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„Der Mut zu neuen Konzepten ist dringend notwendig“

DHB-Präsident Bernhard Bauer und HBL-Geschäftsführer Frank Bohmann im Interview

Der „goldgas Tag des Handballs“ wirft seine Schatten voraus. Am 6. September wird sich die Sportart mit all ihren Facetten  in der Frankfurter Commerzbank Arena präsentieren. Wir sprachen mit Bernhard Bauer, dem Präsidenten des Deutschen Handballbundes und Frank Bohmann, Geschäftsführer der DKB Handball-Bundesliga.

Am 6. September 2014 findet in der Frankfurter Commerzbank-Arena der „goldgas Tag des Handballs“ statt, ein Event für die große Handball-Familie, für den Breiten- und den Leistungssport zugleich. Wie steht der Deutsche Handballbund  bzw. die DKB Handball-Bundesliga zu dieser zentralen Veranstaltung?
Bernhard Bauer: Das ist ein sehr spannendes Projekt. Natürlich steht in dessen Zentrum das Bundesligaspiel der Rhein-Neckar Löwen gegen den HSV Hamburg, aber der Handballsport kann sich in vielen Facetten einem riesigen Publikum präsentieren. Wir wollen den Ball aufnehmen, denn in unserem Arbeitsprogramm „Perspektive 2020 – Dem deutschen Handball eine Zukunft geben“, haben wir ja auch formuliert, dass wir uns dafür einsetzen werden, einen Tag des deutschen Handballs als großen und herausragenden Breitensportevent zu planen. Diese zentrale Veranstaltung ist insoweit möglicherweise ein Modell für die Zukunft.

Frank Bohmann: Es ist ja tatsächlich mehr als nur das Bundesligaspiel, das zwischen den Rhein-Neckar Löwen und dem HSV Handball ausgespielt wird. Wir als zentrale Einheit sind natürlich daran interessiert, dass jedes Bundesligaspiel erfolgreich ist, diese Begegnung der Rhein-Neckar Löwen liegt uns aus mehreren Gründen besonders am Herzen. Zum einen bietet die Commerzbank Arena einen außergewöhnlichen Rahmen für ein Handballmatch. Das weckt regional und überregional Interesse, auch bei Menschen, die nicht unbedingt Handballfans sind. Zum anderen ist der Tag des Handballs weit mehr, als ein einzelnes Handballspiel. Ich verstehe diesen Event als eine facettenreiche Werbeveranstaltung, die durch zahlreiche Aktivitäten die Faszination des Handballs darstellt und sie erlebbar macht. Das nutzt unsere Sportart insgesamt, deswegen engagieren wir uns.

Mitveranstalter sind auch neun beteiligte Handball-Landesverbände, die ihren Amateur-Spielbetrieb an diesem Tag ruhen lassen wollen. Würden Sie es begrüßen, wenn von der Handball-Bundesliga diese zentrale Veranstaltung so gewürdigt wird, dass dort auch nur ein Spiel – nämlich nur das beim Tag des Handballs – stattfindet?
Bauer: Ich bin davon überzeugt, dass Liga und Verbände die Premiere des Tages des Handballs bereits bestmöglich unterstützen. Aber wir müssen bei allen Wünschen realistisch bleiben – die Handball-Bundesliga bewegt sich in einem sehr engen, auch durch den internationalen Kalender bestimmten Terminplan. Wenn es uns gemeinsam gelingt, in der Zukunft einen Tag des deutschen Handballs fest zu etablieren, muss natürlich der gesamte Spielbetrieb dieses Ereignis berücksichtigen.

Bohmann: Ich begrüße das Engagement der Landesverbände. Für uns ist eine solche Fokussierung allerdings nicht so einfach. Zwar hat die Veranstaltung eine knapp einjährige Vorlaufzeit, doch die Spielpläne der DKB Handball-Bundesliga werden deutlich eher fixiert. Zum Beispiel werden Hallen gebucht, so dass Termine verbindlich sind. Aber wenn dies mit einem längeren Zeithorizont angeschoben wird, dann ist das durchaus denkbar. Eines steht fest: Am 6. September wird der Tag des Handballs auf die gesamte DKB Handball-Bundesliga und bundesweit auf den Handballsport insgesamt abstrahlen, eben nicht nur auf die Rhein-Neckar Löwen, den HSV Handball und deren Einzugsgebiet.

Der „große Bruder Fußball“ beginnt die Saisoneröffnung der Bundesliga schon an einem Freitag mit einer herausragenden Partie, während die restlichen Begegnungen des ersten Spieltages dann auch erst am Samstag und Sonntag stattfinden. Meinen Sie, dass der „Tag des Handballs“ ähnliches bei der Handball-Bundesliga erreichen kann bzw. sollte?
Bauer: Wir sollten einen Schritt nach dem anderen machen. Rund um die Premiere gibt es bereits so viele spannende Aktivitäten… Die Macher werden das alles im Nachgang bestimmt bewerten und überlegen, wie sich der „Tag des Handballs” weiter entwickeln wird. Ich bin jedenfalls angetan vom Konzept und beeindruckt vom Engagement aller Beteiligten, die sich hier im Sinn der Sache zusammengefunden haben. Deshalb bin ich auch davon überzeugt, dass es mit dem guten Willen aller Beteiligten gelingen kann, eine Lösung zu finden, die dem Handball breite Öffentlichkeitswirkung ermöglicht. Der DHB ist bereit, sich hierfür zu engagieren.

Bohmann: Ja, wenn wir den „Tag des Handballs“ wirklich als übergreifende Saisoneröffnung verstehen, ist das denkbar. Das ist bei der Auflage in 2014 nicht der Fall, denn schon vor der Begegnung in der Commerzbank Arena finden Spiele statt. Und – da sind wir bei den Rhein-Neckar Löwen natürlich an der richtigen Adresse – wir haben im Handball Herausforderungen mit Hallenverfügbarkeit und einem internationalen Spielplan, der extrem kurzfristig Termine ansetzt, so dass wir uns da deutlich schwerer tun als der Fußball.

Es gibt noch andere Sportarten, die mit solchen zentralen Veranstaltungen ihre Sportfamilie zusammenbringen, als Beispiel sei nur das Deutsche Turnfest genannt, bei dem der Breitensport und der Leistungssport der Öffentlichkeit präsentiert werden. Wenn der Handball etwas in dieser Hinsicht erreichen will, bedarf es der Unterstützung aller Handball-Landesverbände. Sieht sich der Deutsche Handballbund  bzw. die Bundesliga dabei in der Pflicht, auf diese Unterstützung hinzuwirken?
Bauer: Wir haben uns in der „Perspektive 2020” ein umfangreiches Programm gegeben und darin auch dem Amateur- und Breitensport einen hohen Stellenwert verschafft. Deshalb ist es auch Aufgabe des DHB, solche Projekte wie den „Tag des Handballs” gemeinsam mit den Landesverbänden und Vereinen zu Erfolgen zu machen. Wir haben den Handball als Ganzes im Blick.

Bohmann: Natürlich können wir als DKB Handball-Bundesliga Einfluss auf die Bundesligisten nehmen, zumal ich davon überzeugt bin, das unsere Klubs solche Projekte mittragen und unterstützen. Wir alle wissen, dass der Wettkampf der Sportarten, die sich neben dem Fußball tummeln, immer härter wird. Deswegen sind neue Konzepte nötig. Die HBL entwickelt und unterstützt Leuchtturmprojekte ihrer Klubs. Ja, wir können uns vorstellen, ein einzelnes Bundesligaspiel im Rahmen eines „Tags des Handballs“ stattfinden zu lassen. Dazu benötigen wir allerdings mindestens zwei Jahre Vorlauf.

Ganz wesentlich wird auch das Rahmenprogramm beim „goldgas Tag des Handballs“ sein, Stars zum Anfassen, Autogrammstunden, Handballturniere der Jugendlichen, Spiel der ‚Legenden‘ und eben die ‚zentrale Bundesligabegegnung‘. Sehen Sie eine Zukunft für ein solches Konzept, wobei der Austragungsort natürlich nicht immer Frankfurt sein muss?
Bauer: Ich bin zuversichtlich, dass wir eine erfolgreiche Premiere erleben werden – und der „Tag des Handballs” auch eine Fortsetzung finden wird. Wie ich bereits erwähnt habe, betrachte ich die jetzige Veranstaltung als Modell, auf dem wir aufbauen können. Dabei werden wir beispielsweise auch entscheiden müssen, in welchem Turnus, an welchen Orten, in welchem Rahmen ein solches Handballfest stattfinden soll. Um die Begeisterung für unseren faszinierenden Sport vielen Menschen näher zu bringen, sollten wir ohne Vorbehalte alle Möglichkeiten für ein solch herausragendes Ereignis prüfen.

Bohmann: Ja. Allerdings gehört auch eine ganze Portion unternehmerischer Geist dazu, um solch ein Projekt zu schultern. Den hat Thorsten Storm von den Rhein-Neckar Löwen bewiesen. Das wirtschaftliche Risiko ist schließlich nicht zu vernachlässigen. Grundsätzlich kann die reine Managementaufgabe eines solchen Events sicher von mehreren Bundesligisten gestemmt werden. Letztlich gehört aber auch Risikobereitschaft, Mut und Power dazu. Hat man sich für den Schritt entschieden, steht man vor einer großen Herausforderung. Ich bin davon überzeugt, dass diese durch das Team der Rhein-Neckar Löwen bewältigt wird. Wir werden am 6. September eine volle Frankfurter Commerzbank Arena erleben. Die Besucher erwartet ein Spitzenspiel der DKB Handball-Bundesliga und ein facettenreicher Handball-Erlebnistag. Ein Ausflug lohnt sich in jedem Fall.

Zurück zur Verbindung des Breiten- und Leistungssports beim Handball. Erstmals findet das Endspiel um den Deutschen Handballpokal der Amateure als Vorspiel beim „Pokal Final Four“ in Hamburg statt. Warum wurde diese Idee erst so spät geboren?
Bauer: Man könnte ja sagen, „besser spät als nie“. Und oft sind die Wege von einer Idee bis zur Realisierung sehr lang. Dies war bei dem neuen Pokalmodus aber nicht der Fall. Im Gegenteil:  Mit der Idee und ihrer Umsetzung war man doch sehr schnell. In einer gemeinsamen AG Pokal haben Vertreter von Verband und Liga sehr konstruktiv zusammengearbeitet und das richtungweisende Konzept entwickelt. Mit dem neuen Modus haben wir die Chance, die Faszination Pokal weitaus besser als bisher in die Breite bringen zu können.

Bohmann: Die Idee zu einer solchen Reform gibt es schon länger. Diese dann aber auch durchzuziehen, ist nicht so leicht. Es galt, ganz unterschiedliche Interessenslagen unter einen Hut zu bringen. Zum Beispiel muss festgelegt werden, wer weiterhin im Pokalwettbewerb bei den Profis im Leistungsbereich mitmischen kann und wer nicht. Wir haben solche Fragestellungen und andere fast drei Jahre verhandelt. In partnerschaftlichen Gesprächen mit dem Deutschen Handballbund und den Landesverbänden haben wir uns gemeinsam zu diesem Weg entschieden. Die jetzige Lösung ist gut und richtig. Wir straffen das Procedere. In der ersten Runde haben wir jetzt mehrere kleinere „Final 4-Turniere“, die sehr viel attraktiver sind, als die bisherige erste Pokalrunde. Ich bin davon überzeugt, dass wir hier den richtigen Weg eingeschlagen haben. Eventuell müssen wir nachjustieren, sollte es sich herausstellen, dass etwas nicht ganz so läuft, wie wir uns das vorgestellt haben.

Ich darf noch einmal auf den Fußball zurückkommen. Dort engagieren sich derzeit sehr stark der Deutsche Fußballbund und die Fußball-Bundesliga zum Thema „Ehrenamt“. Gibt es Bestrebungen, auf der Handballebene ähnliches zu tun, den Stellenwert des Ehrenamtes nicht nur in den Vereinen, sondern auch in unserer Gesellschaft deutlicher zu machen?
Bauer: Das Ehrenamt ist einer der zentralen Bausteine des Handballsports, denn wir wissen, dass unsere vielen ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer für den Handball-Alltag unverzichtbar sind. Wir werden deshalb eine Projektgruppe mit Vereins- und Verbandsvertretern ins Leben rufen, um gute Ideen und Projekte aus den Vereinen zentral zu bündeln und über ein Wissensnetzwerk allen zugänglich zu machen. Für ehrenamtliches Engagement müssen wir zeitgemäß werben und auch neue Modelle für ein Engagement im Verein schaffen. Und letztlich geht es auch für all die Menschen, die Tag für Tag Handball leben, um öffentliche Anerkennung ihres ehrenamtlichen Engagements. Auch da ist der „goldgas Tag des Handballs” eine tolle Möglichkeit.

Bohmann: Der Vergleich zum Fußball hinkt sehr oft, weil der Fußball sehr viel größere Räder dreht und über ganz andere Mittel verfügt. Eines gilt allerdings für den gesamten Profi- und Amateursport und darüber hinaus: Ohne ehrenamtliches Engagement geht gar nichts. Deswegen liegt der Fußball mit der Kampagne genau richtig, auch wir müssen das Ehrenamt noch stärker würdigen. Auch im Handball profitieren alle Ebenen von Menschen, die sich engagieren, ohne zuerst an sich zu denken. Das wissen wir sehr zu schätzen. Nicht nur in Sachen Ehrenamt brauchen wir zusätzliche Impulse, uns muss es gelingen, Gemeinsamkeiten zwischen der Handball-Bundesliga, dem Deutschen Handballbund und dem Breiten- und Spitzensport neu zu entdecken und miteinander zu verknüpfen. Das ist die Stärke der Volkssportart Handball. Da sind wir nach dem Fußball klar die Nummer zwei. Diese Stärke müssen wir nutzen, genau davon lebt der Handball, genau davon werden Projekte, wie auch der goldgas Tag des Handballs getragen.