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Den nächsten Schritt zum großen Ziel machen

Löwen empfangen am Sonntag den TBV Lemgo

Es ist das vorletzte Heimspiel der laufenden Saison, wenn die Rhein-Neckar Löwen am kommenden Sonntag um 15 Uhr in der SAP Arena den TBV Lemgo erwarten (Tickets). Mit einem Erfolg gegen die Ostwestfalen wollen die Löwen den nächsten Schritt in Richtung Meisterschaft machen, entsprechend groß ist das Interesse an der Partie bei den Handballfans in der Region. „Unser letztes Heimspiel gegen die TSV Hannover-Burgdorf ist bereits seit Wochen ausverkauft, und auch gegen den TBV Lemgo rechnen wir mit einer Topkulisse. Wer unsere Mannschaft diese Saison noch einmal live erleben will, sollte sich die Chance gegen Lemgo nicht entgehen lassen“, erwartet Löwen-Manager Lars Lamadé eine Topkulisse für das Duell mit den Ostwestfalen, das ursprünglich für den kommenden Mittwoch terminiert war.

Löwen-Trainer Nikolaj Jacobsen kommt die Verlegung aufgrund der Liveübertragung in SPORT1 jedoch sehr gelegen, hat seine Mannschaft nach der Partie gegen den TBV doch nun rund eine Woche zur Vorbereitung auf das dann steigenende REWE Final Four um den DHB-Pokal in Hamburg. Dass die beiden größten Konkurrenten im Kampf um die Deutsche Meisterschaft, der THW Kiel und die SG Flensburg-Handewitt, durch zwei Unentschieden unter der Woche Punkte auf die Löwen verloren, hat man bei den Badener zur Kenntnis genommen, dennoch warnt Nikolaj Jacobsen davor, von einer Vorentscheidung im Titelkampf zu sprechen. „Wir haben selbst noch einige potentielle Stolpersteine vor uns und tun gut daran uns weiter nur mit uns selbst zu beschäftigen. Unsere nächste Aufgabe heißt TBV Lemgo“, so Jacobsen.  

Mit dem TBV kommt dabei am Sonntag ein echter Traditionsverein mit bewegter Vergangenheit in die SAP Arena. Im Sommer 2012 wegen dubioser Geschäfte finanziell unmittelbar vor der Insolvenz, sportlich spätestens Ende 2014 mit einem Bein bereits in der Zweitklassigkeit – es ist noch nicht lange her, da schien es tatsächlich so, dass der TBV Lemgo in Sachen Spitzenhandball von der Bildfläche verschwinden könnte. Die Bundesliga ohne den zweifachen Deutschen Meister, der aufgrund seiner zahlreichen Nationalspieler auch gerne mal „TBV Deutschland“ genannt wurde? Kaum vorstellbar – aber mit Blick auf die zwischenzeitlichen Voraussetzungen fast zwangsläufig.

Dass es am Ende doch nicht so kam und die Lipperländer wohl auch in dieser Saison die Klasse halten können, liegt nicht zuletzt an einem TBV-Urgestein, das den Klub auf dem Parkett und mit seiner Vereinstreue ähnlich intensiv prägte wie sonst wohl nur noch Volker Zerbe oder Daniel Stephan. Die Rede ist von Florian Kehrmann, dem „ewigen Rechtsaußen“, den die Berliner Zeitung in seiner Abschiedssaison 2013/2014 als den „letzten Oldie“ der Bundesliga bezeichnete. Mittlerweile ist Kehrmann Trainer des TBV – was so schnell eigentlich nicht geplant war. „Jetzt schon zu sagen, dass ich Trainer werde, wäre nicht realistisch. Man muss da reinwachsen“, sagte der heute 38-Jährige beispielsweise noch vor drei Jahren, als er mit Blick auf das nahende Karriereende die möglichen Perspektiven auslotete.

Kehrmann übernahm damals einen Trainerposten in der Jugendarbeit des TBV, in der Saison 2013/2014 trug er die Verantwortung bei den „Lemgo Youngsters“ in der Dritten Liga, in der folgenden Spielzeit war er Co-Trainer des Bundesliga-Teams und „baute“ seinen A-Schein. Als Lemgo dann im Dezember 2014 nach sieben Niederlagen in Folge und bei sieben Punkten Rückstand auf das rettende Ufer Richtung Zweite Liga taumelte, war der Weltmeister von 2007 die letzte Hoffnung der Vereinsoberen. Der Plan ging auf, mit Kehrmann als Nachfolger von Niels Pfannenschmidt hielt der TBV am letzten Spieltag als 15. die Klasse – und viel spricht dafür, dass der Traditionsverein aus Ostwestfalen demnächst wieder in ruhigeres Fahrwasser kommt.

„Sicherlich wird es auch in diesem Jahr noch eine Übergangssaison geben, aber die Entwicklung der Mannschaft und auch die Entwicklung des Vereins geben mir viel Sicherheit, den TBV Lemgo in den nächsten Jahren zu alter Stärke zurückzuführen“, meint Kehrmann, dass es mit den Blau-Weißen bald wieder nach oben gehen kann. Auch deshalb verlängerte der Coach seinen Vertrag bis 2019. „Mich freut es einfach, dass wir die turbulenten letzten Jahre beim TBV, in denen ich als Spieler und Trainer mitgewirkt habe, hinter uns gelassen haben. Ich möchte den Aufschwung nun weiter mitgestalten“, sagte der 223-fache deutsche Nationalspieler, der 15 Jahre lang selbst das blau-weiße Trikot trug. Auch in der aktuellen Spielzeit ging es aber zunächst darum, einen erneuten Umbruch zu meistern. Nach der Zitter-Saison 2014/2015 verließen nicht weniger als neun Spieler den TBV – darunter Leistungsträger wie die beiden Handball-Europameister Hendrik Pekeler (Rhein-Neckar Löwen) und Finn Lemke (SC Magdeburg) oder Spielmacher Timm Schneider (MT Melsungen). Der Kader wurde deshalb gleich mit sieben neuen Profis aufgefüllt. Namen wie Andrej Kogut (von der TSG Friesenheim) oder der Schwetzinger Torwart Jonas Meier (Kadetten Schaffhausen) sind dabei auch in der Region bekannt. Die Neuzugänge integrieren, attraktiven Handball spielen und nichts mit dem Abstieg zu tun zu haben, lautete deshalb das Saisonziel beim TBV. Und Florian Kehrmann betrachtete die große Fluktuation dabei nicht als Problem,  sondern eher als Chance: „Ich sehe das nicht immer als schlecht, wenn man viele neue Spieler integrieren muss, im Gegenteil. Du hast dann immer auch die Möglichkeit, dass viele Dinge, die sich eingeschlichen haben, verändert und mal weggeschafft werden können“, sagte der Coach vor dem Saisonstart und wurde vor allem in der Hinrunde bestätigt.

Nach der Auftaktniederlage gegen die Rhein-Neckar Löwen (26:32) blieb der TBV in der heimischen Lipperland-Halle sechs Mal in Folge ungeschlagen und verschaffte sich damit eine solide Basis. Nach der EM-Pause steht bislang aber nur der Erfolg in Eisenach auf der Habenseite, zuletzt setzte es am 23. März in Berlin ein 26:34. „Jetzt haben wir fünf Wochen spielfrei, um unsere Köpfe frei zu bekommen und uns gut vorzubereiten. Wir werden in der Zeit viel spielen und
testen“, kündigte Kehrmann nach der Niederlage in der Hauptstadt an. Vor allem in den Heimspielen gegen die direkten Konkurrenten Leipzig und N-Lübbecke wird Lemgo die letzten Punkte Richtung Klassenerhalt holen wollen. Parallel blickt der TBV aber auch schon Richtung neue Saison und gab bereits die ersten Neuverpflichtungen bekannt: Aus N-Lübbecke kommt beispielsweise der Ex-Löwe Tim Suton zurück, auf Rechtsaußen verjüngt Eigengewächs Dominik Ebner hinter TBV-Toptorjäger Tim Hornke den Kader. Dass Lemgo für seine ausgezeichnete Jugendarbeit bekannt ist, ist auch ein Verdienst von TBV Jugendkoordinator Christian Plesser. Der Coach der 2. Mannschaft steht im engen Austausch mit Florian Kehrmann und gilt in der Szene als absoluter Fachmann für die Nachwuchsförderung. Verlassen werden Lemgo Stand jetzt Torwart Nils Desrüsse und der deutsch-chilenische Rückraumspieler Erwin Feuchtmann Perez. Aus Szeged angelte sich der TBV für die neue Saison unterdessen den polnischen Nationaltorhüter Piotr Wyszomirski. Ein klares Zeichen dafür, dass man sich in Ostwestfalen in der Tabelle langsam wieder nach oben orientiert.

Tickets für die Partie können sich Fans noch online sowie telefonisch unter 0621 18190333 und an der Abendkasse sichern.