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Vorfreude auf „hungrige Löwen“ (RNZ)

Herning. Nikolaj Jacobsen ist ab 1. Juli der neue Trainer der Rhein-Neckar Löwen. Bis dahin bleibt er Trainer des amtierenden dänischen Meister Aalborg HB und TV-Experte beim dänischen Fernsehsender TV2. In dieser Funktion ist er im Moment bei der Handball-EM im Einsatz, die ganz Dänemark in den Bann zieht. Am Rande der Gruppenspiele in Herning traf sich Jacobsen mit der RNZ zu einem Gespräch.

Noch ehe er auf einem Sofa in den Katakomben der Jyske Bank Boxen Platz nimmt, kommt er an einer Schale vorbei, die mit Chips gefüllt ist. Nikolaj Jacobsen greift einmal hinein, kurz darauf noch einmal. „Ich kann da nicht dran vorbeilaufen, ohne ein paar davon zu essen“, sagt der Trainer und lacht. Und schon in diesem Moment deutet sich an, wie der Mann tickt, der bei den Löwen auf Gudmundur Gudmundsson folgt, und die erfolgreiche Arbeit des Isländers fortsetzen soll.

Nur einen Fehler darf man nicht machen: Wer denkt, da kommt ein Gute-Laune-Onkel aus Dänemark, dürfte sich schnell umschauen. Auch wenn Jacobsen sagt, dass er die Spieler eher an der langen Leine führt, schließlich seien das „erwachsene Menschen, die wissen, was sie tun müssen“, kann er schnell umschalten und streng werden, wenn etwas droht, aus dem Ruder zu laufen. Mit Aalborg hat er mit seinem Führungsstil in der vergangenen Saison überraschend die dänische Meisterschaft gewonnen. Die den Skandinaviern eigene Lockerheit verbindet er mit der nötigen Zielstrebigkeit, um erfolgreich zu sein.

In Kiel werden sie darüber verwundert sein, denn in seiner aktiven Zeit als Spieler beim THW zwischen 1998 und 2004 galt er als Spaßvogel, der Regeln auch mal dehnte – oder versuchte, dies zu tun. „Ich glaube, ich wollte so einen Spieler, wie ich einer war, lieber nicht in meiner Mannschaft haben“, sagt Jacobsen. Das bezieht sich aber nur auf den jungen Jacobsen außerhalb des Handballplatzes, auf dem Feld verzückte er die Fans. In Kiel hat er bis heute den Spitznamen „Zaubermaus“ inne und wenn man seine damaligen Wegbegleiter fragt, kommen die ob der Trickwürfe des Linksaußen auch heute noch ins Schwärmen.

Allzu lange möchte sich der neue Löwen-Coach mit der Vergangenheit als Spieler aber gedanklich nicht aufhalten, viel wichtiger ist ihm die Gegenwart – und die Zukunft ab dem 1. Juli. Kurz nach dem Jahreswechsel, noch vor dem Start der EM, war er in Mannheim und Kronau, um sich seinen künftigen Arbeitsplatz anzusehen und die Planungen für die kommende Saison abzusprechen. Eindruck hat neben den Trainingsbedingungen in Kronau vor allem das Wetter hinterlassen. „Es waren dort 16 Grad. Das ist für einen Dänen richtig warm und die Leute haben ganz schön geguckt, als ich als Einziger im T-Shirt in Mannheim über die Planken geschlendert bin.“

In der SAP Arena, dem Wohnzimmer der Löwen, war Jacobsen auch und sah sich dabei ein Heimspiel der Mannheimer Adler gegen die Düsseldorfer EG an. Bei dieser Gelegenheit traf er auch ein paar Mitglieder des Löwen-Aufsichtsrates, um mit ihnen in entspannter Atmosphäre zu plaudern. Jacobsen, das fällt schnell auf, ist ein Mann der Kommunikation. Das werden auch die Spieler feststellen, die künftig mit ihm zusammenarbeiten. Mit Stefan Kneer (Magdeburg), Mads Mensah Larsen (Aalborg), Harald Reinkind (Fyllingen) und Tim Suton (Saarlouis) wurden in Absprache mit Jacobsen schon einige Spieler für die neue Saison verpflichtet, möglicherweise kommt noch einer hinzu. „Aber dazu möchte ich nichts sagen, das wird der Klub zu gegebener Zeit bekannt geben“, sagt Jacobsen.

Redseliger ist er im Bezug auf die Spielidee, die er verfolgt. „Ich freue mich, dass wir im nächsten Jahr eine junge, hungrige Mannschaft bei den Löwen haben“, sagt er und kündigt an, „schnellen offensiven Handball“ spielen lassen zu wollen. In der Defensive ist eine offensive 6:0-Abwehr die Basis, aber auch eine 5:1- oder eine 4:2-Variante sollen die Optionen während des Spiels erhöhen. „Ich agiere lieber, möchte nicht reagieren“, erklärt Jacobsen. Das hört sich nach spannenden Zeiten für die Löwen-Fans an. 

Von Michael Wilkening