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„Es liegt alles in unserer Hand“

Alexander Petersson im Interview

Die laufende Bundesligasaison nähert sich der EM-Pause. Bis dahin empfangen die Rhein-Neckar Löwen mit den Füchsen Berlin und der SG Flensburg-Handewitt noch zwei direkte Konkurrenten im Kampf um die Tabellenspitze der DKB Handball-Bundesliga. Im Interview spricht Alexander Petersson über die letzten Partien im Jahr 2017, gibt einen Ausblick auf das Jahr 2018 und spricht über die Weihnachtszeit mit seiner Familie, ein mögliches Karriereende im Trikot der Löwen und erklärt, warum es auf Island keine Weihnachtsbäume gibt.

Alex, wie fühlt es sich an, im Dezember jetzt wieder mehr Heimspiele zu haben und in der gewohnten Umgebung der SAP Arena zu sein?

Alexander Petersson: Ich bin tatsächlich froh, dass der November mit seinen vielen Auswärtsspielen vorbei ist. Es ist ungemein wichtig, den Rhythmus wieder zu finden, sich in Ruhe vorbereiten zu können, die Familie und das gewohnte Umfeld um sich zu haben. Die vielen Reisen im November haben uns wirklich aus dem Tritt gebracht – was sich am Anfang erst gar nicht so abgezeichnet hat. Es ist wirklich ein gutes Gefühl, wieder hier zu sein.

Im Dezember stehen nicht zuletzt die Spitzenspiele gegen deine ehemaligen Clubs Füchse Berlin und SG Flensburg-Handewitt an. Ist dieser Monat die Zeit, in dem man viel gewinnen – aber auch viel verlieren kann?

Petersson: Das liegt alles in unserer Hand. Unser Ziel ist es, alle Spiele zu gewinnen und als Erster in die EM-Pause zu gehen. Natürlich kann man in diesen beiden Partien auch viel verlieren, aber wir sind erfahren genug, um mit diesem Druck umzugehen. Und wir haben den Heimvorteil vor unseren Fans. Darauf
freue ich mich.

Zuerst geht es am kommenden Donnerstag gegen Berlin. Hast du mit den Berlinern als direktem Titelkonkurrenten gerechnet?

Petersson: Ehrlich gesagt noch nicht, da Berlin in den zurückliegenden Spielzeiten trotz seiner starken Einzelspieler nie so konstant gespielt hat und nun auch erst einmal den Trainerwechsel verarbeiten musste. Aber bisher haben die Füchse das gut gelöst und konnten sich ohne die Dauerbelastung in einem europäischen Wettbewerb auf ihre Aufgaben vorbereiten. Das war ein großer Vorteil für sie. Bevor wir aber auf Berlin schauen, wartet am Sonntag auf uns noch das Derby in Ludwigshafen. Auch wenn die Rollen hier sicher klar verteilt sind, wir müssen auch diese Aufgabe erst einmal lösen. Erst danach schauen wir auf Berlin, was sicher ein sehr schweres Spiel wird.

Was macht die Hauptstädter so stark?

Petersson: Berlin hat natürlich einen hervorragenden Rückraum. Fäth, Nenadic, Wiede, Drux – diese Namen reichen ja schon. Und das die Füchse vor ihrem Top-Torhüter Silvio Heinevetter eine klasse Abwehr spielen können, haben Sie ebenfalls schon bewiesen. Berlin ist künftig sicher ein echter Titelkandidat.

Berlins Petar Nenadic geht in der Winterpause nach Veszprem, dafür ist jetzt schon Stipe Mandalinic aus Zagreb da. Können die Berliner so den Nenadic-Verlust auffangen?

Petersson: Nenadic hat sich zuletzt sehr stark entwickelt, er kann ein Spiel alleine entscheiden. Berlin wird nach seinem Weggang sicher eine schwerere Rückrunde spielen – auch weil dann in der Gruppenphase des EHF-Cups eine weitere Belastung dazukommt. Vielleicht werden sie dann Spiele verlieren, an die heute noch keiner denkt. Das hoffe ich zumindest … (lacht).

Und mit einem Sieg gegen Berlin holt ihr euch dann das Selbstvertrauen gegen den nächsten direkten Konkurrenten aus Flensburg?

Petersson: Ja, das wäre natürlich optimal, zumal wir dann eine ganze Woche Zeit haben, um uns auf das Flensburg-Spiel vorzubereiten. Aber ob das tatsächlich ein Vorteil ist, muss man sehen – diese Situation hatten wir bisher ja kaum … (lacht). Ich freue mich auf jeden Fall riesig auf diese beiden Spiele. In der Vorweihnachtszeit vor einer vollen Halle gegen uns zu spielen, ist für keine Mannschaft einfach.

Sind die Norddeutschen eure härtesten Konkurrenten oder muss man auch noch Melsungen und Hannover mit auf der Rechnung haben?

Petersson: Flensburg hat wie wir noch alle Möglichkeiten, dann kommt gleich Berlin. Melsungen und Hannover werden ebenfalls noch um die Champions-League- und Europapokalplätze kämpfen – und vielleicht noch der ein oder anderen großen Mannschaft wehtun. Diese Erfahrung mussten wir ja auch schon machen.

Nach dem Flensburg-Spiel ist erst einmal Weihnachten, bevor es am zweiten Feiertag dann noch nach Stuttgart geht. Wie wird im Hause Petersson gefeiert? Kommen die isländischen Weihnachtskerle ab dem 12. Dezember aus den Bergen und verteilen jeden Tag je nach Betragen Kartoffeln oder Geschenke? Oder haben deine beiden Söhne einen Adventskalender nach deutscher Tradition?

Petersson: Von allem etwas. Das ist einfach eine schöne Zeit für die Familie, und da es einen Adventskalender gibt, aber auch die Jólasveinar und der Nikolaus kommen, heißt das viele Geschenke für die Kinder und viel Arbeit für die Eltern.

Gibt es an Weihnachten etwas Besonderes zu essen?

Petersson: Das ist noch nicht entschieden. Vielleicht eine isländische Wildgans, Wildente oder Rjupa – eine Art isländisches Schneehuhn. Irgendetwas Exotisches darf es aber schon sein.

Gehört bei euch zu Weihnachten auch der Brauch, im gekochten Milchreis eine Mandel zu verstecken? Derjenige, der die Mandel findet, soll ein weiteres Geschenk bekommen…

Petersson: Ja, das machen wir tatsächlich auch, und in den vergangenen beiden Jahren hatte ich sogar ziemlich viel Glück dabei.

Stimmt es, dass die Weihnachtsbäume auf Island vom Festland importiert werden müssen, weil es auf der Vulkaninsel fast keine Bäume gibt?

Petersson: Es gibt schon Bäume, aber keine Plantagen oder besonders schöne Exemplare. Die meisten Weihnachtsbäume werden aus Nordeuropa importiert. Man kauft dann einen „Nordmann“. Hier in Deutschland ist es natürlich einfacher, einen Baum zu bekommen.

Hast du noch lebendige Erinnerungen an Weihnachten in deiner lettischen Heimat? Dort heißt es, wer an Weihnachten neunmal isst, soll im nächsten Jahr reich und glücklich werden. Hoffentlich habt ihr genug auf dem Tisch …

Petersson: Da kann ich mich noch an das traditionelle Essen erinnern, wie zum Beispiel schwarze Bohnen und Speck. Und mit dem Essen schauen wir, dass genug auf dem Tisch ist. Dann wird auch das Jahr gut.

Nach Weihnachten ist EM-Pause, freust du dich, dann die Batterien wieder aufladen zu können?

Petersson: Ja, natürlich. Vielleicht mal eine Woche gar nichts machen und dann ohne Stress wieder mit dem Athletik-Training anfangen. Das tut dem Körper richtig gut, darauf freue ich mich.

Du bist bekannt dafür, dass du sehr auf deinen Körper und deine Ernährung achtest. Hast du für so eine Pause da deinen eigenen Plan oder stimmst du dich mit den Löwen-Physios ab?

Petersson: Früher musste ich diese Erfahrungen sammeln, aber inzwischen weiß ich schon ganz genau, was mein Körper braucht. Deshalb muss man sich über die Feiertage aber nicht alles verbieten. Es reicht, wenn man sich danach ein bisschen bestraft (lacht).

Bei der EM bist du dann nur Zuschauer. Was traust du Island mit deinem Teamkollegen Gudjon Valur Sigurdsson und was traust du Deutschland zu?

Petersson: Für Island wird es wie zuletzt bei der WM wieder das Ziel sein, die Gruppenphase zu überstehen, da die Mannschaft noch immer im Umbruch ist und nicht genug erfahrene Spieler hat. Deutschland sollte dagegen den Anspruch haben, das Halbfinale zu erreichen. Ich denke, das ist realistisch.

Du warst bei der Fußball-EM 2016 in Frankreich und hast den Höhenflug der Isländer mitverfolgt. Die WM-Auslosung hat deinen Landsleuten Argentinien, Kroatien und Nigeria beschert. Gibt es Chancen auf das Achtelfinale?

Petersson: In Moskau das erste Spiel gegen Argentinien zu absolvieren, ist natürlich ein absolutes Highlight für Island. Dass sich die Mannschaft zum zweiten Mal in Folge für ein großes Turnier qualifiziert hat, ist eigentlich unfassbar für so ein kleines Land. Mal sehen, wie weit es geht.

Hast du eine Erklärung dafür, dass Island vor allem im Handball und Fußball international mithalten kann, während die Sportler von der kalten Vulkaninsel zum Beispiel im Wintersport kaum eine Rolle spielen? Sind Isländer einfach Mannschaftssportler?

Petersson: Diese Frage stelle ich mir auch oft. Vielleicht muss man auf einer Insel einfach mehr zusammenhalten, da gibt es sicher eine bestimmte Mentalität. Aber der Sport ist natürlich für viele auch eine Möglichkeit, mal etwas anderes zu sehen, über den Horizont hinauszublicken, als Profi im Ausland Lebenserfahrung zu sammeln – obwohl alle Isländer ihr Land gleichzeitig auch unheimlich lieben.

Dein Vertrag läuft bis zum Sommer 2019, wenn du wechselst, gibt es immer eine neue Trikotnummer mit deinem aktuellen Alter. Sehen wir dann das Petersson-Trikot mit der 39 noch einmal irgendwo anders oder wie fändest du die Aussicht, dass die 32 unter dem Dach der SAP Arena hängt?

Petersson: Das mit dem Trikot unter dem Dach ist eine schöne Vorstellung. Bei den Löwen meine Karriere zu beenden, hätte seinen Reiz. Aber da gehören natürlich immer zwei Seiten dazu. Dazu kommt die Gesundheit in ein oder zwei Jahren – das sind alles Faktoren dafür, ob es noch einmal ein Trikot mit der 39 oder 40 geben wird.