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„Wir wollen Deutscher Meister werden“

Mads Mensah im Interview

Der Auswärtssieg der Rhein-Neckar Löwen in Göppingen am gestrigen Sonntag ging für Löwen-Rückraumspieler Mads Mensah in die Verlängerung. Gemeinsam mit Kollege Harald Reinkind musste der Däne nach dem Sieg zur Anti-Doping-Kontrolle. Während Reinkind keinerlei Probleme hatte seine Urinprobe abzugeben und pünktlich zur Abfahrt wieder im Mannschaftsbus saß, dauerte es bei Mensah länger. Der Mannschaftsbus der Löwen wartete nicht, und während seine Kollegen schon wieder zu Hause waren, ging es für Mensah mit einigen Stunden Verspätung im Auto auf die Heimfahrt. Für ein ausführliches Interview nahm sich der dänische Nationalspieler dennoch Zeit.

Mads, die Pause zwischen der Europameisterschaft in Polen und den neuen Aufgaben bei den Löwen war sehr kurz, vielleicht sogar zu kurz?

Mads Mensah Larsen: Nein, meiner Meinung nach war die Pause ausreichend. Aus Dänemark kenne ich es nur so, dass die Saison nach einer Welt- oder Europameisterschaft noch früher fortgesetzt wird. Ich habe große Lust auf die Spiele mit den Löwen, denn die Europameisterschaft ist für die dänische Nationalmannschaft und mich mit dem sechsten Platz nicht so zu Ende gegangen, wie ich mir das vorgestellt hatte.

Ist die Lust auf die Löwen deshalb vielleicht noch größer?

Mensah: Das weiß ich nicht, sie ist aber auf jeden Fall nicht kleiner geworden. Es ist immer schön, wenn man ein bisschen aus dem Alltag herauskommt. Deswegen waren die Wochen bei der Nationalmannschaft ganz gut. Andere Kollegen, ein anderes Umfeld. Das war eine ganz gute Abwechslung. Aber jetzt bin ich glücklich, dass es bei den Löwen weitergeht. Wir haben noch viel vor in dieser Saison.

Ist denn die Umstellung von Nationalmannschaft auf Bundesliga schwieriger für den Kopf oder für den Körper?

Mensah: Das ist eher ein mentales Ding, auch wenn dieses Programm und diese Belastung schon echt hart für den Körper sind. In den vergangenen Jahren war es bei mir aber immer so, dass es mir nach einer EM oder WM schwer fiel, mich sofort wieder auf die Aufgaben bei meinem Klub zu konzentrieren. Das war keine Frage der Kraft, da war ich eher mental müde. Aber daraus habe ich gelernt, die EM in Polen war ja nicht mein erstes großes Turnier. Ich fühle mich jetzt weder müde noch platt, sondern verspüre eine große Vorfreude auf die nächsten Monate bei den Löwen.

Du hast bei der Europameisterschaft viel gespielt, dein Nationaltrainer Gudmundur Gudmundsson hat deine Leistungen gelobt. Wie fällt deine persönliche Turnier-Bilanz aus?

Mensah: Ich bin, was meine eigene Leistung angeht, mit vielen Dingen zufrieden. Meiner Meinung nach war das mein bestes Turnier im Nationaltrikot, auch wenn ich sicherlich noch besser spielen kann und es immer Steigerungspotenzial gibt. Ich habe mir noch ein paar Fehler zu viel erlaubt. Aber im Großen und Ganzen war das okay.

Dänemark ging ungeschlagen und als Titelanwärter ins letzte Hauptrundenspiel gegen Deutschland. Es folgten die erste Niederlage und das Aus. Was war denn da plötzlich los?

Mensah: Die Deutschen waren richtig gut auf dieses Spiel gegen uns vorbereitet. Die haben ein paar Sachen gemacht, die wir vorher nicht im Videostudium gesehen hatten. Aber die Niederlage gegen Deutschland war meiner Meinung nach nicht das Entscheidende. Wir hätten am Tag davor einfach gegen Schweden gewinnen müssen. Wir führten in der ersten Halbzeit mit fünf Toren, führten kurz vor dem Abpfiff mit drei Toren – und spielten am Ende unentschieden. Es hätte gereicht, dieses Spiel zu gewinnen, denn dann hätten wir uns gegen Deutschland sogar eine knappe Niederlage erlauben können und wären trotzdem ins Halbfinale eingezogen. Dass es gegen Deutschland dann schwer werden würde, war klar. Denn der Gegner war frisch und wir hatten keine 24 Stunden vorher spielen müssen. Ich bleibe dabei: Wir haben es gegen Schweden verbockt, nicht gegen Deutschland.

Die Deutschen wurden wenige Tage später sensationell Europameister. Wie sehr hat dich das überrascht?

Mensah: Vor dem Turnier hat das sicherlich niemand erwartet. Aber es gab einige Überraschungen bei dieser EM, auch die Norweger hatte keiner auf der Rechnung. Als die Deutschen dann im Halbfinale standen, musste man ihnen den Titel zutrauen, auch wenn Spanien mein persönlicher Favorit war. Aber auch im Endspiel hat sich gezeigt: Gegen diese deutsche Abwehr ein Tor zu erzielen, ist einfach schwer.

Du spielst deine zweite Löwen-Saison und bist zu einem wichtigen Faktor geworden. Wie wertvoll waren die Erfahrungen in deinem ersten Bundesliga-Jahr?

Mensah: Das erste Jahr war richtig schwierig, aber auch sehr lehrreich. Es hat mir geholfen, ein besserer Handballer zu werden. Jetzt kenne ich jeden Gegner. Jetzt kenne ich meine eigene Mannschaft besser. Jetzt weiß ich, wie hart hier in Deutschland gespielt wird. Und jetzt weiß ich, wie schnell hier gespielt wird. All das führt dazu, dass ich jetzt konstanter spiele.

Vardar Skopje, Frisch Auf Göppingen, SG Flensburg-Handewitt und Vive Kielce – es gibt leichtere Startprogramme nach einer Europameisterschaft.

Mensah: Das mag sein, aber es interessiert mich eigentlich nicht. Klar ist das Startprogramm schwierig, aber wir haben alle Möglichkeiten, das selbst zu regeln. Göppingen und Flensburg sind zwei Schlüsselspiele, ein Sieg über Flensburg wäre praktisch vier Punkte wert. Anfang März müssen wir dann in der Liga noch gegen Melsungen ran. Dieser Gegner hat uns in dieser Saison schon ganz schön vor Probleme gestellt. Wenn wir diese Aufgaben alle lösen, sieht es für uns nicht schlecht aus, und Skopje und Göppingen haben wir bereits gut gelöst.

Mit welchen Zielen geht ihr in den Endspurt?

Mensah: Wir wollen Meister werden und haben es selbst in der Hand, dieses Ziel zu erreichen. Wir liegen zwei Punkte vor Kiel. Das ist zwar nur ein kleiner Vorsprung, aber dennoch ein Vorteil. Und den wollen wir nutzen. Dafür müssen wir alle Heimspiele gewinnen, auch gegen Flensburg.

In der Vorrunde der Champions League liegt alles eng beisammen. Euch droht in der Gruppe B der undankbare fünfte Platz und somit ein starker Gegner im Achtelfinale.

Mensah: Die Bundesliga ist das Wichtigste für uns. Aber das bedeutet natürlich nicht, dass wir nichts in der Champions League erreichen wollen. Wir würden gerne noch mindestens Vierter in unserer Gruppe werden, das ist klar. Man muss aber immer bedenken: Bei dem Programm, das wir als Bundesligist haben, befinden wir uns ganz einfach im Nachteil gegenüber den anderen europäischen Klubs wie eben unsere Gruppengegner FC Barcelona, Vardar Skopje und Vive Kielce, die in ihren nationalen Ligen nicht so sehr oder gar nicht gefordert werden und sich auf die Champions League konzentrieren können.

Die Löwen standen schon acht Mal im Final Four um den DHB-Pokal. Gelingt in diesem Jahr der neunte Streich und bringt ihr dann auch den Titel mal von Hamburg mit nach Hause?

Mensah: Im vergangenen Jahr habe ich mein erstes Final Four um den DHB-Pokal gespielt und es war extrem enttäuschend, dass wir das Halbfinale gegen Flensburg verloren haben. Aber es gab auch noch andere Enttäuschungen. Die vielen Niederlagen gegen die vermeintlich Kleinen haben uns die Meisterschaft gekostet. Was den Pokal angeht: Natürlich hoffe ich, dass wir Melsungen im Viertelfinale schlagen, ich will wieder nach Hamburg – und dann will ich mithelfen, dass die Löwen diesen Final-Four-Fluch endlich ablegen. Aber erst einmal kommt Melsungen. Das wird schwer genug, wie wir wissen.

Dein Vater stammt aus Ghana. Hast du noch Familie dort?

Mensah: Ich habe einen Halbbruder, der in Ghana lebt. Mit ihm und seinen drei Söhnen stehe ich in Kontakt.

Und erlaubt es dir der Spielplan, auch mal ins Heimatland deines Vaters zu reisen?

Mensah: Das ist sehr schwer, sogar fast unmöglich bei diesem Spielplan. Wenn es mit einem Trip nach Ghana klappen soll, muss das eigentlich in der Sommerpause passieren. Und in diesem Jahr hoffe ich, dass meine Sommerpause kurz ist. Ich will mit Dänemark zu den Olympischen Spielen.

Kennt man Handball in Ghana?

Mensah: Nein, eher nicht. Diese Sportart kennt in Westafrika eigentlich keiner. Ich glaube, in Burkina Faso spielen ein paar Leute Handball, ansonsten eher in Nordafrika. Aber in Ghana ist Fußball ganz klar die Sportart Nummer eins.

Dein Nationalmannschaftskollege Casper Mortensen stand beim HSV Hamburg unter Vertrag und erlebte während der EM die Insolvenz seines Arbeitgebers. Wie ist es ihm damit ergangen?

Mensah: Was in Hamburg passiert ist, war eine ganz schlimme Situation für alle betroffenen Spieler und nicht nur für Mortensen. Ich weiß genau, wovon ich rede. Ich war damals auch dabei, als AG Kopenhagen plötzlich auseinandergebrochen ist. Casper war im vergangenen Sommer richtig glücklich über seinen Wechsel nach Hamburg. Er hatte zum ersten Mal seine dänische Heimat verlassen – und dann sowas. Eine wirklich traurige Geschichte. Umso mehr freue ich mich für ihn, dass er mit der TSV Hannover-Burgdorf ganz schnell einen neuen Verein gefunden hat.

Den HSV gibt es nicht mehr. Wie bewertest du das?

Mensah: Das ist einfach schlecht für den Handball und die Bundesliga. Wenn so eine Pleite vor oder nach der Saison erfolgt, ist es immer besser, als wenn mittendrin plötzlich Schluss ist. Da gibt es eigentlich nur Verlierer.

 

Es sind noch Tickets für das Spitzenspiel gegen die SG Flensburg-Handewitt am Mittwoch, 20:15 Uhr in der SAP Arena erhältlich.

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