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Bereit für Runde zwei im Final-Four-Fight

Löwen erleben ein wildes Match im Viertelfinal-Hinspiel der EHF European League – mit Zuschauern, sportlichem Auf und Ab und vielen Emotionen

Bereit für Runde zwei im Final-Four-Fight: Rhein-Neckar Löwen erleben ein wildes Match im Viertelfinal-Hinspiel der EHF European League.
Rund 1000 Fans waren in der Halle in Chekhov.

„Ungewohnt.“ Dass rund 1000 Zuschauer dem Viertelfinal-Hinspiel in der EHF European League im russischen Chekhov beiwohnten – damit musste sich nicht nur Patrick Groetzki erst einmal arrangieren. Lärm und Bewegung auf den Rängen, dazu eine Blaskapelle im Stil niederländischer Fußball-Party-Fans: Die Stimmung im Duell zwischen Chekhovskie Medvedi und Rhein-Neckar Löwen, sie war der krasse Kontrast zur Geisterspiel-Atmosphäre der letzten Monate. Und definitiv ein positiver Aspekt, wie „Johnny“ betonte: „Es war schön, ehrlich gesagt, mal wieder so eine Geräuschkulisse während eines Spiels zu haben, Emotionen von der Tribüne zu spüren. Das hat Spaß gemacht.“ Klar ist: Die Löwen sind bereit für Runde zwei im Final-Four-Fight.

Spaß gemacht hat das, was parallel dazu auf der Platte stattfand, den Zuschauern auf jeden Fall. Das Heimteam aus der Metropolregion Moskau ging zunächst mit 3:0 in Führung, rutschte dann in einen harten Negativlauf, ging mit 15:19 in die Pause und legte im Anschluss eine rasante und teils spektakuläre Aufholjagd hin. Dabei profitierte man von zahlreichen Fehlwürfen der Gäste, die sich in den zweiten 30 Minuten eine Wurfquote nah am Prinzip Zufall von 54 Prozent leisteten. Am Ende konnten aber alle – inklusive Löwen – mit dem Ergebnis leben. Durch das 33:32 ist im Rückspiel alles möglich. Auch für die russischen Bären, wie sich die Mannschaft aus dem 60-000-Einwohner-Städtchen Chekhov nennt.

„Wir haben mit einem Tor verloren. Es ist Halbzeit. Und jetzt müssen wir schauen, dass wir die zweite Halbzeit gewinnen.“ Löwen-Trainer Martin Schwalb eine nüchtern-sachliche Analyse zu attestieren, wäre die Untertreibung des Jahres. Der Mann, der im Handball so gut wie alles schon erlebt hat, weiß genau, was seine Truppe braucht. Ruhe. Fokus. Und auch ein bisschen Schutz. Denn was die Löwen seit Wiederbeginn der Saison abspulen, ist nicht weniger als ein ziemlich rücksichtsloses Mammutprogramm. Spiele im Drei-Tages-Rhythmus, dazu Reisen quer durch Deutschland und Europa. Die Folgen: Müdigkeit und Muskelverletzungen, die sich selbstverständlich auch direkt im Spiel der Löwen bemerkbar machen.

Bereit für Runde zwei im Final-Four-Fight: Gefährliche Melange aus psychischer und körperlicher Erschöpfung

Bereit für Runde zwei im Final-Four-Fight: Rhein-Neckar Löwen erleben ein wildes Match im Viertelfinal-Hinspiel der EHF European League.
Insbesondere Jannik Kohlbacher musste auf die Zähne beißen.

Wenn ein Jannik Kohlbacher sich fünf Fehlwürfe leistet wie am Dienstagabend, dann ist das eben auch über seinen Gesundheits- und Fitnesszustand zu erklären. Jedenfalls kann sich bei den Löwen niemand daran erinnern, dass der als Mister Zuverlässig bekannte Kreisläufer in den vergangenen drei Jahren so viele Versuche in einem Spiel verballert hat. Doch Kohli steht stellvertretend für die Überbelastung des national wie international aktiven Profi-Handballers in Corona-Zeiten. Der lädierte Rücken tut sein Übriges dazu. Und fertig ist die gefährliche Melange aus psychischer und körperlicher Erschöpfung.

Wichtig ist deshalb aus Löwen-Sicht, dass die nächsten so bedeutsamen Spiele zuhause angesetzt sind. Am Samstag Hannover in der SAP Arena, am Dienstag Chekhovskie Medvedi im SNP dome Heidelberg: Im gewohnten Umfeld, dann leider wieder ohne Zuschauer, haben die Mannheimer und Kronauer die Chance, sowohl in der HBL als auch in der Euro League zwei Siege einzufahren, die für den restlichen Saisonverlauf von größter Bedeutung wären. Mit einem Sieg über Hannover würde man sich im Rennen um die Europapokal-Plätze weiter in einer ordentlichen Position halten. Ein Erfolg über den russischen Dauermeister drei Tage später brächte das begehrte Ticket für das Final Four der Euro League.

Bereit für Runde zwei im Final-Four-Fight: Wer hat die steilere Lernkurve?

Bereit für Runde zwei im Final-Four-Fight: Rhein-Neckar Löwen erleben ein wildes Match im Viertelfinal-Hinspiel der EHF European League.
Vladimir Maksimov ist als Trainer mit allen Wassern gewaschen.

Die größte Unbekannte vor dem entscheidenden Duell mit den russischen Bären ist die eigene Leistungskurve. Ähnlich unabwägbar scheint die des Gegners: Auch die Jungs von Trainer-Legende Vladimir Maksimov zeigten im Hinspiel zwei Gesichter. Das einer entschlossenen Einheit und das einer ziemlich fahrigen Einzelkämpfertruppe. Alexander Kotov beispielsweise nahm sich als Rechtshänder auf halbrechts 17 Würfe, versenkte davon 13. Auf der anderen Halbposition leistete sich Sergei Kosorotov sogar sechs Fehlversuche (5/11). Stark die Leistungen von Kreisläufer Aleksandr Ermakov (4/6), Linksaußen Roman Ostashchenko (7/7) und Torwart Dmitry Pavlenko, der mit 14 Paraden auf eine Fangquote von 31 Prozent kam.

Wie im Vorfeld beschrieben, weist die Maksimov-Mannschaft eine steile Lernkurve auf. Schon in den beiden Duellen mit Nîmes aus Frankreich steigerten sich die Russen mit jeder Halbzeit, hatten den eigentlich favorisierten Gegner am Ende des zweiten Aufeinandertreffens ziemlich gut im Griff. Damit den Löwen nicht dasselbe droht, brauchen sie wiederum einen deutlichen Lerneffekt, wie auch Löwen-Rekordspieler Patrick Groetzki weiß: „Wir wussten schon vorher, dass es ein schwieriges Spiel wird, weil sie gute Einzelspieler haben und einen cleveren Handball spielen. Wir haben heute einige Fehler gemacht, die man so nicht machen darf, und die wollen wir natürlich nächste Woche abstellen und ins Final Four einziehen.“ Punkt.