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Das große Patrick-Groetzki-Interview, Teil 3
Der dienstälteste Löwe spricht über Vereinstreue, die Extreme des Sports und seine weiteren Ziele
Patrick Groetzki und die Rhein-Neckar Löwen – das passt einfach. Seit 2007 läuft der gebürtige Pforzheimer im gelben Dress der Löwen auf und hat dabei alle Höhen und Tiefen eines Handballer-Lebens mitgemacht. Nach seinem zehnjährigen „Dienstjubiläum“ im Sommer 2017 haben wir uns mit dem Löwen-Urgestein ausführlich unterhalten und dabei einen vielseitig interessierten, aufgeschlossenen und gedanklich reifen Menschen kennengelernt. Im letzten Teil spricht der 28-Jährige über Vereinstreue, den schönsten und den schlimmsten Moment seiner Laufbahn – und die Ziele, die er noch mit den Löwen verfolgen will.
Kommen wir zum Thema Vereinstreue. Du bist das elfte Jahr bei den Löwen und gehörst damit eher einer aussterbenden Spezies an. Was sind die Gründe dafür? War das so geplant?
Patrick Groetzki: Zunächst ging es mir darum, ob ich überhaupt den Sprung in die Bundesliga schaffe. Als das klar war und ich fest im Kader stand, ging es um die Frage, ob ich hier richtig aufgehoben bin. Kann ich mich so entwickeln, wie ich das will? Und entwickelt sich der Verein so, dass ich mich damit identifizieren kann? Das war bei den Rhein-Neckar Löwen der Fall.
Wobei es da auch viel Auf und Ab gab. Ich denke da zum Beispiel an die Endphase der Ära Nielsen, als unter anderem die halbe Mannschaft quasi über Nacht weg war. Du hast da nicht die Flucht ergriffen und gesagt: Das ist mir zu chaotisch. Hattest Du damals so viel Vertrauen in den Verein und in die übrigen dort handelnden Personen?
Groetzki: Ja, auf jeden Fall. Klar habe ich mir damals auch verstärkt Gedanken gemacht. Aber ich hatte immer das Gefühl, dass unser Verein breit aufgestellt ist und noch Personen da sind, die ihr Engagement in dieser Situation noch erhöhen können. Damals ging es schon chaotisch zu und man wusste teilweise nicht, welche Spieler am nächsten Tag noch da sein würden. Das hat mir teilweise gar nicht gefallen, auch, was den Umgang mit einigen Spielern betraf. Ich persönlich fand es andererseits gut, dass damals insbesondere auf mich gebaut wurde. Egal in welcher Konstellation: Ich habe immer meine Spielanteile bekommen und meine Entwicklung vorantreiben können. Ab 2012 kam dann noch der dauerhafte sportliche Aufschwung dazu. Ab dann haben wir jedes Jahr um die Meisterschaft mitgespielt – etwas, das sich jeder Spieler wünscht, der in der Bundesliga aufläuft. Wenn man dann merkt, dass sich der Verein nicht nur sportlich, sondern auch abseits des Feldes so entwickelt, dass er dauerhaft stabil und erfolgsorientiert ist, kann man sich damit identifizieren.
Gab es denn Angebote von anderen Vereinen?
Groetzki: Etwas ganz Konkretes nicht. Es gab immer mal wieder Anfragen.
Aber Du hast es nie forciert?
Groetzki: Nein. Ich habe mich auch immer frühzeitig um eine Vertragsverlängerung bei den Löwen gekümmert, was die Anfragen auf natürliche Weise reduziert hat. Bei mir kommt dazu, dass ich die Nähe zu meinem Zuhause sehr schätzen gelernt habe. Ich sehe es an Mitspielern, die erst in einen Flieger steigen müssen, um ihre Familie zu sehen. Ich betrachte es als Luxus, dass ich mich nur kurz ins Auto setzen muss, wenn ich mal abends mit meinen Eltern essen möchte.
Gibt es einen Traumverein, mal abgesehen von den Löwen?
Groetzki: Im Moment steht das überhaupt nicht zur Debatte. Klar ist nur, dass ich mir nicht vorstellen kann, in Deutschland für einen anderen Verein zu spielen.
Das wäre auch komisch…
Groetzki: Ja, das wäre tatsächlich schwer vorstellbar. Zumal ich mich ja dann auch verbessern wollen würde…
Und das im Moment ja gar nicht geht…
Groetzki: Genau! Dazu kommt, dass ich mir einen Wechsel persönlich kaum vorstellen kann. Ich identifiziere mich zu sehr mit den Löwen, als dass ich mich derzeit woanders sehen könnte.
Zum Abschluss: Reden wir über die Extreme Deines Sports, den schönsten und den schlimmsten Moment Deiner Karriere. Beginnen wir mit dem schlimmsten.
Groetzki: Ganz klar: Das ist die Meisterschaft, die wir wegen des schlechteren Torverhältnisses verpasst haben (Saison 2013/14, Anm. d. Red.). Da bekomme ich jetzt noch Gänsehaut, wenn ich daran denke. Das war der schlimmste Moment in meinem ganzen Handballer-Leben. Das hat mir große, große Schmerzen bereitet. Ähnlich schmerzhaft war nur noch das Pokalfinale, das wir in der Verlängerung verloren haben (2010 gegen den HSV Hamburg, Anm. d. Red.). Damals waren wir eigentlich die bessere Mannschaft. Trotzdem war das mit der Meisterschaft viel schlimmer. Bei Verletzungen zum Beispiel weiß man, dass das vorübergeht, die Gesundheit wiederkommt.
Aber eine Meisterschaft kommt nicht wieder…
Groetzki: Genau.
Kannst Du Dich noch daran erinnern, was Du damals konkret gefühlt hast? War da die viel beschriebene Leere?
Groetzki: Als Leere kann man das ganz gut bezeichnen.
Wut?
Groetzki: Ein bisschen Wut war sicherlich auch dabei. Es war ja nicht zu erwarten, dass Berlin damals mit 14 Toren gegen Kiel verliert und wir unter anderem dadurch den Titel noch verlieren. Das hat uns alle schon ein bisschen wütend gemacht. Aber andererseits haben wir schnell realisiert, dass wir es in der eigenen Hand gehabt haben und unser eigenes Spiel deutlich höher hätten gewinnen können. Wir haben einfach zu viele Fehler gemacht damals (die Löwen gewannen 40:35 in Gummersbach, es fehlten am Ende zwei Tore auf den Ersten Kiel, Anm. d. Red.).
Kommen wir zum schönsten Moment?
Groetzki: Der kam zwei Jahre später: die erste Meisterschaft. Das war ein unglaublich emotionaler Tag damals in Lübbecke. Endlich an diesem Ziel zu sein, nach so vielen Jahren und den Erlebnissen von 2014, war einfach großartig.
Solche Tage prägen sich ein. Hast Du noch konkrete Erinnerungen an das Spiel, auch an das Drumherum?
Groetzki: Ja. Ich hatte an diesem Tag leichte Schmerzen in der Leiste, habe mich nicht ganz so gut gefühlt. Dann kann ich mich noch an Details im Hotel erinnern, dort sind wir über die Jahre hinweg Stammgäste geworden. Da war ich bestimmt schon 30, 40 Mal, zum Beispiel auch bei Spielen in Minden oder Lemgo. Gut im Gedächtnis ist mir, wie wir in die Halle gekommen sind und dass ich kurz vor dem Spiel an der Leiste behandelt wurde. Beim Warmmachen ist mir gleich aufgefallen, dass extrem viele Löwen-Fans in der Halle sind. Die Atmosphäre war wie bei einem Heimspiel. Auch meinen ersten Wurf habe ich noch im Kopf.
War da auch viel Genugtuung dabei? Es hieß ja vorher immer: Die Löwen sind die Vize-Löwen…
Groetzki: Mir geht es nicht darum, es anderen Leuten zu zeigen, sondern vielmehr darum, es uns selbst zu beweisen. Wir wissen alle, wie schmerzvoll es 2014 war. Dieser Schmerz wurde 2016 deutlich gelindert. Das war für uns als Mannschaft und für den ganzen Verein der Beweis: Wir können es. Ob wir es irgendjemand anderem bewiesen haben, ist mir ehrlich gesagt scheißegal.
Hast Du nach den Siegen im EHF-Pokal und in der Meisterschaft noch konkrete (Titel-)Ziele mit den Löwen?
Groetzki: Einige von uns haben das Final Four in der VELUX EHF Champions League schon erlebt, auch ich durfte das mitmachen. Jeder hat gespürt, was das bedeutet. Für mich ist es das größte Event im Klub-Handball und definitiv ein Ziel, das ich noch einmal erreichen möchte. Das steht weit über allem, was man sonst schaffen kann, auch, was die Atmosphäre in der Halle anbelangt. Da will ich unbedingt wieder dabei sein. Klar, dass dieser komisch aussehende Pokal im Kopf herumschwirrt und ich auch einmal Champions-League-Sieger sein möchte. Und der Pokalsieg steht ja auch noch aus. Vielleicht gehen wir das nach zwei Meisterschaften auch mal lockerer an. Wenn’s klappt, dann klappt’s. Und wenn nicht, nehmen wir halt den nächsten Anlauf.