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Torgarant und Trumpfkarte

Mannheim. Wie sich die Zeiten doch ändern. Es ist erst ein paar Monate her, da wussten die Rhein-Neckar Löwen nicht genau, ob Grzegorz Tkaczyk jemals wieder zurückkehren würde. Nach einer Operation am Außenmeniskus hörten beim Rückraumspieler des Handball-Bundesligisten die Schmerzen im linken Knie nicht auf, ein erneuter Eingriff wurde notwendig – und erst nach sehr langer Pause gab der Pole im März sein Comeback. Doch die Ungewissheit blieb.

Tkaczyk kämpfte um seine Chance und bekam von Trainer Ola Lindgren Ende der vergangenen Saison viele Spielanteile. Die Löwen wollten wissen: Packt es der 29-Jährige noch einmal oder nicht? Die Antwort lautete „Ja“. Der Rechtshänder mit dem Rockstar-Image bestand den Härtetest und zahlte das Vertrauen des Trainers gleich am ersten Spieltag der neuen Saison zurück. Beim 31:30-Bundesliga-Auftaktsieg der Gelbhemden beim HBW Balingen-Weilstetten avancierte der Pole zum Matchwinner.

„Er hatte einen Bombentag“, freute sich Manager Thorsten Storm für den treffsicheren Ex-Magdeburger, der von seinen Kollegen auf dem Weg in die Kabine mit Lob überschüttet wurde. Der gefeierte Held nahm die vielen warmen Worte zur Kenntnis, verfiel aber nicht in große Euphorie.

„Keine Schmerzen im Knie, zwei Punkte und acht Tore von mir. Damit kann ich zufrieden sein“, sagte Tkaczyk, der mittlerweile nicht mehr auf der Mitte spielt, sondern auf der halblinken Königsposition agiert und in Balingen fast 60 Minuten lang auf der Platte stand. Sein Kumpel Karol Bielecki kam dagegen nicht zum Einsatz, was jedoch nichts mit der Erblindung seines linken Auges zu tun hatte, wie der Sportliche Berater Kent-Harry Andersson versicherte: „Balingen-Weilstetten hat mit einer 3-2-1-Deckung gespielt – und das liegt Karol nicht. Deshalb haben wir auf Grzegorz gesetzt. Hätte er schlecht gespielt, wäre Karol gekommen. Aber dafür gab es keinen Grund. Das ändert aber nichts daran, dass wir vollstes Vertrauen in Bielecki haben.“

Bielecki eine Alternative

Beim HBW ging es jedoch ohne den Rotschopf, was allein an Tkaczyk lag. Der Pole war Lindgrens Trumpfkarte gegen die offensive Balinger Deckung. „Er hat einen guten Wurf, ist spielerisch sehr stark und ungemein explosiv. Grzegorz ist ein ganz wichtiger Spieler für uns“, meinte der Löwen-Trainer, der sich zurzeit wenig Gedanken um die halblinke Position machen muss: „Ich bin froh, dass mir zwei unterschiedliche Spielertypen in einer guten Form zur Verfügung stehen.“ Allerdings müsse Bielecki nach der Erblindung sein Deckungsverhalten verbessern: „Im Abwehrbereich kommt noch viel Arbeit auf ihn zu. Aber ich bin zufrieden mit seiner Entwicklung. Er macht Fortschritte.“

Schon im Derby am Dienstag (20.15 Uhr/SAP Arena) gegen Frisch Auf Göppingen könnte Bielecki wieder eine Alternative sein – zumindest in der Offensive. „Ich gehe davon aus, dass der Gegner mit einer 6-0-Abwehr spielt. Das liegt Karol“, meinte Lindgren. Sollte sein Kollege Velimir Petkovic ihn jedoch überraschen, muss sich der Löwen-Coach keine Sorgen machen: Er hat ja noch Grzegorz Tkaczyk.

Von Marc Stevermüer

 30.08.2010