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„Wir werden hier noch große Spiele sehen“

Andy Schmid ist offen und selbstbewusst – und sich klein zu machen, wäre auch der falsche Ansatz für den Schweizer. Schließlich soll der Neuzugang zusammen mit Børge Lund künftig das Spiel der Rhein-Neckar Löwen auf der Rückraum-Mitte-Position prägen. Seine Erfahrungen hat er zuletzt in Dänemark gesammelt und kam nun über den skandinavischen Umweg in die stärkste Handball-Liga der Welt. „Ich bin am Ziel“, sagt Schmid mit Blick auf den Ortswechsel – aber seine Mission bei den Löwen fängt gerade erst an.

Andy Schmid hat seine neue Heimat gefunden. In Heidelberg-Neuenheim ist der Schweizer mittlerweile untergekommen und die aktuelle Adresse passt bestens zum neuen Arbeitgeber, den Rhein-Neckar Löwen. „Der Zoo ist gerade um die Ecke“, präsentiert Schmid stolz die ersten Ortskenntnisse und weiß bereits die Richtung zu den echten Artgenossen hinter den blassgrünen Stahlgitterstangen. Doch in Augenschein nehmen konnte Schmid bisher weder die Raubkatzen noch die übrigen Sehenswürdigkeiten der Region. Bislang spielte sich sein Profi-Leben wie in der schweißtreibenden Vorbereitung so üblich hauptsächlich in der Kronauer Trainingshalle oder wie zuletzt vier Flugstunden entfernt im Trainingslager auf Fuerteventura ab.

Doch trotz aller Mühen ist der 26-Jährige zugleich beeindruckt, wie professionell bei den Löwen der Saisonaufbau betrieben wird. „Von meinen bisherigen Vereinen kannte ich das in der Form noch nicht“, blickt Schmid auf die Leistungstests zum Auftakt oder die Reise auf die Kanaren. Und dabei ist es schließlich nicht so, dass er in seiner bisherigen Karriere noch nichts erlebt hätte.

2008 und 2009 gab es mit Amicitia Zürich immerhin Meisterehren in der Schweiz, zwei Mal wurde Schmid in dieser Zeit auch zum „wertvollsten Spieler der Liga“ gewählt und spielte 2008 Champions League. Doch den Schritt nach Deutschland wagte er zunächst nicht direkt. „Der Schweizer Handball wird hier leider immer noch etwas belächelt“, wollte der Rechtshänder nicht bei einem Klub im hinteren Mittelfeld landen, sondern er hatte einen anderen Plan: Sich in einer akzeptierten Handball-Nation in den Vordergrund spielen, um dann die Option auf ein Engagement bei einem größeren Klub zu bekommen. „Und deshalb wollte ich nicht mitspielen, sondern einer der Besten der Liga sein.“ Gelungen ist ihm dies im vergangenen Jahr bei Dänemarks dritter Kraft Bjerringsbro-Silkeborg, die er als Spielmacher vor den Titel-Play-offs auf Platz eins geführt hatte. Auch Löwen-Mäzen Jesper Nielsen ist die Spielweise Schmids dabei ins Auge gefallen. „Andy hat das Potenzial zum Weltklasse-Spieler“, ist sich Nielsen sicher. Manager Thorsten Storm schwärmt unterdessen von Schmids Schnelligkeit und seinem Drang zum Tor.

Auch dass er nun praktisch von Null auf Hundert mit dem Ex-Kieler Børge Lund das Spiel der Löwen prägen soll, schreckt den Schweizer Nationalspieler nicht. „Es ist doch schön, eine Herausforderung zu haben“, sagt Schmid, und zum Mitläufer ist der Spielmacher sowieso nicht geboren. „Auch Børge ist erfahren genug. Ich bin mir sicher, dass wir das gemeinsam hinkriegen“, sagte Schmid nach dem ersten Auftritt vor den eigenen Fans beim Velyky-Spiel und schaute beeindruckt auf die Ränge der neuen Heimstätte. „Hier werden wir noch große Spiele sehen.“

Damit dieser Wunsch Realität wird, feilt Schmid gemeinsam mit Trainer Ola Lindgren weiter an der Abstimmung mit den Nebenleuten. „Wir nutzen jedes Training, auch in Zweier-Gruppen und mit dem Kreisläufer kann man schon viel bewegen“, weiß Schmid. Der nächste echte Test steht bereits am kommenden Wochenende mit dem Intersport Masters um den Kempa-Cup (13. bis 15. August) in Sindelfingen an. Der wohl beste Schweizer Handballer seit Marc Baumgartner kann sich dann mit seinen Kollegen schon einmal mit Bundesliga-Konkurrenten wie Hamburg, Göppingen oder Balingen-Weilstetten messen. „Das ist das, was ich wollte. Jetzt bin ich am Ziel“, freut sich der 26-Jährige auf die neue Herausforderung, denn sein Erfolgshunger ist mit dem Wechsel nach Deutschland noch lange nicht gestillt. Und noch etwas will Andy Schmid unbedingt erreichen: „Ich muss meinen Schweizer Dialekt etwas abschleifen“, lacht der Mann aus dem Kanton Zürich, der in der Kabine bereits ein paar Späße über sich ergehen lassen musste und nicht länger der „Exot“ sein will. Und mit der Geradlinigkeit, mit der er seine Karriere bisher geplant hat, ist ihm sogar dieses Unterfangen zuzutrauen.

Von Thorsten Hof