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Der Erfolg hat einen Namen: Roggisch (RNZ)

Mannheim. Der Saisonstart der Rhein-Neckar Löwen und das „Wie“ sorgen in Handballkreisen für Gesprächsstoff. Nach deutlicher Etatreduzierung sind die Badener aktuell die einzige Mannschaft ohne Punktverlust im Oberhaus. Basis für den Erfolg ist die gute Abwehrarbeit, und daran hat Oliver Roggisch einen nicht unerheblichen Anteil, denn der Defensivspezialist durchlebte in der jüngeren Vergangenheit eine Wandlung und spielt besser denn je.

Wer als Handballer für sein Team nur in der Abwehr auf dem Feld ist, kann eigentlich nicht gut aussehen. Wenn krachende Schüsse aus dem Rückraum im gegnerischen Tor einschlagen oder raffinierte Anspiele an den Kreis erfolgen, sitzt Oliver Roggisch auf der Ersatzbank und wartet auf seinen nächsten Einsatz. Er ist gefordert, wenn die Bemühungen der anderen zerstört werden müssen. Das mag ein Grund sein, warum „The Rogg“, wie er sich selbst auf seiner Website bezeichnet, viele Jahre mit einem Imageproblem zu kämpfen hatte. Ein weiterer Grund war sein aggressives und zum Teil übermotiviertes Eingreifen rund um den eigenen Wurfkreis.

In den ersten fünf Spielen der Saison kassierte Oliver Roggisch zwei Zeitstrafen – nur zwei Zeitstrafen, denn in den vergangenen Jahren war er in der Sünderkartei der Bundesliga immer in den „Medaillenrängen“ dabei. „Ich habe mein Spiel umgestellt, und die Mitspieler helfen mir natürlich auch“, versucht Roggisch, seinen Wandel zu erklären. Mehr als zehn Kilo hat der 34-Jährige in den vergangenen Monaten abgespeckt und ist dadurch beweglicher geworden. Bei den Physiotherapeuten der Rhein-Neckar Löwen ist er noch häufiger als in der Trainingshalle zu Gast: „Der Körper ist mein Kapital, und deshalb pflege ich ihn.“ Deutlich seltener muss er deshalb mangelnde Schnelligkeit durch hartes Eingreifen kompensieren.

Weil die Löwen in dieser Spielzeit außerdem insgesamt deutlich aggressiver verteidigen, ragt die Spielweise Roggischs nicht mehr so deutlich heraus – sie geht vielmehr in der neu entdeckten Leidenschaft der Badener unter. Diese unterschiedlichen Faktoren sorgen dafür, dass die Handball-Welt den vermutlich besten Roggisch der vergangenen Jahre sieht. Inzwischen führt der 2,02-m-Mann auf dem Platz durch Leistung, nicht durch Worte. Der Blick des 34-Jährigen geht außerdem über das Handballfeld hinaus, aus dem teilweise chaotischen Spaß-Menschen ist ein bedachter Privatmann geworden. Das zeigt sich auch im Umgang mit den Unparteiischen: „Ich beschäftige mich nicht mehr so viel mit den Entscheidungen der Schiedsrichter, das hilft mir.“

Oliver Roggisch übte vor der Saison Verzicht. „Ich finde, man muss auch mal etwas zurückgeben, und jeder kennt ja die Situation bei den Löwen, die durch den Rückzug von Pandora entstanden ist“, sagt der Abwehrmann. Mehr als zwei Millionen Euro mussten die Löwen im Etat einsparen, davon war auch der Abwehrspezialist betroffen. Auf rund 30 Prozent seines vorherigen Gehalts verzichtete Roggisch, als er einen neuen Ein-Jahres-Vertrag unterschrieb. Eine lukrative Offerte der HSG Wetzlar, die sich auf insgesamt sechs Jahre belief (drei Jahre als Spieler und drei Jahre als Sport-direktor), lehnte er ab. „Ich fühle mich hier wohl, habe auch gutes Geld verdient, und deshalb bin ich dem Klub entgegengekommen“, erklärt Roggisch, der seit 2007 bei den Löwen der Mann für die harte (Abwehr-)Arbeit ist.

In der Nationalmannschaft hat er seinen Stellenwert zuletzt ebenfalls verbessert, was auch daran liegt, dass er von Trainer Martin Heuberger zum Kapitän ernannt wurde. Roggisch nimmt eine Schlüsselrolle ein und will mit dem DHB-Team an fast schon vergilbte Erfolge anknüpfen. Auf dem Weg dahin stehen am Samstag in Schwerin und am Sonntag in Rostock Testländerspiele gegen Serbien auf dem Programm, die der Vorbereitung auf die EM-Qualifikation Anfang November in Mannheim gegen Montenegro dienen. „Die Serben haben eine starke Mannschaft und spielen eine sehr gute Abwehr. Das ist für uns der richtige Gradmesser“, sagt Roggisch.

Von Michael Wilkening