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Zwischen Hoffnung und Ernüchterung

Mannheim. Hinterher schwankte die Gefühlslage bei den Rhein-Neckar Löwen irgendwo zwischen Hoffnung und Ernüchterung. Wie bereits in den letzten Wochen zeigten die „Besten aus dem Südwesten“ im deutsch-deutschen Duell in der Champions League gegen den THW Kiel eine starke Leistung, doch erneut standen sie mit leeren Händen da. Die „Zebras“ gewannen mit 29:28 (15:13) – und waren nach Filip Jichas Treffer zehn Sekunden vor dem Abpfiff einen Wimpernschlag vorne und im Viertelfinal-Hinspiel gestern Abend vielleicht den Tick cleverer.

Von einer Vorentscheidung wollte freilich selbst derjenige nichts wissen, der die Löwen zwischenzeitlich im Alleingang fast zur Verzweiflung gebracht hatte. Der Franzose Thierry Omeyer gilt als weltbester Torhüter im Handball. Und dieser sagte ganz profan: „Es ist schön, gewonnen zu haben. Doch wir wussten vorher, dass die Entscheidung nicht hier fällt.“ Keine Frage: Omeyer hielt spektakulär, aber auf der Gegenseite stand ein ebenbürtiger Arbeitskollege im Kasten. „Kasa“ Szmal verbuchte 21 Paraden und lag somit exakt auf Augenhöhe mit Omeyer. Welche Erklärung er dafür habe, dass seine Männer 28 Tore schossen und 27 Fehlwürfe verzeichneten, wurde Löwen-Trainer Ola Lindgren in der Pressekonferenz gefragt. Mit stoischem Blick kommentierte der Schwede das Hauptthema mangelnde Chancenverwertung: „Ich brauche nur nach links zu schauen – da ist die Antwort.“ Omeyer saß, siegte und schmunzelte angesichts der Lobeshymne, die sein Coach Afred Gislason mit einem dezenten Nicken unterstrich.

Wie in der Bundesliga (22:23) sollten die Nordlichter die Nase im „Ufo“ erneut hauchdünn vorne haben. Besonders für einen Löwen war’s ein schmerzhafter Abend. „Küken“ Patrick Groetzki, 20 Jahre jung, versemmelte drei hundertprozentige Gelegenheiten am Stück – binnen zwei Minuten, beim Stand von 8:10, zog Omeyer dem Rechtsaußen aus Pforzheim den Zahn, so dass Olafur Stefansson auf Groetzkis Position rückte. Die Seuche mit dem Harzbällchen setzte sich fort – selbst Routiniers wie Stefansson oder Andrej Klimovets „verwachsten“.Kent-Harry Andersson, Sportlicher Berater bei den Löwen, schützte Groetzki sogleich: „Es war ganz hart für einen jungen Spieler wie Patrick – er ist an einem Meister seines Faches gescheitert.“ Auch auf der Bank wurde Groetzki von Siarhei Harbok umgehend getröstet – eine feinfühlige Geste.

Vor 13.200 Zuschauern in der ausverkauften SAP Arena entwickelte sich ein Kampf auf Biegen und Brechen. Man spürte, dass die Löwen ihren „Angstgegner“ Kiel mit aller Macht bezwingen wollten, entsprechend lautstark und enthusiastisch unterstützte sie die Kulisse. Dominik Klein zeigte sich beeindruckt von der Gänsehautatmosphäre. „Bei solch engen Spielen muss man immer an sich glauben. Wir haben mit dem THW schon alles erlebt. Es geht weiter bis zur letzten Sekunde.“ Am Sonntag (17.15 Uhr) steigt das Rückspiel in der Kieler Sparkassen Arena, in das die Ostsee-Männer mit einem psychologischen Vorteil gehen.

Verloren ist für die „Mannheimer“ noch nichts, falls sie sich steigern und den THW-Rückraum mit Jicha (8 Tore) und Ex-Krösti Christian Zeitz (5) in den Griff kriegen. „Zeitzi“ fing superstark an und bewies, dass er einen wie Kim Andersson (verletzt) zu ersetzen vermag.

„Wir können auch dort gewinnen“, folgte die erste Trotzreaktion von Lindgren prompt. Gerade im eigenen Überzahlspiel herrscht Steigerungsbedarf – hier kassierte die Fusions-Sieben überflüssige Treffer, die weh taten – und letztlich zu den „Kleinigkeiten auf diesem Niveau“ (Oliver Roggisch) zählen, die den Unterschied ausmachen. Insofern wäre es fatal, den Kopf hängen zu lassen. Alles spricht nunmehr eigentlich für Kiel – womöglich liegt darin die objektive Restchance. In Hamburg beim Final Four oder auch in Lemgo machten die Löwen bis dato ihre besten Saisonspiele – ein Hoffnungsschimmer?

Von Joachim Klaehn

 26.04.2010