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Michael Müller mit dem Löwenherz

„Mit unserer Mannschaft brauchen wir uns vor niemandem zu verstecken“

Der rechte Rückraum ist sein Revier, seine Wohlfühlzone. Wenn er dort aufkreuzt, wenn er dort abhebt, wenn er dort Maß nimmt, hat die gegnerische Abwehrformation meist schon verloren. Michael Müller ist ein Handball-Kunstschütze, einer, der höchsten Ansprüchen genügt. Seine Schnelligkeit, seine Präzision, seine Durchschlagskraft: Bundestrainer Heiner Brand schwört längst auf ihn. Aus dem Kreis der nationalen Elite ist er nicht mehr wegzudenken. Mit 24 Jahren. Ein Juwel – ein Löwen-Juwel. Der badische Bundesligist hat ihn sich gekrallt. Bis 2012 soll der Linkshänder für das Rudel aus der zweiten Reihe ballern.

Am letzten Samstag war sein erster Arbeitstag. Doch der zählte nicht: Die Gelbhemden probierten sich als Fotomodels, lächelten grinsten in die Kameralinsen. Stress der anderen Art. Montags wurde es dann erstmals anstrengend: Schwitzen war angesagt. Die Mannschaft traf sich im Heidelberger Olympiastützpunkt im Neuenheimer Feld zu Ausdauer- und Krafttests. Trainieren ohne Ball – wie langweilig. Michael Müller beurteilt das ähnlich. Aber dieses Mal war’s ihm völlig egal: „Für mich als neuen Spieler ist momentan alles spannend, was hier so passiert“, grinst der gebürtige Würzburger. Selbst der Laktattest konnte ihm die Laune nicht vermiesen. Er nimmt die Strapazen gerne in Kauf. Müller, der Vorbildliche: „Jeder weiß danach genau, wo er steht und wo angesetzt werden muss.“ Völlig unvorbereitet war der 1,97m Mann übrigens nicht. Die Laufschuhe rückten bei ihm auch während der Sommerpause in den Mittelpunkt. Die eigene Fitness ist ihm heilig: „Urlaub hin oder her, man muss immer an sich arbeiten.“ Ein Musterprofi.

Verantwortungsbewusst und extrem lernwillig. Womit wir bei Olafur Stefanson wären, dem 36 jährigen Titel-Hamster, der eigentlich schon alles gewonnen hat, was es im Handball zu gewinnen gibt. Im rechten Rückraum macht ihm so schnell niemand etwas vor. Müller weiß das. Er schwärmt von seinem neuen Partner auf Halbrechts: „Von ihm kann ich noch viel lernen. Ich werde Olafur in jeder Trainingseinheit und in jedem Spiel genau beobachten.“ Seit gestern kann Müller die Fähigkeiten des Isländers analysieren: Trainer Ola Lindgren hatte ein Einsehen, ist kein Schleifer im herkömmlichen Sinn. Nachmittags wurde bereits mit dem kleinen Bällchen geübt. Aber in dosierter Form: „Vollgas wäre fatal“, erklärt Müller, „sonst macht man sich ruckzuck die Schulter kaputt.“ Müller kennt sich aus, hat viel erlebt. Mit dem Handball-Virus infizierte sich der gelernte Industriekaufmann schon als Knirps. Seine Mutter leistete den Feinschliff. Sie coachte ihn und seinen Zwillingsbruder Philipp bei Haspo Bayreuth. Die ersten Zweitliga-Gehversuche startete der Oberfranke, der sich gerne mal mit Rockmusik zudröhnt, in den Reihen der Tuspo Obernburg. Dass er das Zeug zum ganz großen Wurf hat, war damals längst klar. Großwallstadts Trainer Michael Roth ließ ihn und seinen Bruder regelmäßig mit seinen Bundesliga-Assen mittrainieren. Am 1. September 2007 war es dann soweit: Michael und Philipp spielten Seite an Seite für Großwallstadt gegen Kiel. Philipp zockt mittlerweile in Balingen. Und Michael? Na, der hat sein Löwenherz entdeckt: „Mit unserer Mannschaft brauchen wir uns vor niemandem zu verstecken.“ Sein Titelhunger ist riesig, der Magen knurrt: „Es ist einiges machbar.“ Er lächelt als er das sagt. Siegerlächeln nennt man das.

Von Daniel Hund


22.07.2009