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Endspurt zum Titel (BNN)

Die Rhein-Neckar Löwen greifen nach ihrer ersten Meisterschaft

Echte Zweifel gibt es kaum noch bei den Rhein-Neckar Löwen. Nur die Frage, wann die jahrelange Titel-Seuche des Vereins ihr verbindliches Ende haben wird, umtreibt das Lager des Handball-Bundesligisten im Vorfeld des letzten Saison-Heimspiels am morgigen Sonntag (17.15 Uhr/Sport 1) gegen den TSV Hannover-Burgdorf. Wenn die Partie in der Mannheimer SAP-Arena angeworfen wird, wissen Badens beste Ballwerfer zumindest schon, ob der Champagner am Spielfeldrand bereitzustellen ist. Denn bereits um 15 Uhr treten ihre Verfolger von der SG Flensburg-Handewitt beim TVB Stuttgart an. Patzen die Rivalen bei den Schwaben, stünden die Löwen bei einem eigenen Sieg über die Niedersachsen bereits vor dem letzten Spieltag als Champion fest.

Es müsste also mit dem Teufel zugehen, würde die Truppe um Uwe Gensheimer ihren Zwei-Punkte-Vorsprung samt der gegenüber Flensburg deutlich besseren Tordifferenz noch verspielen.
Allein die Tatsache, dass aktuell noch nicht sicher ist, wo der Erfolg mit den Fans gefeiert werden soll, zeigt die Ambivalenz eines Vereins, der seine Wurzeln im Bruchsaler Handballkreis hat, dessen Trainingszentrum in Kronau beheimatet ist und der trotz dieser Konstellation längst in Mannheim sein Zuhause gefunden hat. Seit nunmehr drei Jahren kämpfen die Löwen ernsthaft um den Titel. Zwei- mal scheiterten sie denkbar knapp im Rennen um die Schale. Doch diesmal haben sie es ganz alleine in der Hand, sich den großen Traum zu erfüllen. Der Titel wäre jedenfalls der verdiente Lohn für eine kontinuierliche Arbeit über Jahre hinweg.
Vor knapp vier Jahren hatte sich der Verein finanziell am Boden befunden, nachdem sich sein Mäzen Jesper Nielsen zurückgezogen hatte. Der Schmuckbaron aus Dänemark, der mit seinem Unternehmen Pandora zu großem Reichtum gekommen war, hatte unter Mithilfe des damaligen Löwen-Managers Thorsten Storm irrwitzige Gehälter gezahlt, um seinen Traum zu erzwingen, den besten Handballverein der Welt zu besitzen. Doch 2011 verlor Nielsen die Lust an seinem Spielzeug und die Löwen danach fast die Bundesliga-Lizenz. Bis heute knabbert der Club an den Altlasten, muss immer noch Abstandszahlungen an Spieler leisten, die längst kein Löwen-Trikot mehr tragen. Trotz massiver Einsparungen hatte er in den vergangenen Jahren eine Mannschaft geformt, die nun Titelreife erreicht hat. Der Slogan „Charakter schlägt Qualität“ steht vor der Einlösung.
Inzwischen haben sich die Mannschaft und der Verein ein Image erarbeitet, das ihnen deutschlandweit Sympathien einbringt. In den ersten Jahren des Bestehens waren die Löwen als „neureicher Emporkömmling“ bei den Handball-Enthusiasten bestenfalls geduldet, keinesfalls aber sonderlich beliebt.
Dabei hatte der Weg der Löwen vor 14 Jahren aus ganz üblichen Zwängen heraus begonnen. Die TSG Kronau und der TSV Baden Östringen spielten als Nachbarn ordentliche Rollen in der Zweiten Bundesliga, waren aus eigener Kraft aber schlicht nicht in der Lage, ins Oberhaus aufzusteigen. Deshalb bildeten sie eine Spielgemeinschaft und gingen ab Sommer 2002 als SG Kronau/Östringen an den Start. Die erhofften Synergieeffekte traten prompt ein, denn ein Jahr später wurde der Aufstieg in die Bundesliga gefeiert, so dass der Südwesten Deutschlands mit der SG einen neuen und gelben Farbtupfer besaß.
Nach einem Abstieg und einem neuerlichen Aufstieg ging der Club im Sommer 2005 einen Schritt, der ihn nachhaltig verändern sollte. Weil in Mannheim die SAP-Arena mit einem Fassungsvermögen für mehr als 13 000 Besucher entstanden war und ihr Eigentümer Daniel Hopp neben den Mannheimer Adlern aus der Deutschen Eishockey-Liga ein zweites professionelles Team als Mieter suchte, entschlossen sich die Vereinsbosse der SG dazu, ihre Heimspiele fortan in der Kurpfalz auszutragen. Das ermöglichte die Weiterentwicklung der Mannschaft, entzog ihr aber gleichzeitig die Wurzeln der Stammvereine, die nicht ohne Schmerzen blieb. Viele ehemalige Unterstützer entsagten ihre Liebe, neue Zuschauer und Sponsoren kamen durch den Umzug nicht hinzu.
Der damalige Schritt hat bis heute Narben hinterlassen, allerdings haben es die aktuellen Protagonisten auf dem Feld und in der Vereinsführung geschafft, einen Spagat zwischen den Notwendigkeiten des Spitzensports und der Bewahrung der eigenen Geschichte zu schaffen. Einige Mitarbeiter der Geschäftsstelle haben schon die Anfänge der SG erlebt, Betreuer Konrad Hoffmann ist sogar seit über 30 Jahren dabei und half schon beim TSV Baden Östringen mit. Hoffmann wird Freudentränen vergießen, wenn der Gewinn der Schale kein Traum mehr ist. Ebenso wie viele Fans, die in jüngeren Jahren in Mannheim hinzukamen. In ihrer Liebe für den Verein sind sie inzwischen vereint.
Von Michael Wilkening und René Dankert