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Klaus Gärtner: Pragmatiker mit Weitblick

Co-Trainer verlässt die Rhein-Neckar Löwen / Wechsel auf Chefposten bei österreichischem Spitzenklub

Als er zu den Rhein-Neckar Löwen kam, sei für ihn ein Jugendtraum in Erfüllung gegangen. „Bei einem Handball-Bundesligisten zu arbeiten, in der stärksten Liga der Welt, das war zu der Zeit das Größte für mich“, sagt Klaus Gärtner. Nun, vier Jahre später und um fünf Titel reicher, verlässt der Co-Trainer von Chefcoach Nikolaj Jacobsen den Verein und tritt, im nächsten Schritt auf der Karriereleiter, seinen ersten Posten als Cheftrainer an. Zum 1. Juli beginnt seine Amtszeit beim österreichischen Spitzenklub ALPLA HC Hard.

Der gebürtige Heidelberger, der gestern seinen 43. Geburtstag feierte, freut sich auf die Herausforderung in der Alpenrepublik, wenngleich er weiß, was ihn erwartet: „Das ist eine andere Rolle, als ich sie bisher innehatte. Ich muss jetzt auch harte Entscheidungen treffen, und dem muss ich mir – genauso wie meinem eigenen Trainerstil – bewusstwerden.“ An solchen Sätzen merkt man gleich: Klaus Gärtner ist einer, der sich viele Gedanken macht. Der über ein ausgeprägtes Talent für analytisches Denken verfügt. Der Zusammenhänge erkennt und logisch davon herleitet: Was heißt das konkret? Was bedeutet das für mein Handeln? Bei den Rhein-Neckar Löwen war er deshalb nicht nur für die Videoanalyse, sondern auch für die Koordination im Nachwuchsleistungszentrum sowie die Verzahnung von Jugend und Profi-Abteilung zuständig. Aus dem Talente-Schuppen der Löwen fanden unter seiner Ägide unter anderem Maximilian Trost, David Schmidt und Max Haider den Weg von der Jugend zu den Profis.

Anfangs ein bisschen unsicher

Im Gespräch über die Ausrichtung der Jugendarbeit bei den Rhein-Neckar Löwen erklärte Klaus Gärtner seinen pragmatischen Ansatz: Man wolle hier den jungen Leuten das Rüstzeug mitgeben, um ein erfolgreicher Handball-Profi werden zu können. Geschult würden dabei, ganz nach dem französischen Modell, vor allem Athletik und Durchsetzungsfähigkeit. Schaut man sich Spielertypen wie Max Trost und Rico Keller, aber auch Philipp Ahouansou in der aktuellen B-Jugend an, lässt sich durchaus erkennen, dass dieser Ansatz Früchte trägt und sich als ein Charakteristikum in der Jugendarbeit der Rhein-Neckar Löwen durchgesetzt hat. Apropos durchsetzen: Für Klaus Gärtner war es zunächst alles andere als einfach, sich bei den Löwen zu behaupten. Er sei am Anfang schon auch ein bisschen unsicher gewesen, habe sich schwergetan im Umgang mit Weltklassespielern, wo er doch selbst nie auf diesem Niveau aktiv gewesen sei.

Geholfen, auf diesem Niveau anzukommen, habe ihm tatsächlich dann der tägliche Umgang – und das exzessive Studium von Spielen. Vor allem die Spiele in der Champions League hätten ihn in Sachen Taktik weit nach vorne gebracht. Und natürlich die Arbeit mit Nikolaj Jacobsen. „Was taktische Kniffe anbelangt, ist Niko absolut führend. Das Schlagwort in diesem Zusammenhang heißt ganz klar Flexibilität, und das gilt für beide Mannschaftsteile. Niko hat die Defensive genauso wie die Offensive im Blick.“ Dabei beziehe sich die Flexibilität nicht nur auf die Spielvorbereitung, sondern auch auf das Coaching während eines Spieles. „Wie flexibel er da reagiert und sich, wenn nötig, dem Gegner anpasst, ist überragend.“ Für seinen weiteren Weg wird er viel davon mitnehmen, sagt Klaus Gärtner, und führt neben den taktischen Maßnahmen vor allem auch die Souveränität, das Selbstvertrauen und die Beobachtungsgabe an, die er sich von Nikolaj Jacobsen habe abschauen können. Dieses gelte es in die eigene Trainerpersönlichkeit zu integrieren.

Riesiger Fundus an Erfahrungswissen

Denn fest steht auch: Klaus Gärtner ist keine Version von Niko Jacobsen. Trainer war er schon lange vor seinem Engagement bei den Rhein-Neckar Löwen. Acht Jahre lang war er in der Jugendarbeit der SG Flensburg-Handewitt tätig, hat mit jedem erdenklichen Jahrgang zusammengearbeitet und einen riesigen Fundus an Erfahrungswissen. Diesen nimmt er nun mit nach Österreich, genauso wie die Vorfreude auf den neuen Job. „Ich probiere gerne neue Dinge aus und freue mich auf das neue Umfeld, eine neue Aufgabe, eine neue Region, einen neuen Lebensstil.“ Von den Österreichern erwartet er eine gewisse Entspanntheit, freuen kann er sich auch auf kurze Wege ins nächste Skigebiet und zum Mountain-Bike-Fahren. Auch sportlich dürfte er schnell Anschluss finden: „Ich denke, dass ich da zu einem Verein komme, der sehr gut zu mir passt. Es geht sehr familiär zu, die Leute investieren hier ihr Herzblut in einen recht überschaubaren Klub, was die Größe anbelangt.“

Naturgemäß wichtiger als das Umfeld ist Klaus Gärtner als Chefcoach die tägliche Arbeit mit den Spielern: „Ich baue gerne enge Verbindungen zu meinen Jungs auf.“ Von der österreichischen Liga verspricht er sich deutlich mehr Fokus auf das Sportliche, weniger auf das Drumherum. „Wir haben hier deutlich weniger Zuschauer als in Deutschland, im europäischen Ranking liegt die Liga ziemlich weit hinten. Aber es tut sich was, vor allem im Hinblick auf die EM 2020 im eigenen Land. Es ist, wie ich finde, eine gute Liga zum Einstieg als Trainer.“ Das Niveau vergleicht er mit dem Durchschnitt in der Zweiten Bundesliga. „Wir haben hier viele junge österreichische Spieler.“ Etwas, das dem Jugend-Experten Gärtner sehr entgegenkommen dürfte.