: Natürlich wünschen wir uns mehr Zuschauer, aber bei einem Spielbeginn in Frankfurt um 18:30 Uhr wird es schwierig für unsere treuen Fans, die auch noch arbeiten müssen, rechtzeitig in Frankfurt zu sein. Da überlegt sich jeder genau, ob er den Weg auf sich nimmt. Gegen Celje gab es auch noch eine Vollsperrung auf der Autobahn, einige Fans sind deshalb direkt wieder umgedreht. 

In der vergangenen Saison begannen die Spiele der Löwen in Frankfurt teilweise um 20:45 Uhr, jetzt um 18:30 Uhr…

Kettemann: Leider haben wir darauf keinen Einfluss, die Zeiten hängen mit den TV-Übertragungen durch SKY zusammen. Wenn am Abend auch noch Fußball Europapokal gezeigt wird, müssen wir bis dahin fertig sein.

Ab wann lohnt sich die Champions League überhaupt?

Kettemann: Interessant wird es eigentlich erst nach der Gruppenphase, wobei die Klubs hier auch nur das Achtel- und Viertelfinale teilweise selbst vermarkten können. Das Halbfinale ist dann bekanntermaßen in das Final Four in Köln eingebettet, das natürlich ein tolles Event ist, bei dem jeder dabei sein möchte, aber die Marketing-Möglichkeiten für teilnehmenden Klubs sind da schon ein bisschen eingeschränkt.

Vom finanziellen Aspekt einmal abgesehen – die Teilnahme an der Champions League bedeutet für die deutschen Spitzenteams auch eine nicht unerhebliche Doppelbelastung. Die Liga-Versammlung hat sich dennoch gegen eine Aufstockung der Kadergröße von 14 auf 16 entschieden. Hätten Sie sich da etwas mehr Solidarität von den anderen Vereinen gewünscht?

Kettemann: Angesichts der extremen Belastung für unsere Spieler hätten wir uns schon gewünscht, dass man unsere Situation mehr berücksichtigt. Aber es gab abgesehen von den finanziellen Auswirkungen auch Vorbehalte, dass sich dann die Kluft zwischen der Spitze der Liga und dem Rest weiter vergrößern, wenn die Top-Klubs den anderen weitere Spieler wegschnappen würden. Das wäre aber gar nicht unser Ansatz gewesen, weil wir uns das gar nicht leisten können. Wir dachten eher, zusätzliche Nachwuchsspieler zu integrieren. Wir werden das Thema jedenfalls weiter auf die Agenda setzen.

Sie haben die Sondersituation angesprochen, dass die Löwen für die Gruppenphase der Champions League nun schon in der zweiten Saison nach Frankfurt in die Fraport-Arena ausweichen müssen. Versucht man hier, die Fans mitzunehmen oder auch neue Zuschauerschichten aus der Rhein-Main-Region anzusprechen?

Kettemann: Wir versuchen, beides hinzukriegen. Einerseits bieten wir unseren Fans aus der Rhein-Neckar-Region etwa die Möglichkeit von Bus-Transfers. Für die Dauerkarten-Inhaber ist der Transfer beispielsweise kostenlos, für Tagestickets kann er dazugebucht werden. Vor Ort arbeiten wir beispielsweise auch mit dem Hessischen Handball-Verband, den Schulen, den regionalen Medien oder unseren Sponsoren aus der Rhein-Main-Region zusammen. Insgesamt haben wir da gute Erfahrungen gemacht und der Umzug wurde gut angenommen, wobei das für uns dennoch nicht die optimale Ausgangsposition ist. Wir würden viel lieber in einer geeigneten Halle hier in der Umgebung spielen.

Wie wichtig ist es vor diesem Hintergrund, dass die Pläne für die neue Halle in Heidelberg vorankommen?

Kettemann: So wie ich das mitbekommen habe, soll diese Halle 2018 fertigstellt werden, was ein absehbarer Zeitraum ist. Das wäre für uns tatsächlich eine sehr gute Alternative im Herzen der Region. Dahin gehen auch unsere Planungen.