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„Bei uns hat keiner nur annähernd seine Normalform abgerufen“

Es hatte etwas von einem ausgespielt wird. Am 29. und 30. Mai schaut die Handball-Szene Karlsruhe. Dass Thorsten Storm, der Manager der Rhein-Neckar Löwen, im schwülwarmen Presseraum der Karlsruher Europahalle nach Spielende erst einmal dafür sorgen musste, dass Getränke beigeschafft werden, passte nur zu gut ins Bild. Allerdings war das Fehlen von Erfrischungen nicht das Einzige, was am Pfingstsonntag aus Sicht des badischen Handball-Bundesligisten schiefgelaufen war. Nach einem konzept- und weitgehend emotionslosen Auftritt hatten die badischen Ballwerfer mit 26:33 (13:14) gegen die Füchse Berlin verdientermaßen eine empfindliche Niederlage hinnehmen müssen. „Wir sind alle sehr enttäuscht, denn diese Leistung ist nur schwer zu erklären“, gab Trainer Ola Lindgren zu Protokoll. „Ich bin sprachlos“, ergänzte Storm, „bei uns hat wohl noch nicht jeder begriffen, wie wichtig es ist, dass wir den vierten Platz schaffen“. Nach der Pleite gegen Berlin können die Löwen nun nicht mehr aus eigener Kraft den zur Teilnahme an der Champions-League-Qualifikation berechtigenden vierten Rang erreichen.

„Bei uns hat keiner nur annähernd seine normale Leistung abgerufen. Und wenn man eben nur 60 oder 70 Prozent bringt, dann hat man in der Bundesliga keine Chance“, meinte Oliver Roggisch. „Wir haben alles falsch gemacht – angefangen bei mir selbst. Aber ich habe keine Ahnung, woran das gelegen hat“, stimmte Michael Müller selbstkritisch zu. „Die Jungs haben nach 15 Minuten die Köpfe hängen lassen und jeder hat einfach die Verantwortung weitergeschoben“, betonte der sichtlich bediente Storm. Dabei war dem Löwen-Manager – genau wie den 4 211 Zuschauern – nicht verborgen geblieben, dass nach dem verletzungsbedingten Ausfall von Olafur Stefansson keiner da war, der Ordnung ins Angriffsspiel brachte.

„Wir haben zu ungeduldig und undiszipliniert gespielt. Das war ein riesengroßer Rückschlag. Es tut mir leid für die Zuschauer“, erklärte Lindgren, in dessen Auswahl nur Uwe Gensheimer annähernd Normalform erreichte. Der Nationalspieler war mit acht Treffern einmal mehr bester Löwen-Werfer und versuchte nach gelungenen Aktionen immer wieder, seine Teamkollegen mitzureißen – allerdings vergeblich. „Wir waren nicht bereit, den Preis zu bezahlen, um ein Handballspiel zu gewinnen“, so Lindgren weiter. Dagegen warfen die Füchse all die Tugenden in die Waagschale, die man braucht, um als eigentlich unterlegenes Kollektiv einem Favoriten ein Bein zu stellen.

„Meine Mannschaft hat wirklich unglaublichen Teamgeist und Charakter gezeigt – darauf bin ich sehr stolz“, sagte Gästecoach Dagur Sigurdsson, der mit Nationaltorhüter Silvio Heinevetter den überragenden Akteur in seiner Mannschaft hatte. Während die Berliner von Beginn an engagiert zu Werke gingen, fanden die Hausherren nie zu ihrem Spiel. „Wir haben uns zu oft in Einzelaktionen verzettelt, daher ist auch kein Spielfluss zu Stande gekommen“, erklärte Patrick Groetzki und fügte an: „Jeder hat Fehler gemacht, deshalb muss sich jetzt auch jeder an die eigene Nase fassen.“

Rhein-Neckar Löwen: Gensheimer 8/4, Tkaczyk 6, Müller 3, Gudjonsson 3/1, Bielecki 2, Myrhol 2, Groetzki 1, Manojlovic 1.
Füchse Berlin: Kubisztal 8, Sellin 8/1, Nincevic 7/1, Jaszka 4, Karason 3, Bult 1, Löffler 1, Strand 1.

Von Christof Bindschädel

 25.05.2010