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Das Beste von Henning Fritz nicht gut genug

Mannheim. Phasenweise wirkte es, als sei er unbezwingbar, ein Superheld, eine Art Spiderman zwischen den Pfosten: Unglaublich war’s, was Hening Fritz, 35, am Mittwochabend auf die „Platte“ hexte. Die SAP Arena war seine große Bühne. Eine Glanzparade jagte die nächste, ein Reflex war atemberaubender als der andere. Der Torhüter der Rhein-Neckar Löwen befand sich in seiner eigenen Welt, Tunnelblick inklusive. Vor allem Mitte der ersten Halbzeit fühlte man sich an einen Lehrfilm für Torhüter erinnert, quasi ein „Best of Henning Fritz“.

Der gebürtige Magdeburger war der Mann des Abends. Daran änderte auch die 22:23-Niederlage gegen den THW Kiel nichts. Ausgerechnet Fritz, ausgerechnet der, in dem viele vermeintliche Experten längst ein Auslaufmodell sehen. Er lebe nur noch von seinem großen Namen hört man, sagt man. All denen gab „Fritze“ gegen den Branchenführer die richtige Antwort. Er ließ seine Kritiker sprachlos zurück. Fakt ist: In dieser Form ist er jeden Cent wert. Hält er weiterhin nur annähernd so gut wie gegen Kiel, können sich die Löwen glücklich schätzen, dass er seine Option gezogen hat. Denn auf diesem Level würde ihn wohl jeder Klub mit Handkuss nehmen.

Doch Fritz will gerade hier glänzen, zwischen Rhein und Neckar fühlt er sich längst heimisch. Seine Familie genießt das badische Miteinander. Gut möglich also, dass Henning Fritz nach dieser Saison noch eine weitere in der Manege dranhängt. Die Möglichkeit dazu scheint er zu besitzen: Nach Informationen der RNZ könnte er nach dieser Saison eine weitere Einjahres-Option ziehen. Derzeit ist Fritz jedenfalls nicht wegzudenken.

Top ist er auf mehreren Ebenen. Eine Identifikationsfigur durch und durch. Eine, die immer etwas zu sagen hat. Die auch redet, wenn es schwer fällt, wenn andere vor lauter Frust schweigen wie ein Grab. So wie am Mittwochabend, dem Abend, an dem er eigentlich reif war, der THW Kiel, aber dann wieder einmal nicht zu Fall gebracht werden konnte. Fritz’ Fazit: „Dieser THW war heute schlagbar. Leider konnten wir es nicht nutzen!“ Umgehen kann er damit, aber es fällt schwer, verdammt schwer: „Das ist einfach nur enttäuschend, wenn wir untergehen okay, doch so zu verlieren, ist richtig bitter.“

Frust pur. Die eigene Gala verkam da zur Randerscheinung. Auch wenn die Gratulanten hernach Schlange standen. Selbst die Gegner reihten sich ein. Kim Andersson, der schwedische Rückraum-Star, war so einer. „Sensationell dieser Fritz: Überragend“, verneigte sich der Linkshänder. Und auch der Löwen-Chef brachte es auf den Punkt: „Glückwunsch Henning Fritz. Aus meiner Sicht hat er heute Thierry Omeyer, der ebenfalls stark war, in den Schatten gestellt“, verteilte Löwen-Manager Thorsten Storm ein Sonderlob.

Bei Storm hielt sich die Enttäuschung über die Niederlage übrigens in Grenzen. Er bewies Weitsicht, sah sie vielmehr als eine weitere Stufe im Entwicklungsprozess: „Wir waren noch einen Tick stärker als in Göppingen. Keiner unserer Spieler muss sich schämen.“

Dazu bleibt aber auch keine Zeit. Es gilt den Kopf frei zu bekommen. Der Terminplan ist straff: Schon morgen um 16 Uhr gastiert das Rudel beim KS Vive Kielce. Es ist Champions-League-Zeit. Beim polnischen Spitzenklub freut man sich bereits auf den hohen Besuch: „Die Löwen sind eine große Mannschaft, haben super Individualisten in ihren Reihen“, erklärt Kielces Präsident Bertus Servaas im RNZ-Gespräch, „aber natürlich werden wir alles versuchen.“

Wozu der neue Klub von Ex-Löwe Mariusz Jurasik fähig ist, bewies er im Hinspiel. Damals entführten die Polen einen Punkt aus der Karlsruher Europahalle. Daheim würde man das natürlich gerne wiederholen, doch Servaas ist pessimistisch: „Von zehn Spielen gegen die Löwen verlieren wir acht, es wäre schon ein großer Zufall, wenn es nun im zweiten Aufeinandertreffen erneut klappen würde.“ Ein Feiertag wird es für Kielce aber so oder so. Kasa Szmal und Karol Bielecki sei Dank. Das Löwen-Duo besitzt in Polen Kultstatus. Die Handball-Fans liegen ihnen zu Füßen. „Karol ist in Kielce aufgewachsen und Kasa ist spätestens seit dieser EM ein Volksheld“, verrät Servaas. Ein Volksheld, der schon in der kommenden Saison für Kielce spielt? Servaas sagt: „Natürlich sind wir stark an ihm interessiert, haben auch schon mit ihm gesprochen. Aber fix ist da noch nichts.“

Szmals Vertrag bei den Löwen läuft noch bis 2011. Eine überschaubare Zeit, sagt Servaas gelassen: „Wir können auch noch ein Jahr warten.“ Hat der Szmal-Poker etwa schon begonnen?

Von Daniel Hund

 12.02.2010